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"18. November 2007, 04:00 Uhr
Von Birger Nicolai
Waffelbäcker gegen Kaffeeröster
Tchibo steht vor Gericht, weil ein Mittelständler dem Konzern Plagiate bei Waffeleisen vorwirft - ein weiterer spektakulärer Fall nach Querelen mit dem Kopfhörerhersteller Sennheiser

In einem test schwärmt die "Bild der Frau" in höchsten Tönen von dem Backapparat. "Technisch lässt das Waffeleisen keine Wünsche offen. Dank der schweren Backplatten sind die Waffeln ruck, zuck fertig und schön gleichmäßig gebräunt", schreiben die Tester über ein Modell der Firma Cloer. Ganz ähnlich müssen das auch die Küchenspezialisten von Tchibo gesehen haben, als sie ein Waffeleisen von Cloer in ihr Sortiment aufnahmen. Es war eine Zusammenarbeit von kurzer Dauer. Ein Jahr später treffen sich Tchibo und Cloer nun wieder - vor Gericht.

Der Familienbetrieb aus Arnsberg im Sauerland wirft dem Hamburger Konzern vor, dass er ein Waffeleisen abgekupfert habe. Dabei steht Achim Cloer, Inhaber und Geschäftsführer der Firma, nicht allein da. Tchibo sei der schlimmste Chinese, wenn es um Plagiate gehe, wettern immer mehr deutsche Mittelständler - Sennheiser, Alfi, WMF, Koziol oder jetzt Cloer. Allesamt werfen sie Tchibo vor, skrupellos und mit System vorzugehen.

Zuerst komme Tchibo auf einen Mittelständler zu und schlage eine Zusammenarbeit vor. Dann biete der Kaffeeröster Originalgeräte dieser Firma in ausgewählten Filialen an. "Tchibo hält uns gewissermaßen den Wurm vor die Nase und ködert uns mit der Aussicht, hohe Stückzahlen zu verkaufen", berichtet Cloer. Am Ende heiße es bei Tchibo: Ihr seid zu teuer, das Gerät lässt sich bei uns nicht absetzen.

Als Achim Cloer dann aber im März 2006 bei Tchibo ein Waffeleisen der Hausmarke TCM im Regal fand, das einem seiner Geräte täuschend ähnlich sah, war er entsetzt. Das schmucke Teil kostete nämlich günstige 17,99 Euro, etwa halb so viel wie ein vergleichbares Cloer-Waffeleisen. "Hier werden Mittelständler ausgehorcht", sagt Cloer. Dann hole Tchibo sich ähnliche Geräte bei billigen Herstellern in Fernost.

"Wir sehen in dem Waffelautomaten, den Tchibo angeboten und verkauft hat, wesentliche Elemente in der Funktion und im Design unserer eigenen Produkte", behauptet Cloer. Schlimm daran sei, dass diese Geräte dem Vergleich mit dem Original nicht standhielten: "Wir würden solch einen Apparat nicht bauen. Die Qualität des Backergebnisses ist nicht erträglich. So etwas würden wir nie verkaufen", sagt er. Seine Befürchtung: Da sich das Original und das angeblich minderwertige Tchibo-Produkt so stark ähnelten, leide Cloers guter Ruf.

Tchibo streitet die Vorwürfe als unberechtigt ab, ist in dem Fall ansonsten aber wenig auskunftsfreudig: "Ja, es wird darüber verhandelt. Zu laufenden Verfahren sagen wir jedoch nichts", heißt es. Außerdem werde das Waffeleisen, um das es gehe, gar nicht mehr verkauft.

Jetzt treffen sich die Parteien vor Gericht. Am nächsten Dienstag um 13 Uhr wird Cloer im Saal 235 des Kölner Landgerichts auf die Anwälte von Tchibo stoßen. Für den Tag hat Richter Georg Schwitanski einen Gütetermin angesetzt. Er hofft auf eine außergerichtliche Einigung zwischen den Parteien. Streit vor Gericht ist bei Cloer eine Ausnahme. "Wir sind eigentlich sehr umgänglich", sagt der Chef. Seit 109 Jahren stellt die Arnsberger Familienfirma Elektrogeräte her. Heute ist sie Marktführer in Deutschland bei Waffeleisen, Toastern und Elektrogrills. Entwickelt wird selbst, produziert in Europa und Fernost. Das Geschäft ist auskömmlich, aber nicht gewaltig.

Unabhängig vom Fall Tchibo fordern Juristen einen besseren Schutz gegen Fälscher und Kopisten. "Der rechtliche Schutz der Hersteller gegen Nachahmer reicht in Deutschland nicht aus", sagt Christopher Scholz, stellvertretender Hauptgeschäftsführer im Markenverband. Der Lobbyist setzt sich beim Bundesgerichtshof dafür ein, dass die vorhandenen Schutzrechte und das Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb stärker im Sinne der mittelständischen Hersteller angewandt werden. Marken-Fachmann Scholz prangert an, dass einige Handelsketten das Design erfolgreicher Produkte systematisch nachahmten, um von deren gutem Ruf zu profitieren. "Händler wie Tchibo testen immer wieder die Grenzen des Zulässigen aus", berichtet der Jurist.

Tchibo kennt das Problem. Zuletzt gab es Verstimmungen zwischen Sennheiser und dem Kaffeekonzern. Ein zusammenklappbarer Kopfhörer von Tchibo für knapp sechs Euro sah einem Sennheiser-Modell täuschend ähnlich. Auf das aber besaßen die Entwickler der renommierten Hi-Fi-Firma aus Niedersachsen ein Patent.

Sennheiser erwirkte im März 2006 vor dem Landgericht Hamburg eine einstweilige Verfügung und stoppte den Verkauf bei Tchibo. Als Tage später dennoch Geräte in Tchibo-Läden auftauchten, räumten Polizeifahnder das Hauptlager des Kaffeerösters in Bremen. Rund 47 000 der beanstandeten Kopfhörer wurden konfisziert.

Der Fall ging vor Gericht. Man habe nicht gedacht, dass sich ein so angesehenes deutsches Unternehmen wie Tchibo dem Vorwurf der Produktpiraterie aussetze, ließ seinerzeit Sennheiser-Chef Rolf Meyer durchblicken. Vier bis fünf Jahre habe sein Unternehmen für die Entwicklung gebraucht.

Seither ist es still geworden um Sennheiser und den Streit mit Tchibo. Von dem Gerichtsverfahren war nichts mehr zu lesen. "Wir wollen nicht, dass das in der Öffentlichkeit erscheint", beantwortet Firmensprecherin Edelgard Marquardt die Frage, wie denn das Ganze nun ausgegangen sei. "Wir haben uns einvernehmlich mit Tchibo geeinigt. Darüber haben wir aber Stillschweigen vereinbart", sagt die Sprecherin. Das alles lässt vermuten, dass sich Sennheiser mit dem Tchibo-Management wegen des angeblich in die Millionen Euro gehenden Schadens auf einen finanziellen Ausgleich geeinigt hat.

Kämpfen Mittelständler also in erster Linie gegen Tchibo, um ihre Kasse aufzufüllen? Das weist Achim Cloer von sich. "Tchibo spekuliert zwar darauf, dass wir das nicht durchhalten werden. Aber wir werden nicht klein beigeben", sagt er. Zwei Aktenordner fasst der Fall bereits. Cloer hofft, dass Richter Schwitanski zu seinen Gunsten entscheidet. "Wenn wir damit keinen Erfolg haben sollten, dann verstehe ich die Welt nicht mehr."

Wer sich mit Unternehmen wie Tchibo anlegt, braucht allerdings ein dickes Fell und ein gefülltes Bankkonto. Der Konzern verkauft seine Gebrauchswaren in rund 1000 Filialen und rund 50 000 Depots im Einzelhandel. Da kommen hohe Stückzahlen zustande. Die Menge der verkauften Geräte bestimmt den Streitwert vor Gericht. Deshalb riskieren Firmengegner von Tchibo, dass sie hohe Kosten tragen müssen, wenn sie verlieren.

Allerdings können Hersteller wie Cloer auch vorbeugen. "Es ist ganz wichtig, dass diese Firmen Rechte an ihren Geräten besitzen. Das müssen nicht gleich Patente sein. Auch der sogenannte Geschmacksmusterschutz kann hier ausreichen", sagt Andrea Jaeger-Lenz, Anwältin der Kanzlei Latham & Watkins. Dann steigen die Chancen vor Gericht.

Tchibo selbst geht gegen Nachahmer gnadenlos vor. Als sich vor drei Jahren ein italienisches Restaurant in Berlin den Namen "cibo matto" gab, klagte der Kaffeekonzern. Jetzt heißt das Lokal "C. Matto". Die Begründung dafür steht im Internet: "Ehemals Cibo Matto, italienisch für "verrücktes Essen", aber ausgesprochen wie ein bekannter deutscher Kaffeeröster, der hier per Gericht eine Namensänderung erzwang". Zumindest den Schutz der eigenen Marke nehmen die Tchibo-Manager bitterernst."

http://www.welt.de/wams_print/article1374793/Waffelbcker_geg…
 
aus der Diskussion: WMF, die vergessene Perle
Autor (Datum des Eintrages): Hiberna  (19.11.07 07:30:53)
Beitrag: 504 von 827 (ID:32475831)
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