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Venezuela Der Präsident wollte 1700 Kühe importieren - das ging schief . . .
Hugo Chávez' Problem mit der Milch
Die Inflation im Land ist so hoch, dass bestimmte Lebensmittel knapp sind. Aber der Präsident will per Volksabstimmung seine Macht noch ausbauen.
Von Christian Pletz


An einem staatlichen Marktstand in Venezuelas Hauptstadt Caracas entbrennen hitzige Diskussionen über Preise und Mengen. Die Regierung Chávez bemüht sich, die Knappheit bei Grundnahrungsmitteln aufzufangen. Foto: AP


Caracas/Hamburg -
Los Palos Grandes ist eines der wohlhabenden Viertel in Venezuelas Hauptstadt Caracas. Bei der Beschaffung von Grundnahrungsmitteln haben aber selbst die besser Betuchten erhebliche Probleme. Seit gut drei Monaten liegen in den Supermärkten keine Milch und keine Eier mehr. Und wenn doch einmal 100 Tüten Milch kommen, bilden sich Menschenschlangen bis auf die Straßen. Pro Käufer geht nur ein Liter über den Ladentisch.

Der Grund für diesen Missstand in Hugo Chávez' sozialistischem Staat ist die ungeheure Inflation. Offiziell wird von zehn Prozent gesprochen. Geschätzte 30 Prozent sind der Fall. Touristen und Geschäftsleute, die in einer Bank oder Wechselstube US-Dollar in venezolanische Bolivares tauschen, werden mitleidig belächelt. Der von der staatlichen Devisenbehörde Cadivi festgelegte Wechselkurs lautet: Ein US-Dollar sind 2150 Bolivares. Wer schwarz tauscht, bekommt für einen Dollar bis zu 6000 Bolivares.

Milch ist aber selbst auf dem Schwarzmarkt rar, der in Tante-Emma-Läden und auf Straßenmärkten blüht wie selten zuvor. Auf dem Schwarzmarkt kostet Milchpulver umgerechnet fast sieben Euro pro Kilogramm. Das ist das Doppelte des regulären Marktpreises - und glatt das Vierfache des Preises für die staatlichen Märkte. 30 Eier kosten offiziell 8000 Bolivares. Doch die Bauern beliefern die Läden gar nicht mehr regulär. Denn auf dem Schwarzmarkt erhalten sie das Doppelte pro Ei.

Einige Regierungsmitglieder werfen den Lebensmittelproduzenten vor, Grundnahrungsmittel absichtlich knapp zu halten, um Unzufriedenheit zu schüren. Und Chávez' Regierung hat reagiert. Das Milch-Problem sollte über eine Verstaatlichung der gesamten Produktion behoben werden. Erst wurde dem angeschlagenen italienischen Konzern Parmalat eine Fabrik zur Milchproduktion abgekauft. Dann wurden 1700 Kühe aus Brasilien per Schiff auf den Weg gebracht. Noch vor seiner Ankunft im venezolanischen Hafen Puerto Cabello geriet der Viehfrachter ins Schaukeln. Mehr als die Hälfte der Kühe kippte um und erdrückte Artgenossen. Die Tiere verendeten qualvoll oder kamen in der Massenpanik durch Herzversagen ums Leben.

Die toten Kühe wurden per Lastwagen abtransportiert. Allerdings kam es nur zu wenigen Fahrten, weil der durch Hitze und hohe Luftfeuchtigkeit beschleunigte Verwesungsprozess einen derartigen Gestank auslöste, dass Bewohner und Geschäftsleute an den Transportstraßen lautstark protestierten. Die Regierung von Volkstribun Chávez reagierte sofort. Die Kadaver-Transporte wurden gestoppt und der uralte Frachter samt totem Vieh mehrere Meilen vor der Küste im Meer versenkt.

Doch die zum Teil aufgeblähten Kühe trieben wie Bojen an die Wasseroberfläche. Küstenanwohner berichteten von Sperrungen der Strände, weil tote Kühe angespült worden waren. An einigen hatten bereits Haie genagt.

Den Präsidenten ficht das nicht an. Hugo Chávez will an diesem Sonntag die Volksabstimmung über die neue Verfassung gewinnen, die "proyecto de reforma constitucional". Von Plakaten, T-Shirts und den Dekolletés gemieteter Helferinnen blitzt in diesen Tagen das "Si" zur neuen Verfassung. Scheitert das Referendum, endet Chávez' Amtszeit spätestens 2013.

erschienen am 1. Dezember 2007
 
aus der Diskussion: "Ich drehe den Ölhahn zu"--Truppenmobilisierung
Autor (Datum des Eintrages): Ballyclare  (02.12.07 13:00:19)
Beitrag: 30 von 40 (ID:32639958)
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