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Müllermilch im Bauernkrieg
von David Böcking (Hamburg)

Für Negativschlagzeilen war Müllermilch schon öfter gut.
Jetzt hat sich der Molkereikonzern im bayerischen Aretsried von rund 200 aufmüpfigen Milchbauern getrennt. Die haben zwar schon einen neuen Abnehmer gefunden. Doch der Streit im Milchmarkt geht gerade erst wieder los.

Milcherzeugergemeinschaft (MEG) Augsburg-West an, vor den Türen ihres bisherigen Abnehmers Müllermilch die "Fairness" beerdigen zu wollen. "Das Grab, das die Milcherzeugergemeinschaften für die Fairness schaufeln wollen, könnte ihr eigenes werden", drohte die mit rund 2 Mrd. Euro Umsatz größte Privatmolkerei Europas daraufhin. Die Beerdigung fand trotzdem statt, schon am nächsten Tag gab es die Quittung: Müllermilch kündigte zum 16. April alle Verträge mit der MEG.


Nach diesem symbolischen Begräbnis kündigte Müllermilch der MEG den VertragUrsache des Konflikts war ein Angebot, das MEG-Mitglieder zwei Wochen zuvor per Einschreiben erreichte. In dem Brief, der FTD-Online vorliegt, bietet Müllermilch 41 Cent pro Kilo Milch bei einer Mindestvertragslauftzeit von zwei Jahren. Voraussetzung, schreibt Firmenchef Theo Müller junior, sei der Austritt aus der örtlichen MEG. Ein vorformuliertes Austrittsschreiben war beigefügt, "damit Sie unser attraktives Angebot so früh als möglich annehmen können."

Doch die Milchbauern hielten das Angebot, für das sie sich bis Ende März entscheiden sollten, für alles andere als attraktiv. Müllermilch verlangte nicht nur den Austritt aus der MEG, die in der Region insgesamt rund 250 Bauern mit einer Jahresproduktion von 50 Millionen Litern repräsentiert. Nach ihrer Darstellung sollten sie langfristig auf den Preis von 41 Cent festgelegt werden. Alternativ bot man einen jederzeit kündbaren Vertrag und eine Bezahlung nach aktuellen Milchpreisen auf dem sogenannten Spotmarkt - die lagen damals bei 30 Cent.

"Ökonomischer Unsinn"
Als "ökonomischen Unsinn" bezeichnet eine Orientierung am Spotmarktpreis Manfred Schöpe, Agrarexperte beim Münchener Ifo-Institut. Die Kursausschläge bei Milch seien nicht zuletzt angesichts der zunehmend volatilen Weltmarktpreise zu hoch, "vagabundierende Milchmengen" gebe es angesichts der geringen Haltbarkeit ohnehin kaum. Auf gerade einmal zwei bis fünf Prozent schätzt man den Anteil des Spotmarkts auch bei der Agrarmarkt-Beobachtungsstelle ZMP. Verlässliche Notierungen gebe es nicht. "Der Bauer muss sicher sein, dass er einen Abnehmer hat und das kann ein Spotmarkt nicht leisten", sagt ein Sprecher.

Wegen seines Versuchs, die MEG zu sprengen, werden Müllermilch nun "frühkapitalistische" Methoden vorgeworfen. Der Schauspieler Ottfried Fischer hielt beim symbolischen Begräbnis die Grabrede. Doch in Aretsried ist man Negativschlagzeilen gewöhnt. Firmenpatriarch Theo Müller senior wurde von Ex-Kanzler Gerhard Schröder als Schweizer Steuerflüchtling angeprangert, die Umweltschutzorganisation BUND warf Müllermilch vor, Werke zu schließen und zugleich EU-Subventionen zu kassieren. Aus Wut über eine Greenpeace-Aktion attackierte Müller senior sogar einen Fotografen und musste dafür 45.000 Euro zahlen.

Doch Müllermilch sieht sich als Opfer. Der gebotene Preis von 41 Cent sei keineswegs starr, sondern solle wie bislang auch quartalsweise neu verhandelt werden, sagte ein Sprecher. Die Bauern aber hätten in den vorangegangenen Verhandlungen überdurchschnittliche Bonuszahlungen gefordert und sich zugleich geweigert, mögliche Preisausschlägen unter 40 Cent mitzutragen. "Die Vorstellung der MEG war, dass alle Risiken bei uns liegen".

Drohung mit neuen Streiks
"Wir haben noch nie einen Preis gefordert, es ging bislang nur um die Vertragsdauer", widerspricht Reinhold Mayer, Chef der MEG Augsburg-West. Die Laufzeit sei nicht das wirkliche Problem, vielmehr störe sich Müllermilch am gestiegenen Selbstbewusstsein der Bauern. Die hatten im Sommer 2007 deutschlandweit für höhere Preise demonstriert und dabei auf die deutlich gestiegenen Preise des Einzelhandels verwiesen. Der Kilopreis stieg laut ZMP im Lauf des Jahres tatsächlich auf fast 41 Cent. Bis Februar fiel der Wert aber bereits auf 38 Cent. Während die Bauern schon wieder mit Streiks drohen, will die Milchwirtschaft die Preise offenbar weiter drücken - einen Rückgang auf bis zu 35 Cent pro Liter kündigte der Verband der Bayerischen Privaten Milchwirtschaft für dieses Quartal an.

In dieser Situation sei das Angebot großzügig und die Demonstration völlig unangemessen gewesen, findet man bei Müllermilch. Dass Proteste auch bei Tarifverhandlungen zur Begleitmusik gehören, will das Unternehmen nicht gelten lassen. "Das sind nicht unsere Mitarbeiter, das sind Vertragspartner".

Zumindest jeder sechste Vertragspartner hat sich überzeugen lassen. 40 bisherige MEG-Mitglieder hätten ihren Austritt erklärt, berichtet Mayer enttäuscht - alle auf dem Vordruck von Müllermilch. "Die haben massiv Druck gemacht." Die Existenz der verbleibenden MEG-Mitglieder sei aber durch einen neuen Abnehmer gesichert. Nach Informationen der "Augsburger Allgemeinen" handelt es sich dabei um den Milchproduktehandel Oberland in Miesbach. Die Milch der MEG Augsburg-West ginge demnach künftig nach Italien. Welchen Preis sie dafür bekommen, war vorerst nicht zu erfahren.


Quelle: FTD.de, 16.04.2008
© 2008 Financial Times Deutschland, © Illustration: AP
 
aus der Diskussion: So Herr Müller, jetzt reicht`s ....
Autor (Datum des Eintrages): technostud  (18.04.08 17:11:59)
Beitrag: 13 von 14 (ID:33920714)
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