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"Unter führenden Wirtschaftsfachleuten und Politikern ist erstaunlich wenig bekannt, dass der Euro gar nicht von der Europäischen Zentralbank (EZB) herausgegeben wird, sondern von den 11 nationalen Zentralbanken (NZBs) der Länder der Europäischen Union. Auch Geldmenge und Leitzins für den Euro werden nicht vom Direktorium der EZB festgelegt, sondern von dem Rat europäischer Zentralbanken, in dem die EZB neben den NZBs nur mit 6 von 17 Stimmen vertreten ist.

Der bedenklichste Konstruktionsfehler des Euro-Systems besteht aber darin, dass die EZB nicht einmal die Qualität der Sicherheiten definieren und kontrollieren darf, gegen die die NZBs Euro-Noten emittieren: Nicht-marktfähige Schuldtitel der öffentlichen Hand, absturzgefährdete Aktien und Kredite an bankrottbedrohte Unternehmen dürfen von den NZBs nach Belieben als "Sicherheiten" für die von ihnen ausgegebenen Euro-Darlehen akzeptiert werden.

Diese Befreiung von den früheren Zentralbankregeln wird zwar von der Deutschen Bundesbank (DBB) nicht mitgemacht; aber diese kann sich nicht dagegen wehren, dass ihre Schuldner sich bei anderen Zentralbanken gegen windige Sicherheiten Euro besorgen und damit ihre guten Sicherheitsansprüche von der DBB "zurückkaufen". Die von Deutschland geforderte Kennzeichnung der Euro-Banknoten mit einem Symbol der emittierenden NZB ist nämlich von den anderen Ländern abgelehnt worden.

Im Gegensatz zur Regelung in der bisherigen Bundesrepublik Deutschland gibt es in Euro-Land nach dem Maastricht-Vertrag keinen Kreditgeber letzter Instanz (Lender of Last Resort, LLR) mehr. Das Fehlen einer solchen Instanz war zwischen 1929 und 1933 für die Weltwirtschaftskrise verantwortlich, bei der 4500 von 7500 US-Banken zusammenbrachen. Um eine Wiederholung dieser Krise zu verhindern, wurde die heutige Federal Reserve Bank von New York in den USA mit einer zentralen Machtstellung ausgestattet. Die Notwendigkeit einer solchen Machtzentrale ist im Maastricht-Vertrag vergessen worden."


(2001, Prof. Dr. Otto Steiger, geb. 1938,
Studien der Volkwirtschaftslehre
und Wirtschaftsgeschichte an der
FU Berlin und der Universität
Uppsala. Seit 1973 Professor für
Geldtheorie und Makroökonomik
an der Universität Bremen.
Vorschlagsberechtigter der
Schwedischen Akademie der
Wissenschaften für die Ökonomie-
Nobelpreise.)
 
aus der Diskussion: Finanzmarktkrise - folgt nun die Inflation? (Der Geldabwurf)
Autor (Datum des Eintrages): Dorfrichter  (27.05.08 09:57:08)
Beitrag: 82 von 268 (ID:34176816)
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