Bernd Niquet: America On Time-Warner-Line - Logik und Unlogik beim großen Merger - Es war das beherrschende Thema des gestrigen Tages, der Zusammenschluss von AOL und Time Warner. Und alle sind begeistert. Doch wenn man sich die Argumentationen der Analysten und der Presse einmal genau anschaut, dann kommt man eigentlich kaum aus dem Kopfschütteln heraus. Am besten gefallen hat mir dazu gestern der Analyst in der Spät-Telebörse. Denn da hier zwei große Medienkonzerne zusammengehen, wurde uns mit gewichtiger Geste verkündet, ergeben sich natürlich dadurch besondere Synergien, dass nun jeder Konzern seinen großen Werbeetat dadurch herunterfahren könnte, weil er nunmehr die Möglichkeit hätte, jeweils im Medium des anderen zu werben. Diese Theorie jedoch würde sicherlich nicht einmal einem Gymnasiasten in einer Klassenarbeit durchgelassen werden, denn wenn der eine nun kostenlos oder kostengünstiger werben kann, dann gehen natürlich dem anderen im gleichen Maße (potentielle) Einnahmen verloren. Die vermeintlichen Synergieeffekte in diesem Bereich sind also eine reine Schimäre. Andere Analysten melden sich nun zu Wort, dass die Vernetzung von Internet und Medien ganz neue Chancen heraufbeschwört. Also, ob das nun so neu ist, möchte ich zunächst einmal bezweifeln. Andererseits ergibt sich jetzt natürlich die geniale Möglichkeit, dass AOL-Nutzer CNN über das Internet schauen können, was in etwa genauso revolutionär ist, als wenn man Mikrowellengeräte ab sofort auch im Backofen installieren könnte. Aber nicht zu vergessen: AOL-Nutzer werden bald Time Warners TIME Magazin über das Internet lesen können, was insofern natürlich eine Trendwende des gesamten Medienmarktes sein wird, da bisher ja noch keine einzige Zeitung im Internet vertreten ist und überdies das Lesen von TIME den AOL-Nutzern derzeit strikt verboten ist. Die richtige Sensation jedoch kommt erst jetzt. Bald werden nämlich diejenigen, die jetzt schon völlig überfüttert mit Fernsehprogrammen sind, diese auch noch über das Internet sehen können. Das nun ist wirklich ebenso epochal wie die Erfindung einer neuen Brotsorte. Man kann mithin also nur demütig den Hut ziehen - und zusehen, dass man möglichst schnell ein paar Aktien erhascht, um seinen Anteil an dieser 500 Milliarden Pokerpartie zu besitzen. Im Hintergrund der öffentlichen Diskussion hingegen bleibt meistens die Time Warner Kabel-Tochter, die einen superschnellen Zugang zum Internet über das TV-Kabelnetz bietet. Doch ob es sich für den Bräutigam bei einer derartigen strategische Hochzeit lohnt, 70 % Aufschlag auf die Schwiegermutter zu zahlen, das möge der Markt doch erst noch einmal beweisen. Bernd Niquet, Dienstag, 11. Januar 2000: berndniquet@iname.com |
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aus der Diskussion: | AOL Time Warner |
Autor (Datum des Eintrages): | MrMax (11.01.00 11:42:12) |
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