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Thailand gewinnt Gunst der Investoren zurück

31.05.2008

Thailand meldet sich zurück. Von 2004 bis 2007 wurde die Wachstumsdynamik von Südostasiens drittgrösster Volkswirtschaft durch politische Unruhen, schlechte Ernten und wegen der durch den Tsunami teilweise zerstörten Tourismusinfrastruktur gebremst. Diese Probleme hat das Land nicht nur teilweise überwunden, es hat jetzt vielmehr zu einer wohl längeren Expansionsphase angesetzt. Zwar spürt auch Thailand den weiterhin hohen Erdölpreis, der unter anderem massgeblich für die Inflation von 5% im ersten Quartal verantwortlich ist. Das Land sollte aber dank einer glücklichen Kombination von anderen Faktoren die Auswirkungen einer schwächelnden Weltwirtschaft besser verkraften als viele seiner asiatischen Nachbarn.
Nach Schätzungen der Asiatischen Entwicklungsbank (ADB) wird die thailändische Volkswirtschaft im laufenden Jahr 5% wachsen. Die Regierung ist noch zuversichtlicher und geht von 6% aus – und hat dieses Wachstumsziel im ersten Quartal auch erreicht. Das günstige Wirtschaftsumfeld spiegelt sich an der Börse Bangkok. Während alle anderen südostasiatischen Aktienmärkte deutlich tiefer notieren als zu Jahresbeginn, steht der Set-Index der Börse Bangkok nur knapp unter dem Jahresultimo 2007. In den vergangenen drei Monaten hat das Leitbarometer fast 20% angezogen.
Politisch noch nicht gefestigt
Die guten Vorlagen des thailändischen Aktienmarktes sind umso bemerkenswerter, weil die innenpolitische Lage nach wie vor verfahren ist. Zwar haben sich im Februar die im September 2006 durch einen Putsch an die Macht gekommenen Generäle nach Neuwahlen in die Kasernen zurückgezogen. Doch in Bangkok kursieren erneut Gerüchte über einen weiteren Militärcoup. Allerdings ist ein neuerlicher Armeeputsch eher unwahrscheinlich.
Die Zukunft der Regierung von Premierminister Samak Sundaravej wird indes durch ein Verfahren vor dem Obersten Gerichtshof überschattet. Führenden Exponenten seiner Partei der Volksmacht (PPP) wird vorgeworfen, Stimmen gekauft zu haben. Falls es zu einer Verurteilung kommen sollte, könnte die Partei allenfalls aufgelöst werden, was wiederum Neuwahlen notwendig machen würde.
Sollte dieses Szenario tatsächlich eintreten, so würde das wohl bedeuten, dass der Entscheid über grössere Infrastrukturprojekte – wie die Modernisierung des noch aus dem 19. Jahrhundert stammenden Schienenverkehrnetzes oder der Bau von Kläranlagen – verzögert würde. Die thailändische Zentralbank geht dennoch davon aus, dass die Staatsausgaben für Infrastrukturprojekte im laufenden Jahr 9 bis 10% höher ausfallen werden als 2007.
Intervention unwahrscheinlich
Ein kräftiger Wachstumsmotor ist vor allem die Privatwirtschaft. Hier nähert sich die Produktionskapazität in der Industrie der 90%-Grenze, was ein Zeichen für einen bevorstehenden Investitionsboom ist. Ein im März beschlossenes Paket steuerlicher Erleichterungen hat bereits begonnen, belebend auf die Konjunktur zu wirken. Ein weiterer wichtiger Wachstumsfaktor ist der zunehmende Konsum in den ländlichen Gebieten, wo nach wie vor die Mehrheit der Bevölkerung lebt.
Auch der Export dürfte trotz der zur Schwäche neigenden Weltwirtschaft ein bedeutender Wachstumsfaktor bleiben. Wie robust die Verfassung dieses Sektors ist, hat sich unter anderem in den vergangenen achtzehn Monaten erwiesen, in denen der Baht sich zum Dollar rund 20% aufgewertet hat. Trotz der ebenfalls markant gestiegenen Rechnung für Erdöleinfuhren hat Thailand 2007 einen deutlichen Aussenhandelsüberschuss erzielen können. Das ist ein Zeichen dafür, dass die Produktivität steigt und das Land den Strukturwandel meistert. Die Befürchtungen, die Zentralbank könnte zum Schutz der einheimischen Industrie erneut Beschränkungen im Zahlungsverkehr mit dem Ausland einführen, scheinen damit verflogen zu sein.
Weg vom Billigimage
Ein Grund für die Stärke der thailändischen Exportindustrie ist, dass sie nicht so abhängig von der Nachfrage der Konsumenten in Europa oder den Vereinigten Staaten ist, wie das in vielen anderen asiatischen Ländern der Fall ist. Denn anders als etwa in Taiwan und Malaysia werden in Thailand nur in geringem Masse zyklische Güter wie Halbleiter und Elektronikgeräte produziert. Thailand hat sich dagegen in den vergangenen zehn Jahren weitgehend unbemerkt von der Weltöffentlichkeit zu einem der grössten Exporteure von Agrarprodukten und einem bedeutenden Standort der Automobilindustrie entwickelt. Zwar gibt es keine einheimischen Automarken, doch bauen vor allem japanische und zunehmend auch amerikanische Hersteller hier Nutzfahrzeuge. Von 2004 bis 2007 hat sich beispielsweise die Anzahl ausgeführter Einheiten auf über 700000 mehr als verdreifacht. Absatzgebiete sind vornehmlich Südostasien, der Nahe Osten und Afrika, die getrieben von den anhaltend hohen Energie- und Agrarpreisen einen Wirtschaftsboom durchlaufen.
Als bemerkenswert robust hat sich überdies der Fremdenverkehr erwiesen. Das Land konnte sich schnell von den Folgen der Tsunami-Katastrophe von Ende 2003 erholen. Auch in der Touristik ist es Thailand gelungen, die Wertschöpfungskette hinaufzusteigen. Es spricht inzwischen verstärkt das Luxussegment an und will sich vom bisherigen Massentourismus-Image entfernen. Dabei nimmt Thailand in den Bereichen Wellness und Gesundheit im internationalen Vergleich bereits heute einen Spitzenplatz ein.
 
aus der Diskussion: Nobbele - Depotbesprechung
Autor (Datum des Eintrages): Nobbele_2010  (31.05.08 14:26:00)
Beitrag: 45 von 166 (ID:34210550)
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