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Evotec konzentriert sich auf neues Medikament

Es ist ein Wettlauf mit der Zeit, den Evotec gewinnen muss. Denn Geld hat die Hamburger Biotech-Firma bislang noch nicht verdient. Das könnte sich ändern. Derzeit testen die Hamburger ein neues Schlafmittel – mit großem Erfolg.

Bangen bei Evotec: Das neue Schlafmittel kann auch noch in der Phase III zurückgezogen werden. Dann wären alle bis dahin getätigten Investitionen umsonst gewesen
Mehr als 40 Millionen Euro investiert das Hamburger Biotech-Unternehmen jährlich in die Erforschung eigener Wirkstoffe, die zu neuen Medikamenten führen sollen. Noch sind die Einnahmen gering, die Ausgaben aber enorm hoch. Wie lange das Kapital vorhält, bleibt die entscheidende Frage.

„Wir sind sehr optimistisch für unsere Wirkstoffe“, sagt Evotec-Vorstand Jörn Aldag. Größte Hoffnung setzt der Firmenchef auf das Schlafmittel EVT 201. Das Medikament habe in einer klinischen Studie der sogenannten Phase II, in der es erstmals am Patienten erprobt wurde, „sehr robuste“ Ergebnisse bei der Einschlaf- und Durchschlafzeit gezeigt. Von den befragten Testpersonen hätten 80 Prozent am nächsten Morgen ein subjektiv „sehr gutes Schlafgefühl“ verspürt.

Auch auffällige Nachwirkungen seien bislang nicht festgestellt worden. „Es ist sehr wichtig, dass Patienten ihr Medikament mögen“, sagt Aldag. Das Durchschlafverhalten der Probanden sei nach Einnahme von EVT 201 gegenüber Vergleichsprodukten wesentlich besser. „Unser neuer Stoff ist über die ganze Nacht hochwirksam“, so Aldag. Die Konkurrenz schaffe nur vier bis fünf Stunden.

Entscheidende Testgruppe

Im Oktober erwartet Aldag die Daten einer weiteren Studie, diesmal mit Patienten, die älter als 65 Jahre sind und unter chronischen Schlafstörungen leiden. Gerade für diese Altersgruppe sei der Bedarf nach besseren Alternativen besonders groß. „Daher haben wir uns für diese Tests entschieden“, sagt der Evotec-Chef. Sein Unternehmen prüfe außerdem, ob möglicherweise für alle Altersgruppen das Medikament in der gleichen Dosierung verabreicht werden könne. Das sei untypisch, da sich bei älteren Menschen der Stoffwechsel verlangsame. Für den Arzt sei eine identische Dosierung aber sehr praktisch, sagt Aldag. „Unser Mittel soll auch vom Allgemeinmediziner verschrieben werden.“


Vor allem auf dem US-Markt will Evotec mit dem Schlafmittel punkten. Dort werden derartige Arzneien jährlich für mehr als 3,5 Milliarden Dollar verkauft. „In den USA dürfen Medikamente direkt in die Werbung gehen“, sagt Aldag. In Deutschland sei dies nicht möglich. Analysten schätzen das Verkaufsvolumen für das Evotec-Medikament auf 500 Millionen bis über eine Milliarde US-Dollar pro Jahr.
Um dieses Volumen ausschöpfen zu können, ist ein starker Vertrieb nötig. Diesen habe Evotec in Amerika nicht, sagt Aldag. „Wir benötigen die Marketingpower und das weltweite Vertriebsnetz eines großen Konzerns.“ Daher führt Evotec Verhandlungen mit verschiedenen Unternehmen, darunter auch einigen Pharma-Riesen, über den Verkauf der Wirkstoff-Lizenz. Ziel sei es, möglichst vielen Firmen die Substanz vorzustellen. In einer Art Auktion soll dann der Meistbietende den Zuschlag erhalten.
Evotec will US-Markt erobern
Da trifft es sich gut, dass die Hamburger auf dem US-Markt Flagge zeigen. Vor wenigen Tagen hatte Evotec angekündigt, das amerikanische Pharmaunternehmen Renovis per Aktientausch im Wert von rund 150 Millionen Dollar zu übernehmen. „Der Biotech-Markt spielt zu 70 Prozent in den USA“, sagt Aldag. Evotec sei jetzt dort präsent, wo auch die großen Investoren sitzen. Außerdem soll die Hamburger Firma künftig auch an der Technologiebörse Nasdaq notiert werden.
Durch den Zusammenschluss mit Renovis will Evotec aber vor allem seine Forschung stärken. „Im Gegensatz zu anderen Firmen setzen wir nicht nur auf ein Medikament“, sagt Aldag. Die Hamburger gewinnen mehrere Wirkstoffkandidaten zur Behandlung von Schmerzen und Entzündungskrankheiten hinzu. Bereits Ende 2008 sollen mindestens fünf Medikamentenprogramme in der klinischen Entwicklung sein.
„Zudem bringt Renovis einen ordentlichen Cashbetrag ein, sodass wir die Projekte gut durchfinanzieren können“, sagt Aldag. Im August hatten die Kalifornier ein Barvermögen von 87 Millionen Dollar. Zusammen kämen beide Firmen auf Finanzmittel von 175 Millionen Dollar. Weitere 60 Millionen Dollar erwartet Evotec durch den kürzlich angekündigten Verkauf seiner chemischen Entwicklung.

Langer Atem

Da das kombinierte Unternehmen zunächst noch nicht profitabel arbeiten werde, sei es für die nächsten Jahre „sehr gut finanziert“, betont Aldag. „Durch unsere sichere Cash-Decke haben wir eine gute Position in den Preisverhandlungen mit einem künftigen Partner.“

Derzeit bereitet Evotec den Hoffnungsträger EVT 201 für die eine Studie der Phase III vor. In diesem Stadium wird die Langzeitwirkung am Menschen geprüft. Neue Medikamente müssen drei klinische Phasen am Menschen vor einem Zulassungsantrag bestehen. Kosten von 100 Millionen Euro sind im dritten Stadium nicht ungewöhnlich. Solche Mittel hat Evotec aber nicht. Auch deswegen müssen die Hamburger einen Partner finden. Im kommenden Jahr sollen die weltweiten Rechte an einen Pharmakonzern gehen.
Zu den Vertragsbedingungen machte Aldag keine Angaben. Er sagte aber, dass in der Regel bei solchen Vereinbarungen deutlich zweistellige Millionenbeträge als Voraus- und Meilensteinzahlungen zu erwarten seien. Am lukrativsten könnten sich die prozentual zweistelligen Umsatzbeteiligungen herausstellen, wenn das Medikament sich zu einem Erfolg entwickelt.
Bei geschätzten 500 Millionen Euro Jahresumsatz könnten dann 50 Millionen Euro in die Evotec-Kasse fließen – pro Jahr. „Damit allein könnten wir unsere jährlichen Forschungsaufwendungen bestreiten“, sagt Aldag. Aber so weit sei es noch nicht. „Ich rechne mit einer Marktreife nicht vor 2011.“ Das hänge auch davon ab, mit welchem Tempo der künftige Lizenznehmer die Phase III betreibe. Käme das Medikament 2011 auf den Markt, würde es bis mindestens 2020 unter Patentschutz stehen.
 
aus der Diskussion: Evotec 566480 - Fakten, Fakten, Fakten ...
Autor (Datum des Eintrages): bolero6  (03.06.08 19:13:51)
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