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26.03.08
Die Biotech-Firma verhandelt mit den Größen der Pharma-Branche. Ein Millionendeal ist greifbar
Von FOCUS-Money-Redakteur Clemens Schömann-Finck

Die Zukunft trägt den Namen EVT201 – zumindest bei Evotec. Auf diesen sechs Zeichen ruht die Hoffnung des Managements, um sie dreht sich die Fantasie der Investoren. Von dieser Kombination sagt Evotec-Chef Jörn Aldag, sie sei nahe am Optimum.

Die Phase II. Ein Schlafmittel verbirgt sich hinter dem Kürzel EVT201. Im Herbst vergangenen Jahres schloss die Biotech-Firma für das Medikament die sogenannte Phase II ab. In dieser Entwicklungsstufe testen Wissenschaftler die Wirksamkeit eines neuen Präparats an einer kleinen Patientengruppe. Ergebnis: sehr gute Verträglichkeit, sehr gutes Einschlafen und sehr gutes Durchschlafen der Probanden. „In allen wichtigen Aspekten überzeugt EVT201“, urteilt Sal.-Oppenheim-Analyst Christian Peter. „EVT201 hat das Potenzial, einen neuen Maßstab zu setzen.“ Peter prognostiziert für das Medikament Spitzenumsätze von 900 Millionen Euro. Sein Kursziel: 3,80 Euro, mehr als doppelt so viel wie der aktuelle Wert der Aktie.

Evotec-Chef Aldag sucht noch nach ei-nem Partner für das Schlafmittel. Pharma-Konzerne zahlen meist hohe Millionenbeträge für die Rechte an aussichtsreichen Medikamentenentwicklungen und billigen Umsatzbeteiligungen im zweistelligen Prozentbereich zu. Auch wenn Aldag keine näheren Angaben machen will, erwarten einige Beobachter den Vertragsabschluss bis zum Sommer dieses Jahres. „Gelingt die Verpartnerung, wäre das ein Meilenstein in der Entwicklung von Evotec“, sagt Hanns Frohnmeyer, Analyst bei der Landesbank Baden-Württemberg.

Ähnliche Partnerschaften strebt Aldag auch für andere Wirkstoffe der Evotec-Pipeline an. Am weitesten fortgeschritten sind EVT101, das gegen Schmerzen und Alzheimer getestet wird (Phase I), und EVT302, ein Mittel zur Raucherentwöhnung (Phase II). Bis zum Zulassungsantrag muss ein neu entwickeltes Medikament insgesamt drei Teststadien durchlaufen. In der Phase I stehen mögliche Nebenwirkungen im Vordergrund, in den Phasen II und III Wirksamkeit und Dosierung. Mit jeder neuen Entwicklungsstufe sinkt das Risiko eines Fehlschlags. „Bei EVT302 werden wir dieses Jahr die Phase II beenden und dann einen Partner suchen“, sagt Aldag zu FOCUS-MONEY. „Für EVT101 gibt es schon ein großes Interesse in der Pharma-Industrie.“

Reichlich Reserven. Unter Druck steht Evotec bei der Partnersuche nicht. Die Firma ist solide finanziert und nicht auf schnelle Finanzspritzen angewiesen. Auch ohne Arznei auf dem Markt verdient das Unternehmen Geld: Zweites Geschäftsfeld ist neben der Medikamentenentwicklung das Service-Segment. Für andere Pharma-Unternehmen übernimmt Evotec Aufgaben wie das Prüfen und Herstellen von Proben. Außerdem schlummerten zwischen 93 und 98 Millionen Euro am Jahresende in der Kasse. Die Zahlen für 2007 veröffentlicht Evotec am 28. März.

Lukrative Zusammenarbeit. Klappt die im September vergangenen Jahres angekündigte Übernahme von Renovis, kämen noch weitere 87 Millionen Dollar (55 Millionen Euro) aus der Kasse des amerikanischen Biotech-Unternehmens hinzu. Außerdem bringt Renovis vier Wirkstoffkandidaten im frühen Entwicklungsstadium mit. Bei zweien davon will Aldag in diesem Jahr mit der Phase I beginnen. An einem der beiden Moleküle, dem Schmerzmittel VR1, ist bereits der US-Pharma-Riese Pfizer beteiligt. Bis zu 170 Millionen Dollar an Prämien kann Evotec im Erfolgsfall diese Partnerschaft einbringen.

Im Mai werden die Aktionäre von Renovis voraussichtlich über die Übernahme entscheiden. Evotec will diese über einen Aktientausch im Wert von 151 Millionen Dollar finanzieren. Eine Zustimmung gilt als wahrscheinlich. Das neue Unternehmen hätte 108 Millionen Aktien, rund 45 Prozent mehr als Evotec bisher. Ihr Handel soll auf beiden Seiten des Atlantik möglich sein. Aldag hat für seine Firma bei der amerikanischen Börsenaufsicht ein Listing an der Technologiebörse Nasdaq beantragt. Für Ende März oder Anfang April rechnet er mit der Zulassung. „Wir wollen uns als globales Unternehmen positionieren und dem amerikanischen Markt näher sein“, begründet Aldag den Schritt. „Der Biotech-Markt spielt zu 70 Prozent in den USA, dort sitzen die großen Investoren.“ Hohe zusätzliche Kosten erwartet er nicht, da Evotec schon jetzt die US-Auflagen erfülle.

Zurück in den TecDax. Das neue Unternehmen hätte bei dem momentanen Evotec-Aktienkurs eine Marktkapitalisierung von rund 180 Millionen Euro. Aldag sieht seine Firma damit wieder als Anwärter für den TecDax. Im März 2007 hatte Evotec seinen Platz in dem Index verloren. „Wir sind ein ernst zu nehmender Kandidat“, gibt er sich selbstbewusst.

EVT201 – Gut geregelter Schlaf

Wie ein Regler oder Lichtdimmer funktionieren Schlafmittel. Der Mechanismus nennt sich allosterische Modulation. Dabei wird mit Hilfe eines Moleküls ein Signal verstärkt oder abgeschwächt. Schlafmittel potenzieren die Wirkung der „Schlafbotenstoffe“ und sorgen so dafür, dass der Körper trotz Lärm oder Stress doch noch in den Ruhemodus wechselt. Das Besondere an EVT201 ist, dass es sich dabei um einen partiellen allosterischen Modulator handelt. Er wirkt schon in geringer Menge und ist bei einem bestimmten Niveau „abgeriegelt“. So wird eine falsche Dosierung verhindert. Zusätzlich ist die Halbwertszeit von EVT201 fast doppelt so hoch wie die anderer Medikamente. Der Wirkstoff blieb in den Tests länger im Körper und ließ die Probanden die ganze Nacht durchschlafen.

DIE AKTIE – Boden gefunden

Der Rutsch, der der Evotec-Aktie seit Herbst vergangenen Jahres einen Verlust von fast 50 Prozent gebracht hat, scheint gestoppt. Mittlerweile hat sich der Wert des Papiers bei etwa 1,70 Euro stabilisiert. Den Abwärtstrend brechen konnte es bisher aber nicht.

Gelingt die Verpartnerung von EVT201, dürfte das einen deutlichen Aufwärtsimpuls für die Aktie bedeuten. Im Bewertungsmodell von Sal. Oppenheim ist das Schlafmittel mit einem Wert von einem Euro je Aktie das wichtigste Produkt aus der Pipeline. Große Bedeutung für das Kursziel von 3,80 Euro hat auch das Molekül EVT101, das Evotec für verschiedene Indikationen testet. Mit insgesamt 70 Cent je Aktie fließt es in die Berechnung des fairen Wertes mit ein. Das Service-Geschäft bekommt 1,90 Euro pro Anteilschein in dem Modell zugeschrieben.

Bemerkenswert sind bei Evotec die Liquiditätsreserven von geschätzten 93 bis 98 Millionen Euro zum Jahresende 2007. Pro Aktie liegen sie zwischen 1,25 und 1,32 Euro. Nach der Fusion mit Renovis wird sich der Kassenbestand noch weiter verbessern. Die 55 Millionen Euro der US-Firma mitgerechnet, liegt sein Wert bei dann 108 Millionen Aktien zwischen 1,37 Euro und 1,41 Euro je Papier.
 
aus der Diskussion: Evotec 566480 - Fakten, Fakten, Fakten ...
Autor (Datum des Eintrages): bolero6  (03.06.08 19:17:21)
Beitrag: 4 von 89 (ID:34229584)
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