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07.06.08

Der Begriff Inflation ist an den Finanzmärkten wieder ein Thema. Doch kaum jemand weiss, wie sich Preissteigerungen im Konsumgüterbereich (im Unterschied zum Anstieg der Preise von Vermögenswerten) auf die Börsenkurse auswirken. Die letzte Inflationsphase liegt über dreissig Jahre zurück; zu jener Phase lassen sich Parallelen ziehen, doch lässt sich die Situation in den Siebzigerjahren mit heute vergleichen?
Die Jahre zwischen 1968 und 1981 waren für Aktienanleger ein Alptraum; der Dow Jones übertraf die 1000er-Marke erstmals 1966, definitiv hinter sich lassen konnte er sie erst 1982. Real entsprach diese Stagnationsphase einem kräftigen Wertzerfall, denn die Inflation stieg in den USA im Höchst bis auf 15% (März 1980). Doch war an der schlechten Börsenentwicklung tatsächlich die Inflation schuld, wie das heute da und dort kolportiert wird? Zudem: Aktien sind Sachwerte, und Sachwerte gelten, wie Immobilien, als inflationsschützend – oder doch nicht?
Relative Attraktivität zählt
Wer in Aktien investiert, tut das kaum aufgrund dessen, ob die Inflation hoch oder niedrig ist. Er tut es, wenn er Aktien als attraktive Anlage einschätzt, vor allem aber, wenn sie attraktiver als andere Anlagen erscheinen. Die Attraktivität von Aktien hängt im Wesentlichen von zwei Faktoren ab: dem Wachstum der Unternehmensgewinne und dem Zinsniveau. Inflation kann zwar die Gewinnentwicklung in der Wirtschaft beeinträchtigen (höhere Einkaufspreise, die nur mit Verzögerung auf die Verkaufspreise überwälzt werden können), doch so richtig gefährlich wird es erst, wenn die Löhne in die Inflationsspirale hineingezogen werden. Das ist derzeit (noch) nicht der Fall.
Auch an den Zinsmärkten lassen sich bis jetzt kaum Anzeichen einer bevorstehenden markanten Steigerung ausmachen. Wegen der Kreditkrise hat sich zwar der Unterschied zwischen guter und schlechter Bonität drastisch ausgeweitet. Doch das hat kaum etwas mit Inflation zu tun.
Solange die Zinsen nahe oder gar unter der Inflationsrate liegen (wie das derzeit am US-Geldmarkt der Fall ist), sind Zinsanlagen auf die Dauer unattraktiv und taugen allenfalls als Parkiergelegenheit in besonders unsicheren Zeiten. Real negative Renditen müssten gar den Effekt haben, dass Kapital aus den Zinsmärkten in andere, lukrativer erscheinende Anlagen verlagert wird – und Aktien wären da sicher eine valable Alternative.
Auch wenn die Aktienbaisse von 1973/74 zeitlich genau mit der (ersten) Inflationswelle der Siebzigerjahre zusammenfällt, hat das wohl nur bedingt miteinander zu tun. Die USA durchlebten damals politisch und wirtschaftlich eine schwierige Zeit. Präsident Richard Nixon wurde 1973 aus dem Amt gejagt, die Wirtschaft rutschte 1974 in eine heftige Rezession (damals bildete sich der Begriff von der Stagflation), und der Dollar verlor nach der Aufgabe des Goldstandards und der Freigabe der Devisenmärkte 1973 gleich von Anfang an markant an Wert. Gegenüber dem Franken sank er von 4.20 Fr. im Jahr 1973 bis auf 1.45 Fr. im Jahr 1978. Der Ölpreis dagegen stieg fast gleichzeitig von rund 2 auf über 10$.
Fataler Price Freeze 1971
Da die Gütermärkte weit weniger globalisiert und damit durchlässiger waren als heute, konnte dieser Preisschock von der Wirtschaft viel weniger gut abgefedert werden, da offenere Märkte eine intensivere und damit preisdämpfende Konkurrenz fördern. Dass der erste Ölpreisschock in den USA gleich einen derartigen Inflationsschub auslöste, ist auch auf die unglückliche Handlungsweise der Regierung Nixon zurückzuführen. 1971 verhängte sie nämlich für ein halbes Jahr ein Preis- und Lohnsteigerungsverbot, was das Verhalten der Wirtschaftssubjekte in der Folge fatal verändert hat.
Wenn ein Unternehmen erwarten muss, dass der Staat jederzeit ins Preisgefüge eingreifen kann, wird es alles daransetzen, die Preise bei jeder Gelegenheit möglichst deutlich zu erhöhen, um Vorsorge für erneute Preiseingriffe zu treffen. Das hat die Inflation erst recht angeheizt. Dass Inflation nicht immer pures Gift für die Börsen ist, zeigte sich auch 1978 bis 1980, als die Indizes stiegen, obwohl die Inflation erneut davongaloppierte.
 
aus der Diskussion: Nobbele - Depotbesprechung
Autor (Datum des Eintrages): Nobbele_2010  (07.06.08 15:03:42)
Beitrag: 60 von 166 (ID:34260755)
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