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Am 28. Juni landeten die ersten britischen und amerikanischen Transportflugzeuge in Berlin

Mindestens zwei Ereignisse begründen und beschreiben die tatsächliche, die geopolitische und symbolische Bedeutung Berlins nach dem Zweiten Weltkrieg und während des Kalten Kriegs: der Bau der Mauer im August 1961 und die Luftbrücke mehr als ein Jahrzehnt zuvor. So wie Mauer und Stacheldraht den sowjetisch-westlichen Systemantagonismus dramatisierten und zementierten, so rückten sowjetische Blockade und westliche Reaktion darauf 1948 Berlin, genauer: West-Berlin, in das Zentrum eines Konflikts, der sich schon viele Monate abgezeichnet hatte, immer mehr an Schärfe gewann und kurz vor einer militärischen Auseinandersetzung zu stehen schien.

Deutschland und Berlin waren der geopolitische Ort geworden, an dem sich entscheiden würde, ob der sowjetische Expansionismus immer weiter nach Westen ausgreifen würde. Dass dies geschah, sondern dass ihm Einhalt geboten wurde, ist eine der großen Leistungen westlicher Politik, selbst wenn am Anfang manches improvisiert wirkte und zwischen den westlichen Alliierten nicht abgestimmt war.

Eine Botschaft, die nachhallt

Mehr noch: Diese Leistung, die politische Entscheidung zur Aufrechterhaltung einer Luftbrücke und die Versorgung West-Berlins während elf Monaten aus der Luft, machte aus den westlichen Besatzungsmächten und den Deutschen Verbündete, ja Freunde. Es hat nichts mit Nostalgie oder Verklärung zu tun, daran zu erinnern, welche Kraft diesem Ereignis vor sechzig Jahren innewohnte und wie packend und ergreifend die Botschaft war, die von ihm ausging. Diese Botschaft hallt bis heute nach, ist aber sehr viel schwächer geworden und kommt nicht mehr bei allen an.

Als es Moskau nicht gelang, die Währungsreform in Westdeutschland vom 20. Juni 1948 - und somit die Einbeziehung der Westzonen in den Marshallplan - zu verhindern, unterbrach es am 23. und 24. Juni sämtliche Verkehrsverbindungen nach Berlin - Schiene, Straße, Wasser - sowie die Elektrizitätsversorgung. Fadenscheinig war die Begründung für die Unterbrechung des Schienenverkehrs: Es handle sich um technische Schwierigkeiten. Tatsächlich ging es darum, über eine Verelendung der Lage in Deutschland die Westalliierten zur Aufgabe ihrer Deutschland-Politik zu zwingen, sie mindestens und zunächst zum Abzug aus West-Berlin zu bewegen.

Den westlichen Willen auf die Probe gestellt

Das war das Ziel, das die Moskauer Politik seit dem Treffen in Jalta im Februar 1945 bestimmte und darüber hinaus über mehrere Jahrzehnte bestimmend bleiben sollte. Die Blockade machte dieses Ziel für jedermann sichtbar. Zuvor schon hatte die russische Militärregierung den westlichen Willen, auf den Zugangsrechten nach Berlin ohne Wenn und Aber zu bestehen, getestet - das Ergebnis dieser Probe war aus westlicher Sicht nicht eindeutig. Wie es überhaupt in der amerikanischen Regierung durchaus Stimmen gab, die einem Abzug aus Berlin etwas abgewinnen konnten und es auf keinen Fall auf eine militärische Konfrontation ankommen lassen wollten.

Der amerikanische Militärgouverneur Lucius D. Clay gehörte nicht zu ihnen. Auch Präsident Truman entschied unter dem Fortgang des Geschehens - und gegen seine militärischen Ratgeber -, Berlin auf keinen Fall aufzugeben, wenn er auch die Sache nicht auf die militärische Spitze treiben wollte. Ihnen kam entgegen, dass es im Gegensatz zu den Landverbindungen über die Luftkorridore einen Vertrag gab, welcher den Alliierten die freie Nutzung dieser Korridore zusicherte. Mit anderen Worten: Amerikanische, britische und französische Flugzeuge - in den folgenden Monaten nach dem Beginn der Luftbrücke wurden dann auch Piloten anderer Nationen herangezogen - konnten unbehindert, unkontrolliert und ohne Schikanen zu gewärtigen nach West-Berlin fliegen.

Eine logistische Großtat

Die Luftbrücke wurde zu einer logistischen Großtat, die mehr als zwei Millionen Berliner mit Nahrungsmitteln, Brenn- und Baustoffen versorgte - elf Monate lang, so gut es ging. Phasenweise landete alle dreißig Sekunden ein Flugzeug der Westalliierten auf einem ihrer Flugplätze. Das war die materielle, aber auch die sprichwörtliche Antwort auf den legendären Ruf des damaligen Bürgermeisters Reuter: „Ihr Völker der Welt, ihr Völker in Amerika, in England, in Frankreich, in Italien: Schaut auf diese Stadt und erkennt, dass ihr diese Stadt und dieses Volk nicht preisgeben dürft, nicht preisgeben könnt.“ Dokumentation: „Ihr Völker der Welt” Der Wille Berlins, durchzuhalten und sich eben nicht in das Schicksal der Sowjetisierung und der kommunistischen Unterjochung zu ergeben, fand seine Entsprechung von Washington bis London, Berlin darin nicht alleinzulassen - aus menschlichen Motiven wie aus strategischen Überlegungen. Berlin als Vorposten der Freiheit - dieser Mythos, für die Zeitgenossen so real, wurde damals geboren und gewissermaßen aus der Luft für jedermann sichtbar gemacht. Ein Klischee war das nicht; viele bezahlten mit dem Leben dafür. Die Dankbarkeit, welche die Berliner gegenüber ihren Rettern aus der Luft empfanden, war aufrichtig und überdauerte Jahrzehnte.

Vergängliche Dankbarkeit

Es ist freilich nicht zu übersehen, dass diese Dankbarkeit, die noch einmal im Zuge der deutschen Wiedervereinigung mit großer Emphase beschworen und erbracht wurde, vergänglich ist. Es ist sicher richtig, dass sie nicht mehr der Stoff sein kann, aus dem die Beziehungen Deutschlands zu seinen westlichen Partnern, vor allem zu den Vereinigten Staaten, im 21. Jahrhundert gewebt sein werden. Diejenigen politischen Akteure in Deutschland, die nicht zuletzt aus dem Gefühl der Dankbarkeit treu zu den atlantischen Partnern stehen, sind in der Minderzahl. Ja, mehr noch: Es fällt ihnen schwer, sich gegen jene Gehör zu verschaffen oder durchzusetzen, die alte Äquidistanzkonzepte wiederbeleben wollen oder in der bewussten Abwendung von Amerika Deutschlands und Europas Zukunft sehen.

Das eine ist bedauerlich, das andere wäre eine bizarre Volte der Geschichte. Zu der darf es trotz der strategischen Entzweiung während der Regierungen Bush und Schröder und ungeachtet einer politisch-kulturellen Entfremdung nicht kommen. Denn noch immer kann Deutschland seine globalen politischen und wirtschaftlichen Interessen am besten mit jenen Partnern verwirklichen, die den Berlinern vor sechzig Jahren zur Seite standen, insbesondere also mit den Vereinigten Staaten, mit Großbritannien und Frankreich. Die Interessen sind gewiss nicht immer identisch, und manchmal geht der politische Wettbewerb bis zum offenen Dissens; aber die Interessen sind so weit einander ähnlich, dass andere Machtkonstellationen, von Gegenmachtbildungen nicht zu reden, kontraproduktiv wären. Wenn man neben dieser Interessenähnlichkeit aus einem Fundus gemeinsamer, zumindest kompatibler Werte schöpfen kann, und wenn die politische Kommunikation von Vertrauen geprägt ist, wird dieses Bündnis der Demokratien auch in Zukunft stark und anziehend sein.

Freiheit gibt es nicht umsonst

Denn stark muss es sein, damit die Herausforderungen und Bedrohungen des 21. Jahrhunderts gemeistert und die Chancen zur Mehrung von Sicherheit und Wohlstand genutzt werden können. Die Zeitgenossen in der zweiten Hälfte der vierziger Jahre wussten, dass unerschütterliches Einstehen für die Freiheit im Angesicht einer totalitären Bedrohung notwendig war und dass man mit einer Politik der kleinen (und eventuell immer größeren) Zugeständnisse diese Freiheit nicht würde sichern und verteidigen können. Sie wussten auch, dass es Freiheit nicht umsonst gibt, sondern dass man dafür Lasten tragen und Risiken eingehen muss.

Das ist vielleicht ein Posten, an den man sich heute, da westliche Staaten in Afghanistan sich um Stabilität bemühen und Opfer zu beklagen haben - in einem Land, das Europa mindestens so fern ist wie Berlin der amerikanischen Ostküste -, erinnern sollte. Blockade und Luftbrücke führten Deutsche und westliche Alliierte zusammen - und zwar so weit, dass der ehemalige Kriegsgegner ein paar Jahre später zum europäischen Schlüsselland in der Nato wurde. Dieses Kernland ist Deutschland noch heute. Und an der Bedeutung von Freiheit und Solidarität hat sich nichts geändert, darf sich auch nichts ändern. Beschwichtigung darf nicht die Antwort auf die Zumutungen der Feinde der freiheitlichen Ordnung sein. Sie war es ja auch vor sechzig Jahren nicht, weil Standfestigkeit und strategische Klugheit siegten.

http://www.faz.net/s/Rub7FC5BF30C45B402F96E964EF8CE790E1/Doc…

Danke liebe USA, daß ihr uns damals alle vor dem Aushungern durch die Blockade der Sowjets bewahrt habt! :cool:
 
aus der Diskussion: 60 Jahre Luftbrücke: Vorposten der Freiheit
Autor (Datum des Eintrages): CaptainFutures  (29.06.08 17:26:44)
Beitrag: 1 von 24 (ID:34400004)
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