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Habe zwei Artikel gefunden, die ich interessant finde und teilweise mit meiner eigenen Strategie im Widerspruch stehen.

10.08.2007
Handelsblatt-Anlegerakademie
„Sie laufen wie die Lemminge hinterher“

Den idealen Ein- oder Ausstiegszeitpunkt an den Börsen finden Anleger in der Regel nicht. Für die Rendite spielt die Verteilung des Vermögens eine viel größere Rolle. Ein Interview mit US-Anlageexperte Burton G. Malkiel.

Zur Person:
Prof. Burton G. Malkiel (74) ist Professor für Wirtschaftswissenschaften an der Universität Princeton und einer der profiliertesten Investmentstrategen der Welt. Er gilt als Begründer der Theorie effizienter Märkte. Demnach sind alle verfügbaren Informationen stets in den Kursen von Aktien und Anleihen enthalten und Prognosen unmöglich - eine Theorie, die nicht unumstritten ist und besonders von fundamental orientierten Investoren wie etwa Warren Buffett als falsch zurück gewiesen wird.
Malkiels Anfang der 70er Jahre erstmals formulierten Thesen und Studien über effiziente Märkte und dem schlechten Abschneiden der Mehrheit der Fonds legten waren die akademische Grundlage für die Erfindung von Indexfonds (ETFs) wenige Jahre später. Bis heute fungiert Malkiel auch als Berater der weltgrößten Indexfondsgesellschaft Vanguard. Malkiel ist Autor des inzwischen in neunter Auflage erschienenen Buches "A Random Walk Down Wall Street", einem Klassiker unter der Börsenliteratur (auf Deutsch erschienen als "Börsenerfolg ist (k)ein Zufall", FinanzBuch Verlag (1999)
Professor Malkiel, Sie haben in Ihrem Buch "A Random Walk down Wall Street" 1973 erstmals die These vertreten, dass es prinzipiell unmöglich sei, durch den rechtzeitigen Wechsel zwischen Anlagen in Aktien und Anleihen auf Dauer die Rendite zu steigern. Seitdem haben sich die Kapitalmärkte fundamental verändert. Ihre Meinung auch?
Nein, ich habe meine negative Einstellung gegenüber so genannten "Markttiming" nicht geändert. Noch immer lesen wir häufig von Leuten, die glauben zu wissen, wie man am Aktienmarkt durch den rechtzeitigen Ein- und Ausstieg oder über Barquoten in Krisenzeiten hohe Renditen erzielt. Sie alle testen und beschreiben, wie ihre Zauberformel in der Vergangenheit funktioniert hätte und auch künftig funktionieren wird. Mein Standpunkt ist unverändert: Diese Ansätze liefern auf Dauer und vor allem nach Transaktionskosten keine höheren Erträge als der Markt insgesamt. Anleger tendieren dazu, sich anzusehen, was in der jüngeren Vergangenheit gut funktioniert hätte. Dann laufen sie wie die Lemminge dieser Strategie nach. Die Strategien wechseln, das Prinzip nicht.
Die Erträge vieler Vermögensverwalter und Fondsmanager suggerieren etwas anderes.
Ich habe in 50 Jahren noch niemanden getroffen, der mit Markttiming auf Dauer Erfolg hätte. Wenn bestimmte Konzepte, die auf Markttiming beruhen, überdurchschnittliche Erträge über einen bestimmten Zeitraum liefern, dann haben sie meist besonders schwache Börsentage oder Perioden vermieden. Diese Strategien sehen dann natürlich im Vergleich zum Aktienmarkt und auch im Hinblick auf die Kennziffer der Volatilität sehr gut aus. Nach schlechten Börsenjahren wie 2000 bis 2002 ist das nun wirklich nicht überraschend, haben Markttimer natürlich Oberwasser. Schließlich senkt es per se die Schwankungen und das Verlustrisiko, wenn man gelegentlich in Cash oder Anleihen statt in den Aktienmarkt investiert ist. Nur: das gleiche gilt, wenn Sie von vorneherein Aktien und Anleihen nach ihrer Präferenz gewichten - etwa über günstige und marktbreite Indexfonds - und dann gar nichts mehr tun. Richtig interessant wird es ohnehin erst in starken Marktphasen, denn Sie müssen als Markttimer gleich zweimal Recht haben. Ihre Fehlerquote steigt so zwangsläufig.
Inwiefern?
Sie müssen nicht nur mit dem Verkauf einer Aktienposition richtig legen, sondern auch später wieder mit dem erneuten Kauf. Gerade dieser erneute Einstieg ist der schwierigste Teil, denn erstens liegen historisch die Tage hoher Verluste und dann hoher Gewinne meist eng beieinander. Zweitens steigt der Aktienmarkt nun mal langfristig, das heißt, an der Seitenlinie des Markts ist die Wahrscheinlichkeit bei weit über 50 Prozent, dass Sie einen Anstieg verpassen. Wenn ein Manager oder ein System dann aber besonders starke Phasen verpasst, sind die Zugewinne kaum noch aufzuholen, die eine einfache Strategie wie "Kaufen und Halten" liefert.
Der Glaube, die richtige Verteilung des Vermögens werde es schon dauerhaft richten, erfordert aber mit den Erfahrungen der tiefen Baisse nach der Jahrtausendwende gute Nerven von Anlegern.
Das stimmt. Daher sollte sich die Verteilung des Vermögens auch nicht auf Renditeprognosen, sondern auf die Persönlichkeit des Anlegers stützen. Wer herbe Verluste nicht akzeptieren will und keine 30 Jahre Zeit hat, der muss Aktien und Anleihen oder Bargeld so gewichten, wie sie der persönlichen Risikoneigung entspricht. Diese Meinung je nach Marktlage zu ändern, ist keine Lösung. Mir fällt dazu vor allem das Bonmot von John Pierpont Morgan ein, dem Gründer von JPMorgan. Zu ihm kam ein Kunde und sagte, er könne nachts nicht schlafen, weil er so viele Aktien besitze. Morgan antwortete ihm, dann solle er einfach so lange Aktien verkaufen, bis seine Aktienquote Einschlafniveau erreicht habe. Treffender kann man es nicht beschreiben. Die Meinung aber je nach Marktprognose zu ändern, ist keine Lösung.
Wie können risikoscheue Anleger in der Praxis das Verlustrisiko begrenzen, ohne zugleich den Markt zu timen oder zum Nichtstun verdammt zu sein? Schließlich ist es vielen Anlegern nach den Erfahrungen der Jahre 2000 bis 2003 zunächst wichtiger, Verluste zu vermeiden und Risiken zu begrenzen, als möglichst hohe Erträge zu erzielen.
Zum Beispiel kann die Strategie der Rebalancierung eines Portfolios dazu beitragen, die Risiken eines Depots zu begrenzen. Wenn Sie ein Portfolio aus 50 Prozent Aktien und 50 Prozent Anleihen halten, dann verändert sich aufgrund der Kursentwicklungen der Depotanteil. Nach einem starken Aktienjahr beträgt der Aktienanteil zum Beispiel 70 Prozent und der Anleihenanteil 30 Prozent. Oder, nach einem schwachen, 60 Prozent Anleihen und 40 Prozent Aktien. Mit der Strategie des "Rebalancings" stellen Sie einfach einmal im Jahr - zum Beispiel zum 1. Januar eines Jahres - die alte Gewichtung wieder her, im Beispiel also 50/50. Manchmal kann diese Strategie auch die Rendite gegenüber einer klassischen "Kaufen und Halten"-Strategie mit je 50 Prozent Aktien und Anleihen steigern, zum Beispiel in den letzten zehn Jahren.
Ist das nicht ein aktiver Ansatz, um die Rendite zu steigern?
Per se höhere Renditen können Sie so nicht erwarten. In sehr starken Börsenphasen wie etwa zwischen 1991 und dem Jahr 2000 hätten Sie ja jährlich den Aktienanteil reduziert und viel verpasst, die Party ging ja Jahr für Jahr immer weiter. Im Kern sollten sich Anleger nicht mit dieser Strategie des "Rebalancings" beschäftigen, um ihre Rendite zu steigern, sondern sie als einen Weg sehen, das Risiko im Griff zu behalten und insgesamt zu senken.
Lesen Sie weiter auf Seite 2: Was muss neben Aktien und Anleihen wirklich in das Depot?
Früher gab es in der Vermögensverteilung Aktien und Anleihen, heute sollten gleich mehrere Anlageklassen wie Immobilien, Hedge-Fonds und Rohstoffe das Depot gegen Verluste und Schwankungen immunisieren. Immer wieder berufen sich Banken dabei auf die Portfoliotheorie. Was muss neben Aktien und Anleihen wirklich in das Depot?
Auf keinen Fall Hedge-Fonds. Die Verwalter tendieren dazu, ihre Ertragsprognosen erheblich höher auszuweisen, als sie dann in der Praxis sind. Ich glaube, wer heute in Hedge-Fonds investiert, wird dies in einigen Jahren bereuen. Rohstoffe hingegen sehe ich als einen wichtigen Portfoliobaustein
Das ist eine interessanter Rat von einem erklärten Puristen der Portfoliotheorie, den Sie begründen müssen.
Erstens trägt eine internationale Diversifikation einer Aktienanlage nicht mehr wie früher zu einer Senkung des Anlagerisikos bei. Die Korrelation untereinander sind enorm hoch. Der S&P-500-Index für US-Standardwerte und der MSCI-EAFE-Index für die Aktienmärkte Europas, Asiens und Australien haben inzwischen eine Korrelation von annähernd 1, das heißt, sie laufen weitgehend parallel. Rohstoffe liefern hingegen langfristig aktienähnliche Renditen, sind aber langfristig schwach unkorreliert mit den Aktienmärkten. Sie sorgen so für einen Grad der Diversifizierung im Depot, die eine Verteilung des Vermögens über internationale Aktienmärkte in den immer effizienteren Märkten nicht mehr liefern kann.
Und der zweite Grund?
Anleger sind - auch mangels geeigneter Aktien- in China deutlich unterinvestiert, zumindest gemessen an der Rolle Chinas in der Weltwirtschaft. Ähnliches gilt für Indien. Rohstoffe sind eine geeignete Möglichkeit, dieses Missverhältnis zu beheben, also indirekt in China zu investieren.
Das ist gemäß der Theorie der effizienten Märkte, nach denen alle Informationen in die Kurse eingeflossen sind, auch keine bahnbrechende Neuigkeit.
Das Auftreten Chinas hat die jahrzehntelang tradierten Preisfindungen an den Rohstoffmärkten komplett verändert. Ich glaube nicht, dass sich viele Anleger der Tragweite dieser dauerhaften Veränderung bewusst und entsprechend positioniert sind. Das Buch, an dem ich gerade schreibe, heißt daher auch: "From Wall Street To The Great Wall" und schildert die Möglichkeiten für Anleger, von dem ökonomischen Boom Chinas zu investieren.
Sie plädieren dafür, diese Anlagestrategien mit passiven und günstigen Indexfonds umzusetzen. Klassische Indizes gewichten aber sehr gut gelaufene Aktien meist hoch und schlecht gelaufene niedrig. Inzwischen gibt es eine Flut exotischer Indizes, in denen die Gewichtung von Werten von ihrer Bewertung, nicht aber von ihrem Börsenwert abhängt. Sind diese eine Alternative für Anleger?
Diese Indizes sind gerade sehr populär, weil sie mit ihnen die Exzesse um das Jahr 2000 herum gut umschifft hätten. Aber es ist doch immer dasselbe: Nochmals: Anleger tendieren dazu, sich anzusehen, was in der jüngeren Vergangenheit gut funktioniert hätte. Dann laufen sie wie die Lemminge dieser Strategie nach. Die Strategien wechseln, das Prinzip nicht. Ich halte nicht viel davon.
Was ist mit Indizes oder einem Aktienportfolio, in denen alle Werte gleich gewichtet sind? Diese Strategie der Gleichgewichtung hat auch über sehr lange Betrachtungszeiträume höhere Erträge erzielt als der Gesamtmarkt.
Wenn in einem Index alle Werte unabhängig von ihrer Größe gleich gewichtet sind, dann hat dieser Index die Tendenz, zum einen Nebenwerte und zum anderen Value-Titel, also Substanzwerte, überzugewichten gegenüber klassischen Indizes. Das gilt auch für fundamental gewichtete Indizes für die Zeit seit 2000, zum Teil auch für Dividendenindizes. Das hat natürlich in den letzten Jahren sehr gut funktioniert, weil Nebenwerte und Substanzwerte exzellent liefen. Doch längst sind die Kurs-Gewinn-Verhältnisse insgesamt geschrumpft, die Übertreibungen in der Breite und bei großen Werten abgebaut. Ich würde daher nicht darauf wetten wollen, dass diese Strategien auch in den kommenden Jahren funktionieren. Der populärste fundamental gewichtete US-Index, der RAFI-Index, schnitt in diesem Jahr bereits schlechter ab als der S&P-500 selbst.
Und die populären Dividendenstrategie, also die Investition in ausschüttungsstarke Aktien, die in vielen Dividendenfonds umgesetzt wird?
Ich würde die Dividendenstrategie nicht als Möglichkeit sehen, langfristig die Rendite zu erhöhen, erst recht nicht als die Zauberformel für überdurchschnittliche Renditen. Allerdings kommt nun wieder die Persönlichkeit ins Spiel: Wenn ein Anleger - zum Beispiel ein Pensionär - ein Engagement in Aktien eingehen oder fortführen will, zugleich aber auch Wert auf regelmäßige Ausschüttungen legt für seine privaten Zwecke, dann ist ein Dividendenprodukt für ihn eine gute Möglichkeit, dies miteinander zu verbinden. Wenn er sich mit der Kombination wohl fühlt und diese Strategie seine Erwartungen erfüllt, dann ist dies jenseits von Markttiming und Strategien genau das richtige für ihn.
Die klassische Lehre effizienter Märkte, nach der vor allem die Verteilung des Vermögens den Beitrag zur langfristigen Rendite leistet, ist nicht unumstritten. Kritiker monieren, sie sei ebenfalls rückwärts gewandt und fuße auf historischen Erträgen von Aktien und Anleihen, die keine Schlüsse auf die Zukunft zuließen.
Das stimmt insofern, als dass weder ich noch andere Ihnen heute sagen können, ob Aktien in einem Jahr 50 Prozent tiefer oder 10 Prozent höher als heute stehen. Über lange Betrachtungsperioden, etwa über 30 Jahre, ist das anders. Dann verengt sich die Bandbreite der zu erwartenden, attraktiven Rendite - etwa mit Aktien - erheblich, und das über jeden 30-Jahres-Zeitraum der Neuzeit. Letztlich ist dann doch die Verteilung des Vermögens entscheidend. Wer als junger Anleger 30 Jahre Zeit hat, kann also mit hohen Aktienquoten arbeiten und muss weder Einstiegszeitpunkt noch Verluste befürchten.
Die Aktienmärkte sind seit Jahren sehr trendstark - Phasen deutlicher Gewinne und Verluste dauerten stets mehrere Jahre. Das heißt doch auch: Relativ einfache Strategien wie die Trendfolge liefern dauerhaft höhere Renditen als der Gesamtmarkt. Auch Privatanleger nehmen sich nun vermehrt vor, künftig wenigstens Hysteriephasen wie im Jahr 2000 zu umschiffen. Ist das sinnvoll?
Es gab historisch immer Phasen mit klaren Trends. Allein: Das hilft Ihnen überhaupt nicht weiter, wenn Sie heute die Frage beantworten müssen, ob zum Beispiel der aktuelle Trend - der Bullenmarkt seit dem Jahr 2003 - nun noch ein weiteres Jahr anhält oder nicht. oder ob uns vielleicht ein Seitwärtsmarkt bevor steht. Vor vier Wochen noch wäre das Urteil eindeutig positiv ausgefallen. Heute sieht das schon anders aus (lacht).
Das Interview führte Christian Kirchner
http://www.handelsblatt.com/finanzen/anlegerakademie/sie-lau…
 
aus der Diskussion: Nobbele - Depotbesprechung
Autor (Datum des Eintrages): Nobbele_2010  (30.06.08 17:41:37)
Beitrag: 106 von 166 (ID:34405605)
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