Fenster schließen  |  Fenster drucken

America Online´s letzte Revolution
-- und Ankündigung eines Trades


von Dr. Max


Eigentlich wollten wir für unser Revolutionärsportfolio ja erst einmal KAUF-Kandidaten durchchecken und einen Kauf im Werte von gut 6600 Euro durchführen. Jetzt müssen wir aber einen Verkauf bekannt geben: America Online. Durch die Ankündigung der Fusion mit Time Warner – das ist ein revolutionärer Akt – katapultiert AOL sich selbst aus der Liga der Revolutionäre und muß nun um den Königsrang kämpfen. (Bei gelingen der Fusion entsteht der bei weitem weltgrößte Medienkonzern, das heißt aber nicht automatisch, dass dieser Konzern auch ein „König ist. Um ein König zu sein, muß ein Unternehmen acht sehr strenge Kriterien erfüllen. S. „10 Schritte zum richtigen Investieren“).

Also: hiermit wird sich das Revolutionärs-Portfolio in Zukunft von America Online lösen. Wir können aber noch nicht sagen, wann dies geschieht. Ebenso können wir noch nicht sagen, ob wir dann einen Teil von AOL-Warner in das Königsportfolio aufnehmen. Das müssen wir in Ruhe durchchecken. Für den Verkauf können wir also noch kein Datum bekanntgeben.

Was war nun das revolutionäre an America Online’s Ankündigung der Fusion mit Time Warner, an welcher AOL die Mehrheit halten wird. Dabei erzielte Time Warner im letzten Jahr einen Umsatz von 26,8 Mrd. $, AOL lediglich 4,8 Mrd. $. Wie ist das möglich?

Nun, America Online wird derzeit von der Börse – wie viele Internet-Aktien – sehr hoch bewertet. Das Kurs-Gewinn-Verhältnis liegt über 200, während das von Time Warne bei ca. 100 liegt. Das heißt auch, das das viel kleinere America Online prozentual gesehen wesentlich profitabler ist, das heißt, das es höhere Gewinnmargen hat. Und tatsächlich: die Nettomarge von AOL war im letzten Jahr 16%, die von Time Warner nur 5%. Je größer ein Unternehmen ist, desto schwieriger, wird es normalerweise, hohe Margen zu halten. Wir lieben daher Unternehmen, die trotz einer beachtlichen Unternehmensgröße hohe Margen halten können – das ist ein wichtiges Kriterium für unsere Könige.

Das Kurs-Gewinn-Verhätnis von Time Warner liegt immer noch bei 100, im traditionellen Vergleich ein stolzer Preis. (Die Automobilfirmen liegen bei gut 10.)

Die Fusion soll im Wege des Aktientauschs vollzogen werden: für das neu entstehende Unternehmen werden neue Aktien ausgegeben. AOL Aktionäre erhalten pro AOL-Aktie (im Wert von gut 70 Euro) jeweils eine neue Aktie, Timer Warner Aktionäre erhalten pro Time-Warner Aktie im Wert von gut am 10.1. ca. 70 Euro jeweils 1,5 Aktien erhalten würden. Rein rechnerisch machen also die Time Warner Aktionäre einen Gewinn. Und das honorierte die Börse auch mit einem Kurssprung von 65% am 11.1., während die AOL Aktie Verluste machte.

Warum hat AOL Chef Steve Case sich zu diesem Schritt entschlossen?

AOL ist die bekannteste, bei weitem größte und älteste Internet-Firma in den USA. So ist AOL z.B. fünfmal so umsatzstark wie Yahoo.

Alle Internet-Aktien werden von der Börse sehr hoch bewertet. AOL als größtes Internet-Unternehmen ist sogar noch eine der billigsten Internet-Aktien. Yahoo hat ein Kurs-Gewinn-Verhältnis, das mehr als zehnmal so hoch ist wie bei AOL. Und viele Internet-Unternehmen machen gar keine Gewinne, werden aber in der Hoffnung auf zukünftige Entwicklungen sehr hoch bewertet.

Die Fusion mit Time Warner ist ein Geständnis, dass das Internet endgültig aus seinen Kinderschuhen getreten ist und mit zunehmend normalen Maßstäben gemessen werden sollte. AOL, das bereits wesentlich mehr Geld verdient, als die anderen Internet-Unternehmen, will und muß mehr Geld verdienen. Die Fusion ist ebenso ein Geständnis, dass die traditionellen Medienunternehmen gegenüber den Internet-Unternehmen unterbewertet sind, oder dass die Internet-Unternehmen überbewertet sind.

Theoretisch ergänzen sich beide Unternehmen optimal: AOL hat die Internet-Nutzer und Internet-Inhalte, Time Warner hat eine Vielzahl von anderen Inhalten (Fernsehen, Bücher, Film), ist aber im Internet schwach. Außerdem hat Time Warner Stationen für das Kabelfernsehen, über die in Zukunft Hochgeschwindigkeits-Internetzugänge bereitgestellt werden können.

Es wäre auch eine alternative Strategie für AOL denkbar gewesen – AOL hätte weltweit der Internet-Provider werden können. Dies hat aber nicht funktioniert: wie viele amerikanische Internet-Unternehmen hat AOL Schwächen bei der internationalen Expansion gezeigt und lokalen Anbietern Marktanteile überlassen. In Deutschland ist T-Online z.B. der klare Marktführer.


Ausblick: AOL-Warner, ein potentieller König?

AOL-Warner bedeutete für AOL eine Konzentration auf den Heimatmarkt. Mit AOL-Warner entsteht ein Konglomerat, dessen einzelne Teile sich bei erstem Betrachten optimal ergänzen.

Die Aktienmärke lieben aber derzeit Unternehmen, die sich auf ihre Kernkompetenzen beschränken und sich dort einem harten Wettbewerb stellen. Solche Unternehmen können jederzeit scheitern (das ist z.B. bei Nokia auch denkbar), aber solange sie erfolgreich sind, werden diese Unternehmen mit überproportionalen Wertsteigerungen belohnt. AOL-Warner ist ein Konglomerat und daher für den Privatinvestor nicht gut zu überschauen, geschweige denn zu kontrollieren. Die einfache Story, und die Messbarkeit des Managementerfolges gehen verloren.

Im Medienbereich ist die Gewinnsituation außerdem äußerst instabil, was auch gegen eine Aufnahme in das Königsportfolio sprechen würde. Das Unternehmen produziert eben nicht nur Massen-Markenprodukte, sonder auch Filme und ähnliche Produkte mit einem sehr hohen Risiko.

Letztlich bleibt abzuwarten, ob das Konglomerat die hohen Gewinnmargen produzieren kann, die wir von einem König erwarten.

Wir wollen dies beizeiten genau prüfen, aber es sieht nicht so aus, als ob AOL-Warner in unser Königsportfolio aufgenommen wird.

America Online hat aber seine letzte Revolutionärstat getan, indem es alles folgenden Unternehmen gezeigt hat, dass das Internet jetzt zu einer „normalen“ Branche wird. Wir glauben deswegen nicht, dass es bei den Internet Unternehmen der dritten Generation insgesamt eine ähnliche Euphorie geben wird, wie das bei den ersten Generationen der Fall war. Es wird zunehmend wichtiger eine solide, langfristige und fundamental ausgerichtete Anlagestrategie zu verfolgen. Dem versuchen wir u.a. damit Rechnung zu tragen, dass wir nur Unternehmen im Portfolio haben, die auch Gewinne machen.
 
aus der Diskussion: America Online - wieder einmal Revolutionär
Autor (Datum des Eintrages): Dr. Max  (12.01.00 14:32:17)
Beitrag: 3 von 7 (ID:345483)
Alle Angaben ohne Gewähr © wallstreetONLINE