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Hallo Welt, hier Peking! Die Show "17 Days" des Staatssenders CCTV sendet täglich stundenlange Berichte über Olympia und China. Vieles davon ist linientreue PR für Völkerverständigung - doch manchmal weht ein Hauch von Subversion durchs Studio.

Ein amerikanischer Tourist mit Glatze und rotem Hemd steht vor dem CCTV-Turm in Peking, dem neben "Vogelnest"-Nationalstadion und Wasserwürfel prestigeträchtigsten Neubau der Olympiastadt. "Ein Monstrum ist das, es sieht nicht gut aus, das ist einfach übertrieben", sagt er dem verdutzten Interviewer im "I-love-Beijing"-T-Shirt. Er selbst arbeite als Konstruktionsdesigner, und der pompöse Prunkbau in Form eines chinesischen Schriftzeichens gefalle ihm überhaupt nicht.

Die Aussage ist nicht deshalb bemerkenswert, weil das Gebäude von Stararchitekt Rem Koolhaas für viele Besucher Pekings zu den eindrucksvollsten Hochhäusern der Welt zählt. Sie ist bemerkenswert, weil der Sender CCTV selbst die Kritik an seiner neuen Heimstätte ausstrahlt: in der Live-Olympia-Sendung "17 Days", die sonst hauptsächlich auf Wohlfühlbeiträge strikt nach staatlichen Vorgaben setzt. ...

... Doch sie traut sich, anders als die meisten ihrer Kollegen, auch mal Kritik an Regierungsprogrammen zu äußern. Zum Beispiel, wenn es um die Liste "Acht Dinge, die man nicht fragt" geht. Darin wurden die Pekinger im Rahmen des umfangreichen Manierenprogramms unterwiesen, dass man Westlern beispielsweise keine Fragen nach Monatseinkommen, Familienstand oder Religion stellen sollte, weil diese für Chinesen alltäglichen Smalltalk-Elemente unhöflich seien. "Wie kann man eine Richtlinie ausgeben, wie man mit Menschen kommunizieren soll?", fragt Liu. "So etwas würde es in den USA nicht geben".

Liu hat auch ein paar Gäste eingeladen zu den Themen. Sie fragt einen in Peking lehrenden amerikanischen Uni-Dozenten und eine amerikanische Hoteltesterin, ob es nicht auch eine Gefahr gebe, sich zu stark für die Besucher zu verbiegen und dabei die eigene Kultur zu verändern. Doch ihre Gäste finden die Liste ganz in Ordnung. Es sei nun mal am Anfang ein Kulturschock, wenn man hierher komme.

Einmal in Fahrt, will Liu nun noch wissen, ob in China nicht aufgrund von Minderwertigkeitskomplexen westliche Ausländer in positivem Sinne diskriminiert würden - indem beispielsweise Verkäufer sie automatisch besser behandelten als chinesische Gäste. Klar sei das unfair, gibt David Moser von der Beijing Capital University zu, doch dann lobt er die chinesische Gastfreundlichkeit, das sei doch etwas Wunderbares. Schon Konfuzius habe gesagt, man solle froh sein, wenn man Gäste aus der Ferne hat. Konfuzius-Zitate wirken immer, die Harmonie ist wiederhergestellt. Die Gäste scheinen sich auszukennen in chinafreundlicher Diplomatie - sonst wären sie vermutlich nicht im CCTV-Studio gelandet. ... http://www.spiegel.de/kultur/gesellschaft/0,1518,572438,00.h…
 
aus der Diskussion: Das Neueste aus China
Autor (Datum des Eintrages): HeWhoEnjoysGravity  (17.08.08 13:43:46)
Beitrag: 89 von 90 (ID:34744143)
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