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Die Machtübernahme des Bush-Clans wird zum Desaster für die Welt. Das wird immer klarer. Es ist noch schlimmer und paradoxer als ich bei der Eröffnung dieses threads dachte!
Aus "die Zeit":


Die energierige Nation

Klimafrevler Nummer eins ist Amerika bereits. Jetzt wird der Energiehahn weiter aufgedreht

Von Christian Tenbrock




Foto: A. Vossberg/plus49/Visum
Las Vegas
Vom Highway 191 führt die Schotterpiste geradewegs nach Nordost, rechts und links gesäumt von verstaubtem Steppengewächs. In der Ferne ragen die Ausläufer großer Dünen auf, dahinter ein kantiges Tafelgebirge. Am Boden deuten weiße Flecken auf Salz, in den Bergen auf Schnee. 2200 Meter über dem Meer ist die Luft trocken und glasklar. Mitunter grasen wilde Pferde zwischen den Beifußbüschen, Adler und Habichte kreisen am Himmel.

Die Jack Morrow Hills bedecken 25 000 Quadratkilometer Hochebene in der Südwestecke des amerikanischen Bundesstaates Wyoming. Manche Karten verzeichnen sie als "rote Wüste". Dem Auge bietet das kahle Land wenig. Doch seit im fernen Washington der Republikaner George Bush regiert, schauen viele hin: Die Jack Morrow Hills wurden zum Symbol für das Schicksal des amerikanischen Natur- wie auch des weltweiten Klimaschutzes.

Aus der roten Wüste sollen Bohrtürme in den Himmel wachsen. Obwohl die Vereinigten Staaten pro Kopf mehr Energie verbrauchen als fast jede andere Nation, glaubt Bush, den amerikanischen Appetit auf Öl und Gas sogar noch steigern zu müssen. "Wir haben eine Energiekrise", lautet die Diagnose des ehemaligen texanischen Ölmanns. Seine Therapie: Mehr fördern, damit mehr verbraucht werden kann.

Dass Bush das Kyoto-Protokoll zum Klimaschutz für "tot" erklärte, war nur der erste Schritt. Schon der sorgte für Aufruhr in der Welt - "nicht gerecht", "sehr besorgniserregend", "arrogant" lauteten noch die freundlichsten Kommentare - und trug dazu bei, dass die USA gerade ihren Sitz in zwei wichtigen UN-Gremien verloren. Jetzt wird der Umweltschutz auch im eigenen Land aufs Korn genommen. Viele Amerikaner verstehen den Herrn im Weißen Haus nicht mehr. Zwei Drittel der Bevölkerung, so eine Umfrage von Time und CNN, verlangen deutliche Schritte zur Reduktion der Treibhausgase. Und sieben Spitzenvertreter einflussreicher Religionsgemeinschaften äußerten jüngst ihre "höchste Sorge, dass unser jetziger Kurs die Lebensqualität für die Schöpfung Gottes und Gottes Kinder bedroht".

Ganz zu schweigen von den Geschöpfen, die nicht der Gattung Homo sapiens angehören. Irgendwo unter dem Tafelgebirge der Jack Morrow Hills steht eine 1000-köpfige Herde rarer Wüstenelche. Der Beifuß wächst mancherorts über drei Meter hoch und bietet einer seltenen Sorte Wüstenhühner Schutz. Nirgendwo sonst in den USA sind die Wanderdünen größer als hier. "Dieses Land", sagt in der Kleinstadt Lander am Nordrand der Hochebene der ehemalige Naturkundelehrer Tom Bell, "ist einmalig, unbezahlbar: Die Wirtschaft hat hier nichts zu suchen."

Das Motto: Bohren und Graben

"Die Wirtschaft" sieht das anders. Seit sie in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts über den Oregon Trail nach Westen vordrangen, weiden Rancher ihre Rinder und Schafe in den Jack Morrow Hills. Kohle und Gas ziehen kleine und große Energiefirmen an. Schon jetzt haben sich ihre Bohrgeräte an mehr als 60 Stellen drei- bis viertausend Meter tief in die Erde gefressen; das ständige Rattern von Pumpen und Generatoren zerschneidet die Wüstenstille. Wo die Gaspipelines vergraben wurden, trägt die Erde Narben.

Als in Washington Bill Clinton das Sagen hatte, wollte er die Erschließung weiterer Gasfelder in den Jack Morrow Hills verhindern und Naturschutzgebiete weiter ausbauen. Noch im Dezember vergangenen Jahres wurde das für Staatsland zuständige Bureau for Land Management (BLM) angewiesen, auch in der roten Wüste der Ökologie Vorrang einzuräumen. Anders Bush: Auch in bislang geschützten Regionen der Vereinigten Staaten soll gebohrt und gegraben werden, um Amerikas Energiehunger zu stillen.

Höhere Produktion und mehr Konsum - oder aber mehr Sparsamkeit und bessere Effizienz: So lautet die Alternative in der nationalen Energiepolitik. Bush weiß, auf wen er hört: auf die Ökofalken. Seit er im Januar ins Weiße Haus einzog, hat er alles gesagt und getan, damit Bergleute, Öl- und Gasproduzenten sowie die Stromerzeuger künftig freiere Hand haben werden. Steigende Energiepreise und die Stromkrise in Kalifornien liefern ihm scheinbar Argumente. Dass in dem Bundesstaat am Pazifik ab und zu die Lichter ausgehen, hat zwar weniger mit knappen Rohstoffen zu tun als vielmehr damit, dass die Deregulierung des Strommarkts fehlschlug und zu wenig Kraftwerke im Dienst stehen. Doch Bush erklärte Kaliforniens Misere zum Energienotstand des ganzen Landes. Auch den wichtigsten Schurken hatte der Präsident schnell ausgemacht: zu strengen Umweltschutz.

Also weniger grüne Politik, Erleichterungen für die Energiebranche, mehr amerikanisches Öl und Gas, vielleicht sogar neue Atomkraftwerke. Schon Amerikas Ausstieg aus dem Kyoto-Protokoll begründete Bush mit vermeintlich zu hohen Belastungen für die US-Wirtschaft, vor allem für die Kohlekraftwerke, die 50 Prozent des US-Stroms erzeugen. Bushs Vize Dick Cheney, Leiter einer Energiekommission des Präsidenten und bis zum vergangenen Jahr Chef des Öl- und Gasausrüsters Halliburton, kündigte dazu Ende April Schritte an, die fast ausschließlich das Energieangebot ausweiten sollen - zum Beispiel den Bau neuer Raffinerien und Gaspipelines. Auch ein riesiges Naturschutzgebiet im Norden Alaskas will Bush für die Ölförderung freigeben. Mit diesem Vorhaben dürfte er scheitern; der Widerstand reicht bis in die Reihen der republikanischen Partei. Bisher gesperrte Staatsforste und Schutzgebiete entlang der Rocky Mountains sollen jedoch für Bohr- und Förderfirmen geöffnet werden - auch, wie die New York Times erfahren haben will, die Jack Morrow Hills.

Tatsächlich sollen 95 Prozent aller neu geplanten Kraftwerke in den USA mit Erdgas befeuert werden; die Nachfrage nach dem relativ sauberen Rohstoff wird in den nächsten zehn Jahren um fast ein Drittel zunehmen. Der Löwenanteil aller Gasvorkommen aber findet sich in den Rocky Mountains. Experten des Energieministeriums kamen 1999 zu dem Schluss, dass allein unter bisher nur beschränkt zugänglichem öffentlichem Land zwischen Montana im Norden und New Mexico im Süden 39 Billionen Kubikmeter Gas liegen, genug, um die USA für sechs Jahre zu versorgen.

Eine Renaissance der Atomkraft?

Dazu kommt eine boomende Nachfrage. Sparen die Amerikaner nicht endlich Energie, werde bis zum Jahr 2010 "schon das Wachstum des Strombedarfs in den USA höher sein als das, was England und Frankreich derzeit insgesamt verbrauchen", schätzt der Fachmann Ed Tirello von der Deutschen Bank in New York. Sparen? Amerikas Energieminister Spencer Abraham schließt daraus schlicht, dass bis 2020 insgesamt 1300 neue Kraftwerke gebaut werden müssen, notfalls auch nukleare. "Wer etwas gegen schädliche Emissionen tun will", wiederholte der Ölveteran Dick Cheney vorsorglich bereits das alte Argument der Nuklearbranche, "muss Atomkraftwerke bauen."

Umweltschützer wehren sich gegen die Pläne des Präsidenten. Naturschutzgebiete für die Öl- und Gasförderung zu öffnen sei absurd, weil in ungeschützten und weniger sensiblen Regionen "genug für den Konsum der nächsten vier Jahrzehnte vorhanden ist", argumentiert David Elberswerth, Sprecher der Washingtoner Wilderness Society. Schon heute sind 90 Prozent des Staatslandes für die Wirtschaft ungehindert zugänglich; an rund 50 000 Stellen wird Gas gefördert. Allein im Südwesten Wyomings sollen - außerhalb der Jack Morrow Hills - bis 2010 zwischen 10 000 und 15 000 Pumpen ans Netz gehen.

Alte Kämpfer wie der 77-jährige Tom Bell fragen sich, warum "in Washington so wenig über Energiesparen, Effizienz und alternative Energiequellen geredet wird". Wind, Sonne und Erdwärme tragen in den USA nur 2,6 Prozent zur jährlichen Stromproduktion bei. Mit jährlich mehr als 12 000 Kilowattstunden pro Kopf konsumiert außer Kanada und den skandinavischen Staaten kein anderes Land der Welt mehr Elektrizität als die USA. Auch im Spritverbrauch sind die Amerikaner Weltspitze. Sparsamkeit wird im Land der Leichtbauweise und des billigen Benzins nicht sonderlich geschätzt.

Im Gegenteil: Schon kurz nach seinem Amtsantritt setzte Bush eine Verfügung außer Kraft, mit der die Clinton-Administration die Hersteller von Klimaanlagen zwingen wollte, ihre Geräte um 30 Prozent effizienter zu machen. Zu teuer für die Verbraucher, befanden die Republikaner und verordneten eine Verringerung des Energiebedarfs um nur 20 Prozent. Während sich die Öl-, Gas- und Kohlebranche weiter über Subventionen in Milliardenhöhe freut, halbierte Bush in seinem Etatentwurf Förderprogramme für alternative Energien. Auch das Forschungsgeld für intelligenteren Energieeinsatz in der Industrie und für die Entwicklung sparsamerer Autos soll radikal gekürzt werden.

Dabei könnte den Präsidenten schon ein Blick in eine von zahlreichen Studien eines Besseren belehren. So fanden fünf staatliche Forschungsinstitute heraus, dass Amerika das Wachstum seines Energiehungers bis zum Jahr 2010 mit marktkonformen Mitteln um rund ein Drittel vermindern könnte - beispielsweise könnten sparsame Autos von Steuern befreit werden. Strengere Effizienzvorschriften für Haushaltsgeräte würden die Stromnachfrage in den nächsten 20 Jahren um ein Achtel reduzieren, fand die Alliance to Save Energy heraus. Auch bei der Stromerzeugung kann gespart werden: Amerikas Kraftwerke, so eine Studie des Energieministeriums, arbeiten mit einem Wirkungsgrad von durchschnittlich lausigen 33 Prozent. Jahr für Jahr vergeuden sie damit potenziell so viel Energie, wie Japan insgesamt konsumiert.

Unternehmer kritisieren Bush

Egal, was Bush sagt: Nicht der Umweltschutz oder ein Mangel an Strom hat Amerikas "Energiekrise" verursacht, sondern eine Nation ohne ökologisches Konzept. Die Amerikaner könnten Energie sparen - wenn sie nur wollten. Der Ausstoß klimaschädlicher Treibhausgase ließe sich drastisch senken, wenn Kraftwerke, Autos, Maschinen effizient mit Rohstoffen und Energie umgingen. Mit knapp 5 Prozent der Weltbevölkerung produzieren die USA ein Viertel aller weltweiten CO2-Emissionen; 1998 pusteten die Amerikaner 11,7 Prozent mehr Kohlendioxid in die Luft als 1990, die Europäer dagegen nur 0,6 Prozent. Selbst das Energieministerium erklärte noch im vorletzten Jahr, mit neuen Techniken könne so viel Energie gespart werden, dass die anfänglichen Investitionskosten durch Minderausgaben für Öl und Strom rasch aufgefangen und die Ziele des Kyoto-Protokolls erreicht werden könnten: 7 Prozent weniger Klimafrevel bis um das Jahr 2010.

Viele Manager zwischen New York und San Francisco wissen das besser als die Texas Boys des Präsidenten. Das Pew Center on Global Climate Change, in dem sich 33 Großfirmen zusammengeschlossen haben, hat die Entscheidung Bushs zum Ausstieg aus der Kyoto-Vereinbarung scharf kritisiert. Der Gemischtwarenkonzern United Technology will seinen Energiebedarf bis 2007 um 25 Prozent verringern, der Chemieriese DuPont den Ausstoß an Treibhausgasen bis 2010 freiwillig um 35 Prozent senken. Sogar Amerikas Autofirmen haben gelobt, ihren Sprit fressenden Jeeps und Pickups - immerhin sieben Millionen Fahrzeuge, 40 Prozent des US-Markts - den Riesendurst abzugewöhnen. Die fortschrittlichen unter Amerikas Firmen wollen klimafreundliche Technik entwickeln, um wettbewerbsfähig zu bleiben. "Es wäre ein Fehler, wenn sich die US-Wirtschaft gegenüber dem Druck (etwas gegen die Erderwärmung zu tun) isolierte", sagt DuPont-Sprecher Tom Jacobs. "Sonst sind uns unsere Konkurrenten am Ende voraus."

So kann Bush den Freunden in der Wirtschaft langfristig gar schaden. Seine Regierung setzt auf Konsum und Produktion - und das Geld, das damit verdient werden kann. Die Regierung Wyomings kann sich freuen: Öl, Gas und Kohle spülen den Großteil der Steuern in die Kasse des eher armen Bundesstaates. Und die Branche bietet gut bezahlte, sichere Arbeitsplätze. Rock Springs, eine 20 000-Seelen-Gemeinde südlich der Jack Morrow Hills, könnte ohne den Bergbau nicht existieren. "Wir würden sterben", sagt John Hay, in dritter Generation Chef der größten örtlichen Bank. Geld, Geld, Geld und Jobs, Jobs, Jobs meint auch Russell Kirlin, Regionalleiter des Gasunternehmens Questar: "Wir sind im Geschäft, um Profite zu machen. Wir konzentrieren uns nicht auf den sparsamen Umgang mit Energie. Wir wollen das Gas aus dem Boden kriegen und es verkaufen."

Amerika, fügt der Manager hinzu, müsse sich entscheiden: Konsum wie gehabt oder Schutz der Natur. Mit George Bush im Weißen Haus ist die Entscheidung wohl gefallen. Befragt, was das für die Jack Morrow Hills bedeuten könnte, zählt Kirlin auf: schwere Maschinen, neue Bohrtürme, zusätzliche Pipelines, mehr Lärm, mehr Menschen. "Viel Hoffnung", sagt in Lander Tom Bell, "habe ich nicht mehr."

stormy meint: Dieser Mann muss von der Macht entfernt werden!
 
aus der Diskussion: US-Wahl: Die Dumpfbacken haben gewonnen
Autor (Datum des Eintrages): Stormy  (10.05.01 22:56:15)
Beitrag: 66 von 176 (ID:3498286)
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