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Die Russen wollen keinen Atomaren Dreck !

Die Bonzen kümmerts nicht :(

Quelle FAZ :

Rußland als Atommülldeponie der Welt

Von Elfie Siegl, Moskau


Rußland könnte in Zukunft zur größten Schutthalde der Welt für atomare Rückstände werden. Neben der Fülle von Atomraketen, neben zehn produzierenden Kernkraftwerken und einigen hundert mit Atomreaktoren angetriebenen U-Booten will das ökologisch ohnehin schon gebeutelte Land rund ein Zehntel der in der Welt angehäuften abgebrannten Brennstäbe von Atomreaktoren und weitere radioaktive Rückstände importieren und aufbewahren.

Die gefährliche Fracht muß über Tausende von Kilometern durchs Land zu den Endlagern in Sibirien transportiert werden. Allein diese Vorstellung löst bei vielen Angst aus. Umfragen haben ergeben, daß über neunzig Prozent der Bürger Rußlands gegen atomare Importe sind. Die Führung des Landes bekümmert das wenig.

Umweltschutzorganisationen sammelten ohne Mühe die für einen Volksentscheid zum Importverbot nötigen 2,5 Millionen Unterschriften. Die zentrale Wahlkommission wertete die Sammlung als ungültig. Das Oberste Gericht weigerte sich, eine Klage der Umweltorganisation Greenpeace zur Feststellung der Gesetzeswidrigkeit dieses Schrittes anzunehmen. Die russischen Atomwissenschaftler sind unterschiedlicher Meinung. Zu den Befürwortern der Einfuhren gehört auch Jewgenij Welichow, Präsident des Moskauer Kurtschatow-Instituts für Atomforschung, das auf seinem Gelände in der russischen Metropole nicht nur Atomreaktoren betreibt, sondern dort auch abgebrannte Brennstäbe lagert.

Eine Woche vor dem fünfzehnten Jahrestag der größten Katastrophe im Bereich der friedlichen Nutzung von Atomenergie, desm Unfalls im Kernkraftwerk von Tschernobyl, hat die russische Staatsduma in zweiter Lesung Änderungen der Gesetze über den Umweltschutz und die Nutzung von Atomenergie gebilligt. Damit wird das bisher bestehende Importverbot für Atommüll aufgehoben. Die erste Lesung hatte es im vergangenen Dezember gegeben, die dritte Lesung dürfte nur noch Formsache sein. Präsident Wladimir Putin wird die Gesetze unterzeichnen.

Bereits im vergangenen September bot er vor den Vereinten Nationen anderen Ländern an, die technischen Möglichkeiten der russischen Atomindustrie zu nutzen. Das Ministerium für Atomenergie hofft, nachdem die Gesetzeshürden beseitigt worden sind, auf die Einfuhr und Endlagerung von bis zu 20 000 Tonnen hochverstrahlter Brennrückstände aus Kernkraftwerken anderer Länder binnen eines Jahrzehnts sowie auf damit verbundene Einnahmen in Höhe von 20 Milliarden Dollar, möglichst gegen Vorkasse.

Die Idee, mit atomaren Einfuhren viel Geld zu verdienen, wurde 1995 geboren, als der damalige Präsident Boris Jelzin Krasnojarsk-26 besuchte, eine der drei größten russischen Endlagerstätten für abgebrannte Brennstäbe. Das Oberste Gericht hob den entsprechenden Erlaß des Kremlchefs allerdings als gesetzeswidrig auf. Als Antwort opferte Jelzin seinen Atomminister Wiktor Michailow damals als Sündenbock. Michailows Nachfolger, Jewgenij Adamow, ein Verfechter der Atomimporte, wurde vor wenigen Wochen von Putin notgedrungen entlassen. Greenpeace hatte Adamows illegale Geschäfte im Bereich der Atomindustrie dokumentiert, ihn der Geldwäsche und Veruntreuung von Geldern bezichtigt. Die Duma schickte sich an, diese Vorwürfe zu überprüfen.

Der Wechsel an der Spitze des Ministeriums bedeutet keinen Kurswechsel in der Atompolitik. Adamows Nachfolger, der Wissenschaftler Alexander Rumjanzew, ein Fachmann für die Entwicklung von Atomreaktoren, bekräftigte bei Amtsantritt, er werde die Linie seines Vorgängers in bezug auf die Atomimporte fortsetzen. Dabei hofft der Minister, die Länder, die heute ihre atomaren Rückstände nach Rußland liefern, könnten diese nach drei Jahrzehnten Lagerung wieder zurücknehmen.

Die Öffnung Rußlands für atomare Rückstände aus dem Ausland ist aus mehreren Gründen gefährlich. Ein den notwendigen Sicherheitsstandards entsprechender Transport der hochsensiblen Frachten und deren Lagerung etwa scheint nicht gewährleistet. In Rußland hat es in der Vergangenheit mehrere schwere Unfälle in atomaren Endlagern gegeben, als deren Folge große Mengen an Radioaktivität weite Gebiete verseuchten und die Gesundheit der Bewohner dieser Gebiete schwer beeinträchtigten, so 1957 im Kombinat Majak im Gebiet Tscheljabinsk in Westsibirien, so 1993 im Endlager im sibirischen Tomsk.

Die technischen Bedingungen in russischen Endlagern und auch die der Transporte für atomare Rückstände entsprechen nicht den europäischen Sicherheitsnormen. Darauf hat die Kommissarin für Umwelt der Europäischen Union, Margot Walstrom, dieser Tage in Moskau nachdrücklich hingewiesen. Solange sich das nicht ändert, dürfte Rußland wohl vergeblich auf atomare Importe aus Europa hoffen. Das Risiko besteht allerdings, daß es die gefährlichen Rückstände aus Staaten wie Iran, Indien und Nordkorea importiert, Ländern, in denen Rußland Kernkraftwerke baut, und daß diese Art von Zusammenarbeit international unkontrollierbar wird.

Rußland ist derzeit nicht in der Lage, seine eigenen atomaren Rückstände sicher zu transportieren und zu lagern, geschweige denn zusätzlich importierte. Angesichts der Kriminalisierung auch der russischen Atomindustrie warnen nicht nur Umweltschützer davor, die mit dem Import von atomaren Rückständen eingenommenen vielen Milliarden Dollar könnten unverzüglich in dunklen Kanälen versickern. Versicherungen des Atomministeriums, die Gelder würden zu Teilen in den Staatshaushalt fließen, zu Teilen in moderne Technologien für die Atomenergie investiert und zu Teilen für den Umweltschutz verwendet, erscheinen angesichts bisheriger, oft fragwürdiger Geschäftspraktiken des Ministeriums wenig glaubwürdig.

Frankfurter Allgemeine Zeitung, 19.05.2001, Nr. 116 / Seite 13

Na dann gute Nacht Mütterchen Russland :(
 
aus der Diskussion: Wer der Atom-Befürworter im Forum ist für ein Endlager in seinem Landkreis ?
Autor (Datum des Eintrages): M_B_S  (19.05.01 21:34:25)
Beitrag: 104 von 108 (ID:3556235)
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