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Nachricht vom 19.11.2008 | 23:00 104 mal gelesen
Opel/Solarworld: Nur ein Scherz, oder?
Leser des Artikels: 104

Marketing-Gag oder Ernst? Das Bonner Solarunternehmen Solarworld teilte heute mit, die vier deutschen Opel-Werke und das Entwicklungszentrum in Rüsselsheim übernehmen zu wollen. Ziel sei es, das zum US-Konzern General Motors gehörende Unternehmen zum „ersten 'grünen' europäischen Autokonzern“ weiterzuentwickeln. Euro am Sonntag Online sprach darüber mit dem Autoexperten und Metzler-Analysten Jürgen Pieper.

Von Benjamin Summa

Wie bewerten Sie den Plan von Solarworld, die vier Opelstandorte und die Forschungsabteilung in Rüsselsheim zu übernehmen?

Ich halte das ganze für eine Marketing-Aktion von Solarworld, denn die Idee ist einfach abwegig.

Wenn es aber nicht nur als PR-Gag geplant war? Was wäre denn ein mögliches Geschäftsmodell hinter der Idee?

Wenn ein Solarunternehmen nun anfangen will, Solarautos zu entwickeln, dann ist das eine Sache. Aber selbst wenn für Opel nichts bezahlt werden müsste, was unrealistisch ist, hätte Solarworld dennoch ein großes Unternehmen mit knapp 26.000 Beschäftigten am Hals. Bis ein Solarauto marktfähig wäre, vergingen 15 Jahre. Was soll denn bis dahin mit Opel passieren? Sollen die Mitarbeiter für diesen Zeitraum nach Hause geschickt werden? Die praktische Seite ist völlig unrealistisch. Selbst wenn Solarworld Opel geschenkt bekommen sollte, müsste das Unternehmen Opel von diesem Tag an weiter geführt werden - mit all den Verlusten, die bei Opel momentan täglich anfallen. Da kommen gut einige Milliarden Euro im Jahr zusammen. Es wundert mich sehr, dass es heute von Autoexperten Statements gab, die sich ernsthaft mit dieser Meldung auseinandergesetzt haben.

Könnte denn die Opel GmbH komplett aus dem GM-Konzern herausgelöst werden?

Herauslösen ist sehr schwierig, weil General Motors meiner Einschätzung nach gar nicht verkaufen will. Opel ist Kernbestandteil des GM-Konzerns, der nicht unwesentlich die Entwicklungsleistung des Gesamtkonzerns trägt. Wenn GM die Entwicklungsabteilung abgäbe, könnte der Autobauer auch gleich seine Geschäfte einstellen.

Diese Abteilung könnte ja aufgespaltet werden.

Das wäre schon machbar. Aber eines muss man sich da vor Augen führen: Die Marke Opel existiert zwar noch, aber Opel als eigenständiges Unternehmen ist seit 80 Jahren verkauft. Diese Marke aus dem Gesamtkonzern herauszulösen, wäre wirklich extrem schwierig. Das würde sich GM nur antun, wenn es nur noch darum ginge, Gelder flüssig zu machen. Dazu kommt, dass Opel als eigenständiges Unternehmen meiner Meinung nach keine Chance am Markt haben würde. Erstens macht Opel schon jetzt als Teil von GM enorme Verluste, zweitens ist es natürlich wesentlicher Teil des Opel-Geschäftsmodells, erhebliche Kostenvorteile und Synergien durch die Kooperation mit General Motors zu haben. Die Einkaufskonditionen von GM sind natürlich ganz andere als die von Opel alleine. Opel müsste sicher zehn bis 20 Prozent höhere Preise für die Komponenten zahlen, das wären alleine zwei bis drei Milliarden Euro zusätzliche Kosten in einem Jahr. Das würde Opel umbringen, weil das Unternehmen zurzeit kein Geld verdient.

Opel-Mitarbeiter zeigen sich aber offen für eine Abspaltung von GM.

Solche spontanen Äußerungen sind nicht zu Ende gedacht. Man muss auch daran zurückdenken, dass GM Opel in der vergangenen Krise vor vier Jahren gerettet hat. Ohne GM wäre in Rüsselheim der Exitus schon damals eingetreten. Damals waren in Jahresfrist Verluste von einer Milliarde Euro da. Der Standort Bochum war gefährdet. GM akzeptierte damals, dass dieser Standort weitergeführt wurde. Auf den Punkt gebracht: Opel und GM sind schon auf Gedeih und Verderb miteinander verbunden.

Dennoch: Welcher Autobauer käme denn für eine Opel-Übernahme in Frage?

Es müsste ein Autokonzern sein, der auch Mengenvorteile für sich geltend machen und Opel in sein Geschäft eingliedern kann. Volkswagen scheidet aus kartellrechtlichen Gründen aus, denn zusammen hätten beide über 25 Prozent Marktanteil in Europa. Das würde die EU nicht akzeptieren. Daimler und BMW werden wohl angesichts der negativen Erfahrungen mit Übernahmen kein Interesse haben. In Frage käme Renault, weil das Unternehmen expandieren will. Fiat wäre vielleicht auch ein Kandidat. Das Wahrscheinlichste wäre aber meiner Meinung nach ein koreanisches Unternehmen. Hyundai beispielsweise hätte von einem Tag auf den anderen eine europäische Präsenz und einen Marktanteil in Europa von knapp acht Prozent. Hyundai wäre auch im Gegensatz zu Daimler nicht wahnsinnig anspruchsvoll. Denn die Koreaner sind nicht dafür bekannt, dass sie innovative Technologien anbieten oder einen Qualitätsstandard hätten, den andere erst erreichen müssen. Dazu kommen Größenvorteile und günstigere Einkaufskonditionen. Eine solche Rechnung könnte aufgehen.

Aber was passiert mit GM, Ford und Chrysler. Welches Szenario ist für Sie das wahrscheinlichste?

Die US-Regierung lässt GM und Ford sicher nicht untergehen. Bei Chrysler würde ich ein Fragezeichen dahinter setzen, weil Chrysler kein derart großer Wirtschaftsfaktor darstellt. Außerdem kann eine Regierung auch nicht jedes Unternehmen retten. Das Glück für GM im Unglück ist, dass angesichts der Banken-Rettungspakete momentan enorme Gelder zur Verfügung stehen. Ein Volumen von 50 Milliarden Dollar jagt keinem mehr wirklich einen Schrecken ein. Auch die Akzeptanz in der Öffentlichkeit für die Rettung der wichtigsten Autobauer dürfte vorhanden sein. Diese Beträge dürften groß genug sein, um einen Zeitraum von ein bis zwei Jahren zu überbrücken. Danach muss auf eine Aufschwungphase gehofft werden.



Autor: w:o_redaktion
 
aus der Diskussion: SolarWorlds geheimer Plan mit Opel
Autor (Datum des Eintrages): mintelo  (19.11.08 23:25:40)
Beitrag: 91 von 127 (ID:36010853)
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