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zu und über Norbert Röttgen:

Lesen Sie das aktuelle Porträt von Norbert Röttgen im Focus

Die Kanzlerin hat Norbert Röttgen schon lange auf der Rechnung. Als Wirtschaftskenner soll er nun der neue Friedrich Merz werden

Man nehme eine satte Portion Hintersinn, gebe etwas Philosophie dazu, drehe das Ganze ein wenig, und - schwuppdiwupp schon hat man das perfekte Norbert-Röttgen-Zitat. Etwa so: "Auf die parteipolitische Schwäche der SPD sollten wir nicht parteitaktisch antworten. Das zu tun wäre schlechte Parteitaktik. " Ist diese Feststellung nun besonders clevere Parteitaktik? An der Frage kann man mindestens so sehr verzweifeln wie am Paradoxon, ob der Kreter, der feststellt, dass alle Kreter immer lügen, selbst die Wahrheit spricht. Ein Fall für Denkfaule ist CDU-Mann Röttgen, Parlamentarischer Geschäftsführer der Union im Bundestag, jedenfalls nicht.

Spätestens die Tage der Finanzkrise haben gezeigt, was Merkel- Vertraute schon lange wisperten: Röttgen wird der neue Friedrich Merz das Aushängeschild der Union für Wirtschaft.

Allerdings taugt Röttgen eher als eigensinniges Original denn als Marke "Merz naturmild". Seine Klugheit verschafft ihm viel Respekt - aber längst nicht bei allen Sympathie. Kollegen klagen schon länger, ihnen sei "der Röttgen zu blasiert". Wenn Neid ein Karriere-Indikator ist, dann geht es mit ihm jetzt erst richtig bergauf. Parteifreunde schildern ihn nicht nur als "eloquent und telegen" , sondern titulieren ihn auch als "Muttis Klügsten" . Seit "Mutti" (die Kanzlerin) den Rheinländer in der vorigen Woche neben Baden-Württembergs Ministerpräsident Günther Oettinger als herausragenden CDU- Vertreter für Wirtschaft nannte, wird Röttgen noch kritischer beäugt.

Dabei ist der Jurist seit Langem ein Taktgeber. Nur fiel das bisher weniger auf. Es war Röttgen, der das Konzept für Bürokratieabbau aus den Niederlanden importierte. Er war es auch, der früh eine Lanze brach für Bildung als "nationale Aufgabe" . Und als NRW-Ministerpräsident Jürgen Rüttgers höhere Renten für langjährige Geringverdiener forderte, warf Röttgen ihm vor, er leugne die christlich-sozialen Wurzeln der CDU, wenn er die Frage der Leistung ausblende. Einige Spitzenpolitiker in den Ländern haben den Manager der Bundestagsfraktion auf dem Kieker, sehen ihn als eine Art sanften Vollstrecker der Kanzlerin.

Meist deckt sich Röttgens Sicht mit dem, was sich später als Meinung Merkels erweist. Ob ihre Haltungen übereinstimmen, weil sie ähnlich ticken, oder ob der Jurist in ihrem Auftrag vorprescht, bleibt oft offen. Ein prominenter Parteifreund, der Röttgen lange kennt, zeigt sich amüsiert, dass manche ihn für einen geschmeidigen Kanzler-Schleimer halten. "Der gibt hinter den Kulissen nicht Merkels Messdiener - da können Sie sicher sein. "

Doch nach außen zeigt sich der sportliche CDU-Mann so verbindlich und ausgeglichen, dass es fast verdächtig ist. Gibt es etwas, was ihn richtig sauer machen kann? "Eine Mischung von Überheblichkeit und Dummheit der Mächtigen kann mich aufregen", erzählt der Familienvater. Wenn erkennbare Probleme ignoriert würden, dann mache ihn das zornig. Wutanfälle? Nicht überliefert. Heftige Verbalattacken? Der Hinweis, dass die bisherigen Bonus-Regeln für Finanzmanager in den Mülleimer gehören, zählt schon zum Bissigsten, was Röttgen öffentlich von sich gab. Und Kritik an der Kanzlerin muss man sich über eine Art Röttgen'schen Dreisatz erschließen: seinen Kommentar anhören, mit seinen früheren Aussagen zu Prinzipien der Politik vergleichen, Kritik ableiten. Als Röttgen zuletzt anmerkte, der Kfz-Steuerverzicht für Neuwagen sei nicht "nachhaltig", steckte dahinter ein harter Vorwurf. Weil Nachhaltigkeit bei Röttgen hoch im Kurs steht, hat er eigentlich signalisiert: Das, was Kanzlerin & Co. wollen, ist Mist.

Schon damals, als er in den 80er- Jahren in der Studentenbude in der Bonner Nordstadt hockte, habe "der Norbert" ein Faible für tiefschürfende Gedankenspiele gezeigt, erinnern sich Freunde mit einem Mix aus Spaß und Bewunderung. Gemeinsam mit seinem Wohnungskumpel Andreas Krautscheid (CDU) - heute Bundesratsminister von Nordrhein-Westfalen - habe Röttgen "von der Wohnküche aus die Welt erobert", erzählt ein Kumpel.

Von der Wohnküche hat er es längst in Merkels Küchenkabinett geschafft. Für seine Bundestagsrede über die Zukunft der sozialen Marktwirtschaft nach dem Finanzkollaps gab's sogar Lob vom sozialdemokratischen Intelligenz-Zensor Peer Steinbrück. Und Kurt Lauk, Präsident des CDU- Wirtschaftsrats, schwärmt: "Norbert Röttgen ist das, was die Union braucht: Er hat sich in wirtschaftspolitischen Fragen eine hohe Kompetenz erworben. " So sei er längst "in seine wirtschaftspolitische Führungsposition hineingewachsen". Ein Kompliment auf vermintem Feld. Denn als Nr. 1 für Wirtschaftspolitik der Union dient sich Niedersachsens Ministerpräsident Christian Wulff an. Auch Oettinger kämpft um den inoffiziellen Titel - und stichelt gegen Röttgen. Merkels Hinweis auf Röttgen und Oettinger als Frontleute für Wirtschaft ist auch der Versuch eines Befreiungsschlags. Es nervte sie, ständig gefragt zu werden, wer die Nachfolge ihres einstigen Rivalen Merz antrete - was die Neugierigen meist mit flötenden Merz-Hymnen begleiteten.

Röttgen beantwortet die Frage nach dem Unterschied zwischen ihm selbst und Merz geografisch: "der zwischen einem Sauerländer und einem Rheinländer". Nichts Heikles gesagt, aber viel angedeutet. Denn der Sauerländer gilt als nachtragend. Während sich Merz im nächsten Sommer nach jahrelangem Schmollen aus dem Bundestag zurückzieht, entschied sich Rheinländer Röttgen 2005 für den umgekehrten Weg. Auch er hatte Grund, beleidigt zu sein. Es galt nämlich zwischen Merkel und ihm als ausgemacht, dass er das Kanzleramt leiten sollte. Merkel bekam aber kalte Füße und entschied sich für den regierungserfahrenen Thomas de Maiziere. Röttgen hätte "eine Frustphase" gehabt, erinnert sich ein Kumpel an diese Zeit. Doch nach außen gab sich der Jurist gelassen, sprach von "einem lachenden und einem weinenden Auge " . Schließlich habe er so mehr Zeit für seine drei kleinen Kinder. Über Persönliches redet kaum einer so wenig wie Röttgen. Doch wenige sind so gut vernetzt wie er. Er duzt sich mit Angela Merkel ebenso wie mit der linken SPD-Frau Andrea Nahles. Die Vorliebe für christlich-demokratische Nachbarschaft hat er bewahrt: Heute wohnt er in Berlin in den Sitzungswochen im selben Haus wie Peter Hintze (Wirtschaftsstaatssekretär), Hermann Gröhe (Staatsminister im Kanzleramt) und Eckart von Klaeden (CDU-Schatzmeister). Er wirbelte in der "Pizza-Connection", die schwarz-grüne Bündnisse aus der Schmuddelecke holte. Und Röttgen mischte früher im Leichlinger Kreis liberaler Unionsleute mit. Am letzten Treffen im September hat er zwar nicht teilgenommen. Das alte Netzwerk aber steht. Inzwischen sammelt er selbst jüngere Führungsleute der Landtagsfraktionen um sich, um über die Zukunft der Union zu philosophieren.

Um die eigene Zukunft muss sich Röttgen wenig sorgen. Merkel wird ihm nach der Wahl, wenn Sie Mehrheit reicht, ein Ministeramt anbieten. Nur: Will er das, oder will er vielleicht Fraktionsvorsitzender werden? Während ihn viele Ältere mit kritischer Distanz beobachten, himmeln ihn jüngere Abgeordnete geradezu an. Doch der Typ, der versuchen würde, Amtsinhaber Volker Kauder wegzudrängen, ist Röttgen nicht. Er hat die Ruhe von einem, der warten kann - und gibt bis dahin weiter die lächelnde Sphinx an der Spree.
http://www.norbert-roettgen.de/content/view/358/1/
 
aus der Diskussion: Wetten Bundeskanzlerin Frau Merkel wird Ende 2009 Geschichte sein.
Autor (Datum des Eintrages): StellaLuna  (07.12.08 11:01:56)
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