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[posting]36162086[/posting]Rechthaben reicht nicht

Verärgert über das Scheitern seines BKA-Gesetzes, hat Innenminister Schäuble eine Veränderung der Abstimmungsregeln im Bundesrat gefordert. Statt der absoluten Mehrheit solle eine relative Mehrheit der Stimmen genügen, um ein Gesetz zu beschließen. Dass die Ländervertreter den Vorstoß empört zurückgewiesen haben, war zu erwarten. Es ist nicht besonders geschickt, aktuelle Schwierigkeiten der Mehrheitsfindung zu benutzen, um eine prinzipielle Reform anzumahnen. Dies ändert aber nichts daran, dass Schäubles Vorschlag auf einer zutreffenden Diagnose beruht.

Mit dem veränderten Abstimmungsmodus soll auf das Problem der Stimmenthaltungen reagiert werden. Diese wirken beim heutigen Verfahren mit absoluter Mehrheit wie ein Nein und können das Zustandekommen eines Beschlusses verhindern. Dass Enthaltungen im Bundesrat häufig auftreten, hat mit den "gemischten" Koalitionen zu tun. Bedingt durch die gewandelte Parteienlandschaft, stellen diese einen immer größeren Block.

Bleibt die Frage, ob sich die Vetomacht des Bundesrates mit dem Übergang zur relativen Mehrheit wirklich einschränken lässt? Wenn die Enthaltungen nicht mitgezählt werden, kommt es für ein positives Abstimmungsergebnis darauf an, dass die Jastimmen die Neinstimmen überwiegen. Dies würde bedeuten, dass das Regierungslager in der Länderkammer über mehr Stimmen verfügen müsste als die Opposition. Bei einer großen Koalition ist das automatisch der Fall. Kehrt die Bundesrepublik nach der kommenden Bundestagswahl zum Antagonismus der Volksparteien bei der Regierungsbildung zurück, ist es jedoch wahrscheinlich, dass die Opposition die relative Mehrheit gewinnt. Die Gesetze könnten dann sogar häufiger blockiert werden als unter den Regeln der absoluten Mehrheit.

Doch was sind die Alternativen? Lässt man weiter gehende Vorschläge wie die Abkehr vom Prinzip der einheitlichen Stimmabgabe außen vor, gibt es durchaus eine Möglichkeit, das durch die Enthaltungen entstehende Blockadeproblem zu beseitigen, nämlich die Umkehrung der Abstimmungsfrage. Würde man fragen, wer dem Gesetz die Zustimmung verweigert, wären die Enthaltungen faktische Prostimmen. Eine solche Lösung würde der Logik der Einspruchsgesetze folgen und zugleich einen Druck auf die "gemischten" Länder ausüben, sich auf ein Ja oder Nein zu den Gesetzen politisch zu verständigen, statt dem Automatismus der Enthaltung zu frönen. Gleichzeitig bliebe die Vetomöglichkeit der Länder gegen ungebührliche Übergriffe des Bundes in ihre Interessensphäre gewahrt.

Der Autor ist Professor für Politische Wissenschaft an der Universität Bonn

http://www.welt.de/welt_print/article2788519/Rechthaben-reic…
 
aus der Diskussion: Wetten Bundeskanzlerin Frau Merkel wird Ende 2009 Geschichte sein.
Autor (Datum des Eintrages): CaptainFutures  (07.12.08 15:14:23)
Beitrag: 154 von 234 (ID:36162116)
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