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Unternehmer auf der Flucht

Wirtschaftskrimi fesselt Dänemark

von Clemens Bomsdorf (Kopenhagen)

Hells-Angels-Leibwächter, schicke Jetset-Freunde, Nobelbüro und gefälschte Millionenumsätze: Das Doppelleben des dänischen Vorzeigeunternehmers Stein Bagger beschert Dänemark einen Wirtschaftskrimi.

Der Fall des Stein Bagger beginnt mit einem Hammer. Es ist ein Hammer im Wortsinn, der auf Baggers Vertrauten Allan Vestergaard am 24. November niedergeht. Unbekannte schlagen Vestergaard vor seinem Haus nieder. Danach kommt eine Kettenreaktion: Drei Tage später verschwindet Bagger in Dubai, und eine Durchsicht der Bilanzen seines Unternehmens IT Factory zeigt, dass der Chef und Großaktionär vermutlich jede Menge Scheingeschäfte gemacht hat. Geprellt hat Bagger dänische Banken, Prominente und natürlich seine Geschäftspartner.

Noch am Tag seines Verschwindens galt Bagger als Vorzeigeunternehmer. Am Abend des 27. November kürte die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Ernst & Young den Vorstandsvorsitzenden von IT Factory zum dänischen "Entrepreneur of the Year". Bagger und seine Firma wurden in Kopenhagen gefeiert, weil sie das Auf und Ab der IT-Branche so gut gemeistert hätten und ihren Umsatz von mehr als 100 Mio. Euro binnen eines Jahres mehr als verdoppeln werden. In Wirklichkeit waren große Teile des Umsatzes nur Pfusch, den Bagger inszeniert hatte. Ernst & Young war das ebenso wenig aufgefallen wie dem Aufsichtsrat mit Chefkontrolleur und Großaktionär Asger Jensby. Bagger, auch Mitglied des Gremiums, ließ sich nichts anmerken und war, als die Preisverleihung stattfand, schon auf der Flucht - über Dubai in die USA.

"Ich bin nur mal eben zur Telefonkonferenz", hatte er seiner Frau im Luxushotel in Dubai erzählt und sich alsbald zum Flughafen aufgemacht. Die kombinierte Urlaubs- und Arbeitsreise mit Freunden des dänischen Jetsets brach er klammheimlich ab. Dann galt er als verschwunden. Nicht einmal ein Rocker von den Hells Angels, der plötzlich auftauchte und sagte, er sei Baggers Sicherheitsberater, konnte sagen, wo der Gesuchte war. Samstag meldete Bagger sich bei der Polizei - in Los Angeles. Er war von Dubai nach New York geflogen und dann mit dem Audi eines Bekannten an die Westküste gefahren.

Während Bagger quer durch die USA reiste, durchkämmte man daheim in Dänemark seine Bücher. Das Verschwinden des Vorstandschefs und der vorherige Überfall auf einen engen Vertrauten müssten zusammenhängen, war die einhellige Meinung im Staate Dänemark. Dafür sprach, dass der Aufsichtsratschef von IT Factory erst von Vestergaards Existenz hörte, als der ihm am Telefon ankündigte, gemeinsam mit Bagger das Unternehmen übernehmen zu wollen. Ein dubioser Übernahmeversuch und ein verschwundener Chef - nun nahm sich Jensby vor, die Finanzen von IT Factory einmal genauer anzuschauen. Im noblen Unternehmenssitz nördlich von Kopenhagen sahen alle Papiere auf den ersten Blick in Ordnung aus. Fündig wurde man in einem zweiten, geheimen Büro. Dort standen reihenweise Ordner mit gefälschten Verträgen; viele der Kunden von IT Factory existierten demnach gar nicht.

Kurz darauf wurde IT Factory zahlungsunfähig erklärt, und der Ärger ging erst richtig los. Die Danske Bank muss vermutlich mehr als 50 Mio. Euro abschreiben und fürchtet um den ohnehin ramponierten Ruf. Das Kreditinstitut hat nicht nur IT Factory finanziert, sondern auch Bagger einen Privatkredit von fast 7 Mio. Euro gewährt. Ernst & Young zog beschämt den gerade erst an Bagger verliehenen Preis zurück. Radsportprofi Bjarne Riis muss sich einen neuen Sponsor suchen, und der Schauspieler Finn Nörbygard, der Anteile an IT Factory hielt, verlor über 10 Mio. Euro. Die Familie von Bagger kann sich das zunächst alles nicht erklären. Dann kommt sie aber doch mit einer Idee, die Bagger selbst übermittelt haben soll: Er sei erpresst und "in die Wirtschaftskriminalität gezwungen worden".
 
aus der Diskussion: Die neuen Siemens-Prüfer: Ernst &Young
Autor (Datum des Eintrages): lump60  (10.12.08 08:03:17)
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