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10.12.2008 21:16
Kommentar der Financial Times Deutschland zu US-Staatsanleihen - vorab 11.12.2008
DJ Kommentar der Financial Times Deutschland zu US-Staatsanleihen - vorab 11.12.2008


US-Staatsanleihen: Die letzte Zuflucht

Rein rationales Verhalten erwartet wohl kaum jemand mehr vom Markt.
Schließlich verhalten sich Anleger eher wie Lemminge, die dem Lauf der Herde
blind folgen - und sei es in den eigenen Untergang. Dass sie aber sogar in
Massen dazu bereit sind, den amerikanischen Staat dafür zu bezahlen, dass er
ihr Kapital nimmt, ist auf den ersten Blick schlicht verrückt.

Erklären lässt sich dies nur mit einer Kombination zweier Erwartungen:
erstens, dass den USA eine Deflation bevorsteht, also eine Abwärtsspirale
der Preise. Wenn Geld mit der Zeit an Wert zulegt, muss es nicht zwingend
gewinnbringend angelegt werden. Zweitens parken Anleger Kapital lieber in
einer Schuldverschreibung des Staates als auf dem Konto einer Bank - die
allen Rettungsschirmen zum Trotz pleitegehen könnte.

Letzteres ist eine vernichtende Botschaft für den Finanzsektor und für
US-Finanzminister Henry Paulson, dem die vertrauensbildenden Maßnahmen
ausgehen. Die Deflationserwartung hingegen muss die Realwirtschaft
alarmieren - bedeutet sie doch nichts anderes, als dass es sich nicht mehr
lohnt, heute zu investieren, da Anschaffungen billiger werden könnten. In
der Tat haben amerikanische Unternehmen schon jetzt größte Mühe, sich auf
dem Markt Kapital zu beschaffen. Während sich der Staat zum Nulltarif
finanziert, müssen Unternehmen zweistellige Zinsen auf ihre Anleihen
anbieten.

Dass sich die US-Regierung zu fantastisch günstigen Bedingungen verschulden
kann, könnte sich daher als Glück im Unglück erweisen. Es zeichnet sich ab,
dass der Staat nicht mehr nur als öEUR Lender of Last Resort', als Kreditgeber
der letzten Instanz, für Banken auftritt, sondern auch als öEUR Spender of
Last Resort' - als einziger Akteur, der in der Rezession noch investieren
kann und will. Damit aber hängt das Schicksal der US-Wirtschaft - und mit
ihm das der Weltwirtschaft - davon ab, ob das geplante Investitionsprogramm
der neuen Regierung im kommenden Jahr greift.

In der Hiobsbotschaft vom Anleihemarkt liegt - vorerst - noch eine zweite
gute Nachricht: Allen Vernunftgründen wie der rasant steigenden Verschuldung
der USA zum Trotz funktioniert bei Anlegern offenbar noch immer ein alter
Reflex: In Zeiten der Unsicherheit sucht das Geld Zuflucht beim Dollar.
Rational ist das nicht. Aber für die globale Stabilität immer noch besser
als ein Zusammenbruch der US-Währung.

Christian Schütte - 030/22074161

(END) Dow Jones Newswires

December 10, 2008 14:15 ET (19:15 GMT)
 
aus der Diskussion: Tages-Trading-Chancen am Mittwoch 10.12.2008
Autor (Datum des Eintrages): kaju66  (10.12.08 21:23:34)
Beitrag: 642 von 682 (ID:36183507)
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