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Zweimal Staatsbankrott in Deutschland

In Deutschland hatten wir ihn in diesem Jahrhundert schon zweimal, und jedesmal verbunden mit sozialen Katastrophen: Im Gefolge des Ersten Weltkriegs die Inflation von 1923, und nach dem Zweiten Weltkrieg der Zusammenbruch der Währung 1948. Beide Male hatte die Währung den an sie gestellten Anspruch - nämlich zu währen, d. h. ihre Kaufkraft zu bewahren - eingebüßt.


Auf dem Höhepunkt der Inflation 1923 konnte man für 1 Billion Mark gerade mal noch ein Brot kaufen, in so astronomische Höhen waren die Preise gestiegen. Bis im November 1923 eine Währungsreform stattfand und die alte Währung im Verhältnis 1 Billion : 1 in die neue »Rentenmark« umgerechnet und umgewechselt wurde. Von dieser Umrechnung waren alle Geldgrößen betroffen, Geldvermögen ebenso wie Schulden, auch Staatsschulden, die der Staat u. a. zur Finanzierung des Ersten Weltkriegs aufgenommen hatte. Durch die große Inflation und anschließende Währungsreform hat sich demnach der Staat auf "elegante" Art, aber mit dramatischen Folgen, seiner gigantischen Staatsschulden entledigt, im wahren Sinne des Wortes »für'n Appel und 'n Ei« - denn mehr waren die Staatsschulden und ihre Rückzahlung nicht mehr wert.

Die Inflation hatte die Forderungen derjenigen, die dem Staat freiwillig oder per Zwangsanleihe Geld geliehen hatten, aufgefressen. Die Leidtragenden waren die Inhalber von Sparguthaben, von Lebensversicherungen und anderen Geldvermögen, deren Kaufkraft praktisch auf Null zusammengeschrumpft waren; und die Gewinner waren die Schuldner und die Eigentümer von Realvermögen (Boden, Mietshäuser, Fabriken oder andere Wertgegenstände), die all dies unbeschadet über die Inflation hinüberretten konnten. Und wer vor der Inflation über große Geldvermögen verfügte, war früh genug in Sachwerte umgestiegen, im Unterschied zu den kleinen Sparern und Lebensversicherten, denen derartige Möglichkeiten verbaut waren.

Der verdeckte Staatsbankrott, abgewickelt über die galoppierende Inflation, ging mit einer dramatischen Umverteilung einher, deren Opfer insbesondere das Kleinbürgertum war. Seine Existenzgrundlagen wurden in einer Welle von faktischen Enteignungen zerstört, während das große Kapital davon profitierte. Daß zunächst vor allem das Kleinbürgertum in der Weimarer Republik anfällig für faschistische Ideologie war, lag auch in dessen ökonomischem Absturz und in seiner dadurch verursachten Identitätskrise begründet.

Unter der Herrschaft des Nationalsozialismus wurde der sich erneut anbahnende Staatsbankrott auf andere Weise verschleiert. Die über Geldschöpfung »finanzierten« gigantischen Rüstungsprogramme trugen zunächst zu einer »Belebung der Wirtschaft« bei (welche Sprachverwirrung!). Unter marktwirtschaftlichen Bedingungen wäre die Folge eines wachsenden Nachfrageüberhangs - nach Auslastung der Produktionskapazitäten - eine Inflation gewesen; und unter demokratischen Verhältnissen hätten die Gewerkschaften um einen Inflationsausgleich gekämpft. Beides fand unter der Gewaltherrschaft des Nationalsozialismus nicht statt: Die Gewerkschaften wurden zerschlagen, und der Wirtschaft wurde ein Lohn- und Preisstop aufgezwungen. Dadurch kam die Inflation nicht an die Oberfläche, sondern- blieb "zurückgestaut« und brach erst durch, nachdem die nationalsozialistische Gewaltherrschaft zusammengebrochen war - nach dem Zweiten Weltkrieg.

Hier erst wurde mit einiger Verzögerung offensichtlich, daß die Währung nichts mehr wert war. Die Konsequenz davon war die Währungsreform 1948, bei der eine Umstellung der alten Reichsmark auf die neue D-Mark in den drei westlichen Besatzungszonen im Verhältnis 10: 1 (zum Teil 6,5: 1) erfolgte. Und wiederum waren Geldvermögen und Schulden gleichermaßen entwertet, zum Nachteil der Inhaber von Geldvermögen und zum Vorteil der Schuldner. Der Staat hatte sich zum zweiten Mal durch Bankrott aus seinen Schulden herausgestohlen, hatte sich durch den Zusammenbruch der Währung entschuldet - aber mit keinem Wort bei den Geschädigten dafür entschuldigt, geschweige denn sie dafür entschädigt.

So ist es eben bei einem Bankrott: Der eine kommt seinen Verpflichtungen nicht mehr nach, und andere haben davon ihren Schaden und müssen auf die Einlösung ihrer Forderungen ganz oder teilweise verzichten. Und wenn es nicht ganz so schlimm kommt, können sie sich noch aus einem Teil der Konkursmasse bedienen. Aber was ist denn eigentlich die Konkursmasse des Staates, wenn er bankrott macht? Und wird der Laden danach wirklich dicht gemacht, wie beim Konkurs eine Privatunternehmens? Irgendwie scheint es doch Unterschiede zu geben zwischen dem Bankrott eines Privatunternehmens und einem Staatsbankrott. Aber worin liegen sie, und worin sind sie begründet? Und was zum Teufel hat die Staaten immer wieder in den Bankrott getrieben, und wird sie vielleicht auch künftig dahin treiben?

http://userpage.fu-berlin.de/~roehrigw/bankrott.html
 
aus der Diskussion: Der Weg in den Staatsbankrott
Autor (Datum des Eintrages): Marchella  (04.01.09 20:06:21)
Beitrag: 19 von 90 (ID:36301648)
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