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Spanien droht zu straucheln
Von Daniel Eckert 14. Januar 2009, 01:52 Uhr Welt Online

Staatsanleihen schwacher EU-Staaten verlieren stark gegenüber Bundesanleihen - Höchste Zinsaufschläge seit Gründung der Währungsunion

Berlin - Nicht genug der Hiobsbotschaften über Börsencrashs, Arbeitsplatzverluste und schwindende Firmengewinne. Jetzt beginnt es auch noch im Gebälk der Europäischen Währungsunion bedenklich zu knirschen. Auslöser sind Meldungen, wonach die Ratingagentur Standard & Poor's erwägt, die Bonitätseinstufung für einige Euro-Staaten, darunter das frühere EU-Musterland Spanien, herabzusetzen. Sollte es dazu kommen, wäre das mehr als ein Prestigeverlust für die Euro-Zone.

Eine Herabstufung würde die Finanzierung für die betroffenen Länder verteuern - und damit ökonomisch und politisch Rückwirkungen auf den Rest der Gemeinschaft haben. In Zeiten der Finanzkrise, in der die Regierungen der globalen Rezession mit groß angelegten kreditfinanzierten Konjunkturprogrammen entgegenwirken, drohen ernste Folgen für die öffentlichen Haushalte. "Je nachdem, wie stark die möglichen Herabstufungen ausfallen, kann das gefährlich für die Währungsunion werden", sagt Erwin Grandinger, Politikanalyst und Partner bei der EPM Group Berlin.

Die Devisenmärkte haben bereits reagiert. Der Euro verlor am Dienstag auch aufgrund der Ratingspekulationen ein Prozent an Wert und notierte am späten Nachmittag bei rund 1,32 Dollar. Das war der niedrigste Stand seit einem Monat.

Nach eigenen Angaben wird die Ratingagentur Standard & Poor's vermutlich noch diesen Monat entscheiden, ob sie die Kreditwürdigkeit des Euro-Landes Spanien wegen der "beträchtlichen Probleme" im Immobilien- und Finanzsektor schlechter benotet. Bisher genießt das ehedem vor Dynamik strotzende Mittelmeerland die höchstmögliche Note AAA (gesprochen Dreifach-A oder englisch Triple-A). Vergangene Woche hatte Standard & Poor's bereits gewarnt, dass die Ratings von Griechenland und Irland heruntergesetzt werden könnten. Auch die Bonitätseinstufungen von Portugal und Italien gelten unter Experten als gefährdet.

"Ein niedrigeres Rating würde die Kreditaufnahme für diese Länder verteuern, signalisiert die verminderte Einschätzung doch dem Kapitalmarkt, dass die Gefahr eines Zahlungsausfalls rechnerisch zugenommen hat", erklärt Birgit Figge, Rentenexpertin bei der DZ Bank. Für dieses höhere Ausfallrisiko verlangen Investoren einen Zinsaufschlag, auch Spread genannt.

Dieser Risikoaufschlag gibt an, wie viel Zins ein Emittent mehr bieten muss, um Bond-Halter für die höhere Ausfallwahrscheinlichkeit zu entschädigen. In Europa dienen die Staatsanleihen der Bundesrepublik Deutschland als Messlatte (fachsprachlich Benchmark), da sie das mit Abstand größte Marktvolumen aufweisen.

Aktuell liegt der Risikoaufschlag zehnjähriger spanischer Staatsanleihen gegenüber Bundesanleihen gleicher Laufzeit bei rund 100 Basispunkten, also einem Prozentpunkt. Nimmt das Königreich Spanien am Kapitalmarkt zehn Mrd. Euro an Kredit auf, muss es im Jahr also einen Prozentpunkt mehr für Zinsen aufwenden als Deutschland, nämlich 100 Mio. Euro. Über die gesamte Laufzeit betragen die Mehraufwendungen eine Mrd. Euro.

Damit driften die Länder der Euro-Zone finanziell wieder auseinander. "Seit Mitte der Neunzigerjahre waren die Zinsspreads Italiens, Spaniens und anderer Staaten als Vorgriff auf die Mitgliedschaft in der Währungsunion stark kontrahiert", sagt Grandinger, "nun könnte der Markt abrupt das Gegenteil einpreisen." Tatsächlich befinden sich Renditeunterschiede zwischen Bundesanleihen und den Bonds vieler anderer Staaten inzwischen auf Rekordniveau. Noch nie seit der Euro-Einführung 1999 mussten die Regierungen Portugals, Frankreichs, Belgiens, Griechenlands, Spaniens und Hollands Anlegern so viel Mehrzins bieten wie derzeit.

Händler erklären dies mit der Flucht der Akteure in die Sicherheit. "Die Investoren schichten ihr Geld in jene Papiere um, die am sichersten und am liquidesten erscheinen, und das sind in Europa eindeutig die der Bundesrepublik", sagt Figge. Verblüffend sei jedoch das Tempo, mit dem sich das Feld differenziere. Zehnjährige griechische Staatstitel müssen derzeit 2,41 Prozentpunkte (241 Basispunkte) mehr abwerfen als zehnjährige Bundesanleihen. Noch vor einem Jahr lag die Risikoprämie bei gerade einmal 36 Basispunkten. Im Falle Irlands hat sich der Spread auf 162 Basispunkte fast verneunfacht.

Bemerkenswert ist für Beobachter auch, dass für französische Staatsanleihen inzwischen eine Risikoprämie von 52 Basispunkten gezahlt werden muss. Schließlich ist Frankreich nach Deutschland die zweitgrößte Volkswirtschaft des Kontinents und steht längst nicht in jeder Hinsicht schlechter da als der östliche Nachbar. So sehen Marktkenner die gesamte Entwicklung denn nicht unbedingt als Beweis deutscher Finanzkraft, sondern eher als Versinnbildlichung des Spruchs: "Unter den Blinden ist der Einäugige König." Manche Analytiker reden bereits von einer Staatsanleihen-Bubble, also einer eklatanten Überbewertung von Regierungstiteln, die angesichts des internationalen Verschuldungswettlaufs im Krach enden muss.
 
aus der Diskussion: Der Weg in den Staatsbankrott
Autor (Datum des Eintrages): Bre-X  (14.01.09 20:09:17)
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