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[posting]36301092[/posting]WER ist eigentlich in der Krise?

kontroverser Text aus aktuellem Anlaß

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Die Krise des Kapitals


Schon wenn das Kapital nicht in der Krise ist, sondern sich nach allen Regeln der Kunst vergrößert, haben gewöhnliche Leute nichts zu lachen. Sie bezahlen den Erfolg der Geschäftemacherei mit ihrer Plackerei, mit Niedriglöhnen und fortwährender Existenzunsicherheit. Und jetzt gilt es auch noch, den Misserfolg der Geschäftemacherei auszulöffeln.

Nach Jahren des weltweiten Wachstums, immer tolleren Umsatz- und Gewinnrekorden seiner großen Unternehmen und gewaltigen Vermögenszunahmen bei Banken und Großinvestoren an den internationalen Kapitalmärkten steckt das kapitalistische System in seiner bisher tiefsten Krise. Obwohl diese Megakrise mit ihrer weltweiten Vernichtung von Reichtum aller Art in bisher ungeahnten Dimensionen kein besonders schlagkräftiges Argument für Funktionstüchtigkeit und Effizienz ist (an anderen Qualitätskriterien lässt sich dieses System sowieso nicht messen!), herrscht keine Wegschmeiß-Stimmung. Anders als beim einstigen Systemgegner aus dem Osten beweist dieser Fall von Nicht-Funktionieren den Meinungsführern der bürgerlichen Öffentlichkeit keineswegs die Untauglichkeit „unseres“ Systems. Dass das Kapital in der Krise steckt und alle Welt dafür büßen lässt, spricht nicht dafür, den Kapitalismus auf den Misthaufen der Geschichte zu werfen, sondern umso entschiedener für seine Rettung. Entweder wird so getan, als habe diese Krise eigentlich gar nichts mit dem System zu tun: Ganz sicher sind unnötige „Fehler“ gemacht worden, wurden die eigentlich guten und Erfolg versprechenden Geschäftsprinzipien mit Füßen getreten. Oder aber man geht sogar so weit, diese Krise als „ganz normale Korrektur von Fehlentwicklungen“ zu besprechen und von „Selbstreinigungskräften“ des Kapitalismus zu schwärmen.

Unsere Empfehlung: Man sollte diese Krise als ein weiteres Lehrstück nehmen, das über die Eigentümlichkeiten des kapitalistischen Systems Aufschluss gibt. Fürs Erste bieten sich einige Fragen an:

Welche Phänomene gelten überhaupt als Krise? Was steckt eigentlich jetzt in der Krise und hat demzufolge bislang gut funktioniert? Warum will der Staat die Banken unbedingt retten und auch anderen großen Unternehmen helfen? Welche Rolle ist für die Massen vorgesehen – bei der Rettung des Kapitalismus vor seiner Krise?


Im Folgenden ein paar Hinweise dazu. Ansonsten helfen vielleicht die anderen Artikel weiter, die wir auf dieser marxistischen Website nach und nach anbieten.




1. Was im kapitalistischen System alles keine Krise darstellt, sondern als Normalzustand durchgeht


Recht aufschlußreich ist, welche Trostlosigkeiten, die zum Kapitalismus dazu gehören, keine „Krise“ abgeben.


- Die Krise besteht nicht in Millionen Hungerleidern, die es bereits gab, als die Geschäftsleute dieser Welt mit sich noch zufrieden waren.
- Sie besteht nicht in den Kriegen und Konflikten konkurrierender Nationalstaaten um ökonomische und politische Einflusssphären.
- Sie besteht nicht in der Verwüstung der natürlichen Lebensgrundlagen, die die allgemein betränte, aber offenbar unvermeidliche Folge des Wachstums des Geldes der Besitzenden ist.
- Sie besteht nicht in der Ausbeutung der abhängig Beschäftigten rund um den Globus, die in Konkurrenz zueinander immer mehr Arbeit für immer weniger Geld abzuliefern haben.

Man kann hier viel lernen über die herrschenden Zwecke, also die in diesem System – jenseits der Ideologie – gültigen Erfolgskriterien … Die genannten Schädigungen sind keine zufälligen Ausrutscher, sondern gehören notwendig zu diesem System – als Mittel und Begleiterscheinung davon, dass Geschäftemacher und Staatsgewalten die Springquellen des Reichtums auf dem gesamten Globus für sich mobilisieren. Der globale Kapitalismus produziert haufenweise „Dauerkrisen“ für die Menschheit – doch damit ist die Krise, welche die Herrschenden dieser Welt jetzt ausrufen und an der sie so bitter leiden, nicht zu verwechseln.




2. Krise herrscht dann, wenn der Zweck des kapitalistischen Systems, aus Geld mehr Geld zu machen, nicht aufgeht



Die ganze Welt ist heute Mittel kapitalistischer Geschäftemacherei. Kein Mensch, keine Region dieser Erde kommt dem aus. Ob jemand an seinen Lebensunterhalt kommt oder nicht, was das dann für ein Leben ist und wie die dafür zu erbringende Leistung aussieht, all das hängt davon ab, ob irgendein Investor damit reich werden kann. Darüber scheiden sich die Menschen und Landstriche in arm und weniger arm. Und die Geschäftemacher und die davon mitprofitierenden Staaten in weniger reich und sehr reich. Fast schon regelmäßig wird auf diese Weise immer mal wieder so viel Reichtum erzeugt, dass er für eine weitere Reichtumsvermehrung nicht mehr verwendbar ist: Dann herrscht Krise und Reichtum wird vernichtet, Kapital in allen Formen entwertet (Waren, Produktionsanlagen, Geldvermögen). Ein absurder, aber typischer Widerspruch des kapitalistischen Systems. Diesmal ging die Überproduktion von Reichtum im finanzkapitalistischen Überbau los. Dort wurde so viel Geldvermögen aufgehäuft – in Form von Wertpapieren und Kreditversprechen aller Art –, dass sich die Spekulation auf immer mehr Wertschöpfung gegen sich selbst richtete: Milliardenwerte wurden „verbrannt“. Wenn die Finanzspekulationen der Banken und Börsen misslingen, steckt auch der Rest der Wirtschaft, der den Kredit der Banken für das eigene Geschäft braucht, in der Krise. Damit stockt ganz allgemein die Geschäftemacherei, weil der ökonomische Zweck nicht mehr aufgeht, für den überhaupt nur produziert und gearbeitet wird: Aus Geld mehr Geld zu machen. Dann liegt der ganze Laden lahm! Die Kapitalisten exekutieren die schlichte ökonomische Wahrheit: Die Welt ist nur soviel wert, wie sie zu ihrer Bereicherung taugt. Aller materielle Reichtum wird nur produziert, das ökonomische Leben von Gesellschaften nur insoweit aufrecht erhalten, wie Gewinne zustandekommen und Zinsen bezahlt werden können.





3. Der Staat hilft den Banken und anderen, um die Herrschaft des Geldes aufrecht zu erhalten



Im Herbst 2008 spitzt sich die Krise der Finanzkapitalisten aller Länder dramatisch zu. Bevor sie um Hilfe rufen können, bekommen sie sie. Rund um den Globus reagieren die Staaten. In Windeseile mobilisieren sie Gelder und Kredite in bisher nicht bekannten Größenordnungen, um das Finanzsystem und damit die gesamte Wirtschaft vor dem Zusammenbruch zu retten. Ohne die Geld- und Kreditzirkulation, die die Banken betreiben, solange sie damit Geld verdienen, geht im Kapitalismus nichts. Also tun die Regierungen alles ihnen Mögliche, um die Banken zu stützen, ihre faulen Kredite aufzukaufen, ihnen sonstige Finanzspritzen zu geben oder mit Staatsbürgschaften Kreditwürdigkeit zu verleihen, die sie sonst gar nicht mehr hätten. Ziel all dieser Hilfen ist es, ihnen genau die Geschäfte wieder zu ermöglichen, die die jetzige Krise erzeugt haben.
Dabei entsorgen die Macher einige Ideologien über das staatliche Handeln: Von wegen, der Staat müsse sich aus der Wirtschaft heraushalten! Von wegen, die staatlichen Kassen seien leer und weitere Verschuldung unmöglich! Der Staat stellt klar, wofür er bereit ist, seine eigene Kreditwürdigkeit bis zum Anschlag zu strapazieren: Zur Rettung des Finanzsystems, damit dieses seine Dienste für das Wachstum der nationalen Wirtschaft wieder erbringen kann. Weil es darum geht, die Herrschaft des Geldes über das ökonomische Leben der Gesellschaft aufrecht zu erhalten, steht für die Regierungen fest: Ihre Rettungsaktionen sind alternativlos. Sämtliche staatlichen Zwecke und Vorhaben haben sich unterzuordnen; die Lebensinteressen der abhängigen Menschheit sowieso.

Im Frühjahr 2009 geht der Aktivismus der Staatsmacher dann immer weiter. Weil alle Branchen, angefangen mit dem Automobilsektor, in den krisenhaften Absturz hineinverwickelt werden, muss jeder Staat Konjunkturpakete auflegen, mit denen per Staatsverschuldung Umsätze erzeugt werden, die den Absturz abbremsen sollen.





4. Die Massen dürfen für die Rettung des Kapitalismus vor seiner Katastrophe umso mehr die Daumen drücken, je mehr sie in der Krise die Härte des Systems zu spüren bekommen

Dass all diejenigen Opfer für die Überwindung der Krise zu bringen haben, die auch schon bei guter Konjunktur die Manövriermasse dieser Wirtschaftsweise sind, braucht nicht zu verwundern: Ob als Arbeitsplatzbesitzer oder Rentner, Arbeitsloser oder Sparer usw. – die lohnabhängige Klasse wird auf höhere Kosten, geringere Löhne und Renten, Arbeitslosigkeit und schrumpfende Ersparnisse eingestimmt.

Die daraus folgenden Sorgen hat der kleine Mann wie auch sonst immer ganz privat zu bewältigen: sich auf schlechtere Zeiten einstellen und sich einteilen. Das heißt nicht, dass deswegen bloß Schnauzehalten und Passivität angesagt sind. Gemeckert werden darf umso mehr – auf „profitgierige Manager“ ebenso wie auf die „Nieten in Nadelstreifen“. Den Anspruch auf ein gerechtes Beschwerdewesen haben sich die Opfer des Systems allemal verdient, wie ihnen täglich von BILD und anderen Medien versichert wird. Nicht nur, dass diese Art Kritik einen erfolgreichen Unternehmer umso ehrenwerter dastehen lässt. Vor allem ist diese untertänige Moserei eine ideale Steilvorlage für die wirklich Zuständigen, die Politiker. Für die ist das eine einzige Vertrauenserklärung: Alles in die Hände kluger Staatslenker, die auf die Kapitalisten dieser Welt derart aufpassen, dass diese auch wirklich nur noch erfolgreich wirtschaften und reicher werden! Alle Macht für Merkel und Co, damit sie die Krise in den Griff kriegen!

Gegen diese Einseiferei sollte man sich verwahren. Und sich Rechenschaft ablegen über das System, in dem wir leben müssen. Wer sich Klarheit verschafft darüber, wie Kapitalismus funktioniert – vor der Krise, in der Krise, nach der Krise –, der weiß übrigens auch die Alternative.

Konjunkturpaket II: Krisenhilfe als Wohltat und Kampfprogramm PDF Drucken E-Mail

„Seit 73 Jahren hat die 33. Grundschule in Berlin-Pankow keine Turnhalle. Doch das soll sich jetzt ändern. Denn der Bezirk will beim Senat drei Millionen Euro für die Halle in Französisch Buchholz aus Mitteln des Konjunkturprogramms II beantragen. Die Halle soll 2011 in Betrieb gehen.“ (Presse- und Informationsamt der Bundesregierung)

Na, da dürfen sich die Kleinen in Pankow aber freuen, und das schon 2011! Was gleich drei politische Systeme in Deutschland nicht zustande gebracht haben, die Krise kriegt’s hin. Allein an dieser Ungereimtheit könnte man merken, dass da irgendwas nicht zusammenpasst. Die Krise ist die Krise, ein Konjunkturprogramm ist ein Konjunkturprogramm und eine Schule ist eine Schule. Und entweder sind halbwegs ausgestattete Schulen ein anerkannter und gültiger Zweck in einem Land oder sie sind keiner. Wenn nun aber, wie hier beispielhaft zitiert, dem Nachrichten lesenden und hörenden Mitmenschen das Maßnahmebündel des Konjunkturprogramms II wie ein großes Care-Paket für das Gute und Schöne dargeboten wird, dann stellt das eine gedankliche Zumutung eigener Art dar – den Mangel nicht als Kritik sondern als Chance für einen nationalen Aufbruch zu denken. Den freilich nur für’s Gute, versteht sich. Das beweisen ja schon die lieben Kleinen in Pankow und anderswo.

„In den Gemeinden, den Städten und Ländern gibt es insgesamt viel Sanierungsbedarf. Schlechte Ausstattung ... Reparatur- und Investitionsstau ...“ (Presse- und Informationsamt der Bundesregierung)

Im ganzen Land sollen also tatsächlich demnächst in öffentlichen Gebäuden Dächer abgedichtet und der Schimmelpilz beseitigt werden. Es ist schon bemerkenswert, mit welcher Unverfrorenheit die Regierung neuerdings selbst mit Zuständen für sich Reklame macht, die zwar schon immer Stoff für folgenlose Nörgeleien am Stammtisch oder im Lehrerzimmer waren, aber wirklich ernst genommen durchaus wuchtig sind:

– Die deutschen Schulen und Hochschulen, ein Haufen von Bruchbuden – man frage sich nur probehalber kurz, was Frau Schavan noch vor wenigen Monaten zu einer solchen These gesagt hätte.

– Der deutsche private Fahrzeugpark, ein Haufen von altersschwachen, schrottreifen Rostlauben? Das hätte vor der Erfindung der regierungsamtlichen Abwrackprämie zumindest als maßlose Übertreibung gegolten.

– Die Infrastruktur, die Straßen, der Nahverkehr: alles marode, verrottet und heruntergekommen. Das alles sagt heute die Regierung selbst und kein Systemkritiker. Das ist interessant.



Verlogene Selbstkritik von oben

Man könnte sich ja auch glatt fragen, welche Prinzipien, welches System und welche Typen denn eigentlich die letzten rund 60 Jahre hierzulande geherrscht haben – wenn denn die Kritik von oben wirklich so gemeint wäre. Schon der ganze Gestus ist verräterisch, wenn eine Selbstkritik als Kampfprogramm daherkommt. Da will nämlich niemand etwas anderes machen, sondern alle das Gleiche wie bisher, nur eben „noch“ besser und erfolgreicher.

Der Erfolg der Wirtschaftsnation Deutschland ist so sehr Zweck und Maß aller jetzt in die Wege geleiteten Staatsprogramme, dass es nicht oft genug betont und völlig begriffslos identisch gesetzt werden kann:

„So trägt die Konjunkturkrise dazu bei, einem der wichtigsten Ziele der Reformpolitik der letzten Jahre schnell näher zu kommen, der Bildungsrepublik. Schließlich ist das Wissen in den Köpfen der Bevölkerung unser wichtigster Rohstoff. ... Autokauf fördern – Technologieführerschaft sichern ...“ (Presse- und Informationsamt der Bundesregierung)

So gesehen, hätte man die Krise glatt erfinden müssen, wenn es sie nicht schon gäbe. Aber auch wenn man solche Extrem-Verdrehungen der Berliner Propagandamaschine auf ideologisches Normalmaß herunterfiltert, bleibt übrig: Krise bestätigt Richtigkeit der gemachten Politik.



Der politische Wille zum kapitalistischen Erfolg

Es sei einmal dahingestellt, was Kindergärten und Grundschulen, Straßen, Jahreswagen, Katasterämter, historische Stadtarchive, Lärmschutzwände usw. im Einzelnen zur Bilanz einer kapitalistischen Nation beitragen. Das wissen die Regierenden auch nicht so genau, müssen sie auch nicht. Was sie aber „wissen“, ist ein knallharter Anspruch: Alles, was im Rahmen des Konjunkturpakets gefördert wird, ja alles auf der Welt überhaupt, hat erstens unbedingt zu diesem Erfolg beizutragen und zweitens seine Daseinsberechtigung allein darin. Bildung und Autokaufen zum Beispiel sind für deutsche „Technologieführerschaft“ da, sonst kennt der Staat keinen Grund dafür. Das ist zur Abwechslung mal wirklich eine ehrliche Auskunft.

Und von brutaler Logik ist sie auch. Wenn alles in diesem Land „der Konjunktur“ nützen muss, dann nützen eben alle Fördermaßnahmen automatisch diesem Zweck. Eine Turnhalle in Berlin? Hebt den Umsatz des Gebäudehandwerks. Mikro-Kredite für Hartz IV-Leute? Sorgt für Wachstum und entlastet das Sozialbudget. Eine Ortsumgehung in Sachsen-Anhalt? Hilft aus der Krise und ist gut für die Umwelt. Hier wird der politische Wille per Beschluss zur Produktivkraft gemacht – mit der gleichen Gesinnung kann man auch Staudämme und Autobahnen bauen lassen oder einfach irgendwo Löcher buddeln, wie es ein berühmter Wirtschaftswissenschaftler des vergangenen Jahrhunderts mal ausgedrückt hat, ohne das als Kritik zu verstehen.

Daran, dass alle im Paket gebündelten Maßnahmen der Wirtschaft dienen sollen und nicht zur Volksbeglückung erdacht worden sind, gibt es also einerseits wenig zu enthüllen. Andererseits hindert dieser Umstand aber anscheinend auch niemanden daran, die permanente Beschwörung einer Art nationaler Kampf- und Schicksalsgemeinschaft in der Krise für normal und selbstverständlich zu halten. Nehmen wir zum Beispiel folgende Parole:


„Stärker aus der Krise hervorgehen!“

Wie ist denn das zu verstehen? Hat jemand die Krise bestellt, damit „wir“ Deutschen gestärkt aus diesem Stahlbad steigen? Worauf genau bezieht sich die Vergleichsform „stärker“ eigentlich? Stärker als vor der Krise? Im normalen Leben würde man jemanden, der erst (sagen wir:) eine Billion vernichtet, um dann besser/reicher/stärker zu sein, für nicht ganz bei Trost halten. Doch jedenfalls können sich nach dieser Lesart die, die Pleite gehen oder arbeitslos werden, zumindest einbilden, einen nationalen Dienst geleistet zu haben.

Stärker als andere? Da kommen wir der Sache schon näher. Interessanterweise sagen nämlich diesen (An-)Spruch, stärker werden zu wollen, im Moment unisono alle auf: Obama, Sarko, Merkel, Brown, Medwedjew, Hu ... Das scheint allen also besonders wichtig zu sein. Sie sehen die Krise als Gelegenheit, in der Staatenkonkurrenz die Oberhand zu gewinnen oder wenigstens wichtige Punkte zu machen.

Das ist eine eigentümliche Sichtweise, die voraussetzt, dass die Gleichung von Konkurrenzerfolg und Nutzen aufgeht. Für Nationen, ihre Politiker und Geschäftsleute trifft das in der Regel zu. Für den Rest der Menschheit gibt es eigentlich wenig Grund, sie mitzumachen. Leider ist dem aber nicht so. Denn die einzige Frage, die die Leute offenbar beim staatlichen Anti-Krisenprogramm beschäftigt, ist: Funktioniert es denn auch, hat es Erfolg?



Das Volksgemurmel: Sorgen ums Gelingen des Programms und eigene Sorgen ganz anderer Art

„Reichen 30, 50, 60 Mrd. denn überhaupt aus?“

Ernst gemeint, wäre das eine ziemlich blöde Frage, weil die Antwort ja schon vorher feststeht: Das muss man halt abwarten. Aber als Solidaritätsadresse an Merkel & Co. taugt der Gedanke schon: Hauptsache, „es” hat Erfolg. Wer? Was? Wozu? Alle denkbaren rationalen Überlegungen wie „Was nützt mir das, was habe ich davon?” sind in der Sorge ums Gelingen ausgelöscht.

„Andere Staaten geben viel mehr zur Krisenbekämpfung aus.“

Ja, und? Was gehen die Maßnahmen anderer Staaten den normalen Menschen an? Zum Erkenntnisgewinn der zitierten Sorge, siehe Frage 1. Sich aber jetzt auch noch zum Regierungsberater und Anwalt des Standorts D in der internationalen Staatenkonkurrenz aufzuschwingen, hat etwas doppelt Verrücktes.

„Strohfeuer, Einmaleffekte ...“

Ja, darüber lässt sich trefflich streiten. Aber auch das sollte man besser den Wirtschaftwissenschaftlern überlassen, die der Staat eigens dafür bezahlt.

„Welche Formulare muss ich für die Abwrackprämie ausfüllen?“

Jetzt sind wir, sozusagen nur eine Zeitungsseite weiter, in der Beratungsecke, wo BILD, WAZ usw. sachkundig bedienen. Es ist schon merkwürdig: Der gleiche Leser, der sich eben noch als krisen-konjunkturtechnischer Besserwisser und ideeller Gesamtkanzler fühlen durfte, steht nun als Bittsteller vorm Amt. Sicher, wann bekommt man schon einmal 2500 Euro geschenkt? Aber dafür gleich noch das Denken mit abstellen?


Quelle: http://www.vonmarxlernen.de/index.php/texte/97-edi torial-20.html
 
aus der Diskussion: Der Weg in den Staatsbankrott
Autor (Datum des Eintrages): umkehrformation  (17.03.09 02:55:57)
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