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Quelle: FTD.de

König Inhalt gebietet im Web - aber wer zahlt?
T-Onlines Plan gebührenpflichtiger Inhalte ist unausgereift

Von Dirk Kunde content-one.de 11:20 MEZ Jun 6, 2001

HAMBURG (FTMW.DE) -- Die Deutsche Telekom [DE:555750] bleibt unter Druck: Angst vor dem Aktienrücklauf der VoiceStream-Inhaber aus den USA, weiterer Kursverfall, drückende Schuldenlast. Als ob das nicht genug wäre, kommen noch die Sorgen bei den Töchtern dazu. So hat Telekom-Chef Ron Sommer derzeit wenig Freude an T-Online [DE:555770]. Europas größter Internet-Provider wird frühestens 2003 ein operatives Plus schreiben. Der Verlauf des Aktienkurses zeigt genauso in Richtung Süden wie bei der Mutter.

Vor Kurzem kündigte T-Online-Chef Thomas Holtrop an, künftig nicht mehr nur mit dem Internet-Zugang Geld verdienen zu wollen, sondern auch für bestimmte Inhalte Gebühren zu verlangen. Was für eine glorreiche Idee. Getreu dem Motto der New Economy: "Content is king". Allerdings fehlt T-Online bislang ein Königsmacher. Es reichte lediglich zu einem Gemeinschaftsunternehmen mit dem Springer-Verlag und einer Kooperation mit dem ZDF. Aber das kann Holtrop nicht gemeint haben. Warum sollte ein T-Online-Kunde für Inhalte des ZDF oder eines Springer-Blatts im Internet bezahlen, wenn er das gleiche anderswo günstiger haben kann?

Auf der Suche nach einem Königsmacher

Vielleicht ist Holtrop auf andere Inhalte-Anbieter aus. Die Gelegenheit dafür wäre günstig. In der vergangenen Woche erlebten etliche Medienwerte eine deutliche Korrektur nach unten. Von Brainpool [DE:518890] über Intertainment [DE:622368] bis hin zu Splendid Medien [DE:727950] hagelte es schlechte Nachrichten. Auch die Kurse der Tomorrow Internet AG [DE:541460] oder von Focus Digital [DE:549532] tendieren nach unten. Dabei haben sie alle, was Internet-Dienstleister so dringend brauchen: Inhalte, Inhalte, Inhalte. Trotzdem dürften die Schwierigkeiten dieser Unternehmen in den kommenden Wochen anhalten. In einem Punkt nämlich haben sich die Königsmacher und ihre Anhänger bisher ganz gewaltig geirrt: Inhalte mögen zwar die Könige des Internets sein, doch niemand will für die Monarchie bezahlen.

Für das Scheitern der kostenpflichtigen Informationen gibt es zwei Gründe. Zum einen wurden die Web-Surfer seit Geburt des kommerziellen Internets so erzogen, dass Inhalte gratis sind. An diesem Zustand wird sich nicht viel ändern. Portale wie Yahoo! [US:YHOO] oder Lycos [US:LCOS], Kursanbieter wie Onvista [DE:546160] oder Gatrixx werden ihre Nutzer immer mit kostenlosen Nachrichten und Kursdaten beliefern. Einen Bogen um die Kassenhäuschen zu machen, wird dem Surfer also nicht schwer fallen.

Der zweite Grund ist die Art der Information. T-Online peilt den Massenmarkt und damit Massenmedien an. Die Wahl des Fernsehsenders und des Verlages zeigen dies. Doch nur für hochspezialisierte Informationen werden kleine Zielgruppen bereit sein, Geld zu zahlen. Ich denke an den Ingenieur, den Arzt oder den Informatiker, der für Inhalte seines Fachgebiets Geld ausgeben würde.

Erinnert sich keiner mehr an BTX?

Dass gerade T-Online die Zeit der kostenpflichtigen Inhalte ausruft, ist erstaunlich. Aber Thomas Holtrop ist erst wenige Monate auf seinem Posten und kann sich wahrscheinlich an BTX kaum erinnern. Bei dem Vorläufer des Internets musste man auch 20 oder 30 Pfennig für bestimmte Seiten zahlen. Daß BTX auch deshalb in Deutschland ein Flop war, ist hoffentlich dem Einen oder Anderen in Holtrops Umgebung noch in Erinnerung.

Womit sich im Internet wirklich Geld verdienen lässt, konnte noch kein Unternehmen der so genannten New Economy schlüssig beweisen. Die Bannerpreise fielen schneller als man eine neue Browserversion auf seinem Rechner installieren kann. Und für kostenpflichtige Inhalte wird die Masse nicht bereit sein, ihr Portemonnaie zu öffnen. Es bleibt der Handel, der viel beschworene e-Commerce.

Da aber schockierte Autohersteller Opel kürzlich mit einer schwachen Zwischenbilanz. Seit Anfang März bieten die Rüsselsheimer im Internet sechs Sondermodelle zu besonders günstigen Preisen an. Der Surfer konfiguriert das Auto am Bildschirm und bestellt den Wagen gleich über das Internet. Mit 300 verkauften Autos hat der Vertriebsvorstand bis zum Ende der Aktion am 31. Juli gerechnet. Zur Halbzeit waren aber gerade erst 61 Autos über das Internet verkauft worden. Auch bei Fiat lief der Netz-Verkauf mit zwei Wagen in sechs Monaten nicht gerade glänzend.

Was bleibt, ist die Erkenntnis: Das Internet ist ein Informationsmedium. Die Menschen wollen sich über Produkte und Dienstleistungen informieren. Gekauft aber wird meist noch im Geschäft.

Wer für Informationen wie Nachrichten oder Börsendaten Geld verlangt, wird erleben, was die Geschichte für fast alle Könige bereithielt: Den Sturz vom Thron.

Dieser Beitrag wurde von http://www.content-one.de/ für FTMarketWatch.de erstellt.

Dirk Kunde ist ein Reporter für www.content-one.de.
 
aus der Diskussion: T-Online: fairer Wert 2,50 Euro
Autor (Datum des Eintrages): se2707  (07.06.01 07:47:58)
Beitrag: 30 von 54 (ID:3681869)
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