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Karstadt: Nur scheinbar in schwarzen Zahlen
von Christoph Schlautmann

Die Talfahrt der inzwischen insolventen Warenhauskette Karstadt beschleunigt sich. Entgegen anderslautenden Presseberichten sank der Betriebsgewinn (Ebit) deutlich. Dies geht aus einem von der Bundesregierung bestellten Gutachten der Wirtschaftsprüfer Pricewaterhouse-Coopers (PwC) hervor, das dem Handelsblatt vorliegt.


DÜSSELDORF. Danach sackte Karstadts Umsatz im ersten Geschäftshalbjahr um 2,1 Prozent ab, wobei die Warenhäuser auf vergleichbarer Fläche 1,1 Prozent ihrer Erlöse einbüßten. Entsprechend ging das Ergebnis gegenüber dem vergleichbaren Halbjahr von 26,7 Mio. auf sieben Mio. Euro zurück.

Die Arcandor-Tochter bleibt damit nur scheinbar in den schwarzen Zahlen. Weil das Geschäftsjahr schon am 1. Oktober beginnt, ist das lukrative Weihnachtsgeschäft in den Halbjahresergebnissen enthalten. In den beiden Sommerquartalen aber schreibt die Warenhauskette üblicherweise hohe Verluste. So häufte sich – trotz schwarzer Zahlen im ersten Halbjahr – bis zum Ende des vergangenen Geschäftsjahres bei Karstadt ein Verlust von 272 Mio. Euro an.

Anderslautende Zeitungsmeldungen, nach denen Karstadt „besser als bekannt“ laufe, hatten am Sonntagabend in der ARD-Talkshow „Anne Will“ für Irritationen gesorgt. So klagte die stellvertretende Gesamtbetriebsratschefin Maria Wagner, man habe die Warenhauskette in die Insolvenz getrieben, obwohl längst eine Besserung eingetreten sei.

Wer bei Arcandor die Strippen zieht

Wagner hätte es besser wissen müssen: Seit 2008 kontrolliert die 49-jährige Schaufenstergestalterin Karstadt im Aufsichtsrat. „Wir haben ihr die Geschäftszahlen nicht vorenthalten“, sagte dazu ein Konzernsprecher auf Anfrage.

Eine Klarstellung der Ertragssituation von Karstadt durch Arcandor-Vorstandschef Karl-Gerhard Eick blieb bislang aus. In der Talkrunde verwies er auf Schweigepflichten, schließlich werde Arcandor die aktuellen Halbjahreszahlen erst am kommenden Donnerstag offiziell vorlegen. Zu diesem Termin wird sich auch der vorläufige Insolvenzverwalter Klaus Hubert Görg zum ersten Mal der Presse stellen.

Dass die Planinsolvenz in den vergangenen Monaten sorgsam vorbereitet worden sei, wie Eick in der ARD-Talkshow behauptete, stößt auf Skepsis. „Von einem konkreten Insolvenzplan haben wir noch nichts gesehen“, sagte ein Sprecher des Insolvenzverwalters. Man sei nach wie vor damit beschäftigt, die Fakten zusammenzutragen und Ansprechpartner im Konzern ausfindig zu machen.

Auch Insolvenzexperte Horst Piepenburg, der vor dem Insolvenzantrag gemeinsam mit Beratern von Roland Berger in die Arcandor-Zentrale eingezogen war und den Konzern nun als „Generalbevollmächtigter“ berät, sprach gestern im WDR von „einer extrem schwierigen Lage“. Auch wenn mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens bis zum 1. September gerechnet wird, werde sich die komplette Umsetzung des Verfahrens voraussichtlich bis „weit ins nächste Jahr“ hinziehen. Mit 520 Gesellschaften besitze die Arcandor AG eine komplizierte Struktur.

Der Essener Insolvenzexperte Sebastian Krause wirft dem Arcandor-Vorstand deshalb schwere Versäumnisse vor. „Statt sich auf eine Planinsolvenz vorzubereiten, hat Eick zu lange auf die Rettung durch den Staat gesetzt“, moniert der Rechtsprofessor. Nun stehe der Manager vor einem Scherbenhaufen.

Karstadt: Erfolgsgeschichte mit offenem Ende

Für Kopfschütteln sorgte gestern das Angebot der Bundesregierung, dem Unternehmen mit einer Bürgschaft für den gewünschten Massekredit unter die Arme zu greifen. Um das dreimonatige Insolvenzgeld für die Mitarbeiter vorzufinanzieren, sei eine Bürgschaft nicht notwendig, erklärte Insolvenzfachanwalt Krause. Die Gelder würden später durch die Bundesagentur für Arbeit zurückgezahlt, das Geschäft sei für die Banken deshalb risikolos.

Weitere Mittel seien für Arcandor aber kaum nötig, rechnet er vor. Weil die Arbeitsverwaltung für drei Monate die Gehaltszahlungen übernimmt und Mietzahlungen zunächst eingestellt werden, sei Arcandor in den nächsten Monaten höchst profitabel. „So kommt genug Geld in die Kasse“, glaubt Krause, „um damit anschließend die Sanierung zu finanzieren".

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aus der Diskussion: Insolvenz: Neubeginn von Arcandor? Leider (fast) ohne die Altaktionäre!
Autor (Datum des Eintrages): Udo-K  (16.06.09 08:59:46)
Beitrag: 92 von 100 (ID:37399327)
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