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@alle

... nun sind es doch einige Reaktionen auf meinen letzten Beitrag, ich bin fast erstaunt darüber.

Zur Sache:

Sicherlich will ich nicht so verstanden werden, als ob die Bulls-Eye Methode, oder der Top-Down Ansatz das allein selig machende ist. Vielmehr wollte ich einfach anhand dieses Ansatzes aufzeigen, daß ich weiterhin nicht optimistisch bin.

Niemand wird hier bezweifeln, daß die Entwicklung der Indizes auch Auswirkungen auf praktisch alle Einzelwerte hat. Es sind sehr wenige, die sich von dem allgemeinen Trend des jeweiligen Marktsektors abkoppeln können.

Letztlich wollte ich doch nur warnen, daß es keinen Grund gibt "in das fallende Messer zu greifen" (sorry, wenn ich diese strapazierte Zitat verwende), welches man derzeit an allen Börsenplätzen beobachten kann.

Und: Natürlich hat diese Entwicklung auch mit der Weltwirtschaft, den Märkten und mit den Problemen einiger Branchen zu tun.

Gehen wir doch einfach mal mit gesundem Menschenverstand an den Mobilfunkbereich.

- UMTS wird wohl erst nach erheblichen weiteren Investitionen 2004 in Betrieb gehen.

- immer weniger Menschen können sich vorstellen per Handy einzukaufen, bzw. wozu sie UMTS überhaupt persönlich brauchen könnten (E-Commerce im Web hat ja auch die Erwartungen nicht erfüllt)

- der Markt der klassischen Mobilfunkgeräte in Deutschland ist gesättigt (mehr Handys als Einwohner)

- die Subventionen für Endgeräte sollen abgebaut werden, Gratishandys sollen der Vergangenheit angehören.

- die Anschlußgebühr ist wieder eingeführt worden (50,- DM)

- Prepaid hat sich als Flop erwiesen. Die Besitzer solcher Karten telefonieren einfach zu wenig (kaum verwunderlich bei Minutenpreisen von ca. 2,- DM zur Hauptzeit)

Ich will das nicht weiter vertiefen, aber ich wollte nur ansatzweise aufzeigen, daß die Betrachtung des Sektors auch hilfreich sein kann, wenn man sich mit dem Kauf eines einzelnen Wertes befasst.

Für mich wäre Nokia auch auf dem jetzigen Niveau kein Kauf, Marktanteile hin oder her, weil schlicht im gesamten Umfeld nichts stimmt. Für eine Kaufentscheidung kann also AUCH eine Top-Down analyse hilfreich sein.

Letzendlich kommt man ohnehin nie um eine Beschäftigung mit Einzelunternehmen umhin, egal nach welchem Ansatz man vorgeht.

Wenn ich im letzten Jahr etwas gelernt habe, dann das, daß man viel langfristiger denken muß als die meisten von uns es hier wohl tun. Natürlich ist die Aktie Langfristig wohl die beste Anlage, auch weiterhin, aber nur am Beispiel des DAX:

1998 ca. 4000 Punkte (tiefststand)
2000 ca. 8000 Punkte (höchststand)
2001 ca. 6000 Punkte (derzeit)

aus vielerlei Gründen ist eine weitere Seitwärts / Abwärtsbewegung denkbar, u. a. :

- Desilusionierte Anleger
- Schlechte Verfassung des Gesamtmarktes
- Stets neue "Hiobsbotschaften" der Unternehmen derzeit, vor allem in Tech Bereich

Übrigens bestreite ich nicht, daß man weiterhin ausgewählte Aktien kaufen kann, aber Kapital zu halten und erneut aufzubauen, finde ich derzeit fast reizvoller.

Weiterhin habe ich ansatzweise eine Tradingstrategie in meinem letzten Beitrag skizziert. 3 - 5 Trades im Jahr, die dann aber wirklich "tod sicher" sind, weil ein besonderes Ereignis die Börsen bestimmt. Dabei kommt man übrigens wohl ebenfalls leicht auf die so strapazierten 26%. (Vielleicht erinnert sich noch jemand an meine Trades, während des US Wahlkampfes, lag Bush in den Gerichtsstreiterein vorne, gingen die Indizes aufwärts, lag Gore in den Gerichtsstreiterein vorne, gingen die Indizes abwärts. Man konnte anhand der Politik ablesen wie sich die Kurse entwicklen. Weitere Beispiele sind erwartete Zinssenkungen / Zinserhöhungen). Deutschland bietet ja dem Anleger die Möglichkeit vorab in US-Werte zu investieren, bevor in den USA die Märkte eröffnen.

Ich hoffe ich konnte meinen letzten Beitrag hiermit etwas erläutern.

M.F.G.

PS: Eine lesenswerte Polemik:

Quelle:

http://www.welt.de/daten/2001/06/18/0618fi261464.htx

Innenansichten eines Kleinanlegers

T-Aktie als Einstiegsdroge - Berauschende Hausse am Neuen Markt - Schmerzhafter
Entzug - Eine Polemik

Von Matthias Iken

Berlin - Verflucht sei der November 1996 - der Monat, in dem alles anfing. Bis
dahin konnten wir den Börsencrash als Zuschauer von der Wohnzimmercouch
verfolgen. Unsere Welt war klein, aber übersichtlich. Börse reimte sich auf
"böse", und wenn wie 1987 die Märkte erzitterten, lehnten wir uns mit einer
Prise Sozialneid und Selbstgerechtigkeit gemütlich zurück. Selber schuld,
dachten wir uns. Wer sich in Gefahr begibt, kommt darin um. Und zufrieden
spielten wir mit unseren Sparstrümpfen und verlängerten unsere Sparbriefe.
Doch dann kam der unselige 26. November 1996 - der Tag, der alles verändern
sollte. Theo Waigel ist Schuld, Ron Sommer oder Manfred Krug, irgendeiner, nur
wir nicht. Denn die Deutsche Telekom ging an die Börse - und irgendwie sind wir
mit hineingeschlittert. Landauf, landab wurde von Bankschaltern, Plakatwänden
und in Werbespots zur Zeichnung der Aktien geraten. Wer etwas auf sich hielt,
gönnte sich also 100 dieser seltsamen Stücke, die sie T-Aktien getauft hatten.
Wäre es schief gegangen - wir hätten uns nicht gewundert, hätten mit den Achseln
gezuckt, die Banken verflucht und wieder Bundesschatzbriefe gekauft.

Doch leider ging es nicht schief - ganz im Gegenteil. Die T-Aktie wurde zur
Einstiegsdroge für unsere Sucht. Denn die Aktie stieg und stieg und stieg. Nie
war es so einfach, Geld zu verdienen. Wann immer wir in die Zeitung blickten,
die T-Aktie hatte wieder ein paar Pfennig zugelegt. Und das Spiel, das wir
zunächst aus der Distanz verfolgt hatten, begann uns Spaß zu machen. Wir wollten
mehr davon.

Und wir bekamen mehr - im März 1997 eröffnete die Deutsche Börse den Neuen
Markt, einen Rummelplatz für uns Kleinanleger. Das war genau das, was wir
brauchten, denn wir mussten die Dosis erhöhen: Der drögen Standardwerte, egal ob
Onkel Bayer und Tante Siemens, waren wir längst überdrüssig, wir gierten nach
dem größeren Kick. Und die Spielregeln am Neuen Markt schienen denkbar einfach:
Investieren und reich werden. Jedes Los ein Treffer. Wir begannen zu zeichnen,
was das Zeug hielt - ohne Rücksicht auf Unternehmen, Geschäftsmodelle und
Verluste. Und wenn die Kurse in die Knie gingen, wie 1997 in der Asienkrise oder
1998 im Hedge-Funds-Fiasko, wussten wir, was zu tun ist. Wir drehten die Taschen
um, schlachteten die Sparschweine der Kinder und räumten die Konten leer.
Freunde, so billig werden Aktien nie wieder!

Wir behielten Recht, rasch drehten die Kurse ins Plus. Wir fühlten uns als
Tausendsassa, wie König Midas vor dem ersten Hunger. Das Spiel war toll, immer
doller, immer schneller wurde gekauft und verkauft. Und alle mussten mitmachen -
Eltern, Nachbarn und Kegelbrüder der Welt! Schaut auf diese Börse. Nie war es so
leicht, reich zu werden. Die "Telebörse" wurde "Tagesschau", die "Börse-online"
unsere Bibel. Zurückhaltende Zeitgenossen waren Bedenkenträger, warnende Stimmen
wurden niedergepfiffen. Denn nur Spielverderber und Angsthasen blieben außen
vor. Wer keine Aktien hatte, konnte auf den Partys nach Hause gehen - er war uns
fremd geworden.

Zwar beschlich auch uns mitunter das Gefühl, dass alle ein wenig übertreiben -
aber wir wähnten uns in Sicherheit. Sollte es zu heiß werden, würden wir halt
verkaufen. Die Dummen waren immer die anderen, und der Tanz auf dem Vulkan ging
weiter. Sogar die "Bild"-Zeitung appellierte an unseren Restverstand:
"Deutschland taumelt im Geldrausch. Die Börse kocht, ein Lehrer fragt: Warum
soll ich noch arbeiten?"

Vergeblich. Wir haben nichts verstanden - und nun die Antwort bekommen. Doch
alles kam noch viel brutaler, als wir uns in den schlimmsten Albträumen
ausgemalt hatten. Das Unheil kam nicht mit einem lauten Knall, sondern
schleichend, ganz langsam, zu harmlos, um zu reagieren.

Zunächst waren wir noch froh, als die Kurse rutschten. Wir begrüßten die
taumelnden Notierungen mit Beschwörungsformeln wie "notwendige Bereinigung",
"klärendes Gewitter" oder "endlich wieder Schnäppchenpreise". Schlimmer noch -
wir glaubten diesen Unsinn auch. Zunächst kauften wir munter hinzu, in der
Gewissheit der nahenden Trendwende.

Doch langsam wurde diese Gewissheit zum Zweifel, und nun dämmert uns, dass wir
richtig falsch lagen. Wir blicken auf die Trümmer unseres Depots, verzagt,
frustriert, wütend. Die einen schwören der Aktie ab - bis die nächste Hausse sie
rückfällig werden lässt. Andere schalten Rechtsanwälte ein und verklagen alle
Unternehmen, die angeblich unser Geld geraubt haben. Und wieder andere tun gar
nichts mehr. Sie ahnen, dass es nun zum Verkaufen zu spät sein könnte. Den
Letzten beißen auch an der Börse die Hunde. Die Letzten, Freunde, das sind wir.
 
aus der Diskussion: Erfahrung gefragt?
Autor (Datum des Eintrages): ArmerRitter  (18.06.01 10:37:40)
Beitrag: 4,065 von 4,477 (ID:3757502)
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