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Häftling erhängte sich mit Hosengürtel
Erneuter Selbstmord in der JVA Nürnberg

NÜRNBERG - An den Gürtel hatten die Wärter natürlich gedacht und dem Häftling ein Exemplar von der Justizvollzugsanstalt (JVA) gegeben. Doch der Wille des 26-jährigen Untersuchungshäftlings zu sterben war stärker, er präparierte seinen Gürtel und erhängte sich in seiner Einzelzelle in der Nürnberger JVA. Diese speziellen Gürtel besitzen statt einer normalen Gürtelschnalle nur eine Art Klippverschluss, mit dem das Schlaufenbilden eigentlich nicht möglich ist, und doch hat der Mann sich damit umgebracht.

Ein neuer Punkt in der bisher so unschönen Nürnberger-Justiz-Jahresbilanz: Zwei Gefängnisausbrüche, eine erst in diesem Jahr entdeckte Vergewaltigung unter Häftlingen, eine Anklage wegen fahrlässiger Tötung gegen den ehemaligen JVA-Arzt, ein von einem Justizmitarbeiter an Insassen verteilter Generalschlüssel und nun noch ein Selbstmord.

Das Ringen um das Leben des seit 26. Juli inhaftierten irakischen Untersuchungsgefangenen, dem vorgeworfen wurde, in eine fremde Wohnung eingedrungen zu sein und mehrmals mit einer Schreckpistole auf den Kopf seines Tatopfers geschossen zu haben, endete am Dienstagabend. Der Häftling wurde bereits am vergangenen Freitag im Rahmen der Essensausgabe von Angestellten gefunden und konnte trotz Herz- und Kreislaufstillstand noch einmal durch die Anstaltsbediensteten reanimiert werden. Daraufhin kam er ins Klinkum Nürnberg, wo er verstarb. Ob der 26-Jährige die schwierigen Haftbedingungen nicht verkraftete und sich deswegen erhängt hat, ist fraglich. Ebenso offen ist, ob der Iraker seine Abschiebung in die krisengeschüttelte Heimat fürchtete.

Das Motiv sei unbekannt, so Werner Engerer, denn der Tote habe keinen Abschiedsbrief hinterlassen. Auch galt der Häftling als nicht selbstmordgefährdet. «Bei jedem Gefangenen wird ein Aufnahmegespräch geführt, bei dem er einem Vertreter des Fachdienstes vorgestellt wird», erklärt Werner Engerer, stellvertrender Anstaltsleiter der JVA Nürnberg. So sei der Mann zuvor von einer Psychologin auf mögliche Suizidgefährdung hin untersucht worden und habe sich auch während seines Haftaufenthaltes unauffällig verhalten. «Uns ist nichts aufgefallen», unterstreicht Engerer.

Die Angestellten würden sogar regelmäßig im Umgang mit Suizidgefährdung unterwiesen. Die stellvertretende Pressesprecherin des Bayerischen Justizministeriums, Stefanie Ruhwinkel, sieht die Situation ähnlich: «Suizide sind in keiner JVA vollkommen zu vermeiden.» Man könne schließlich nicht in die Häftlinge hineinsehen und auch nicht in jede Zelle einen Wärter stellen. «Das würden auch die Insassen nicht wollen», so Ruhwinkel.

Grundsätzlich sollten die verschiedenen Vorkommnisse in Nürnberg getrennt voneinander betrachtet werden, so die Ministeriumssprecherin: Auf die Ausbrüche sei bereits mit der Installation eines «S-Drahts» reagiert worden, eine Art Stacheldraht, der auf dem entsprechenden Dach installiert wurde. Ebenfalls seien umfangreiche bauliche Maßnahmen an den älteren Gebäuden geplant. Darüber hinaus werde auch in Sachen Generalschlüssel weiter Aufklärungsarbeit geleistet. Hier hatte ein Justizmitarbeiter zwei Häftlingen im Zuge zu erledigender Hausdienste einen Generalschlüssel für den Justizpalast überlassen, die Insassen hatten diesen jedoch wohl nicht missbraucht.

Die größte Gefahr sind die Mitgefangenen

Der Kriminologe Prof. Hans-Dieter Schwind kennt die allgemeinen Probleme, mit denen Justizvollzugsanstalten und Insassen zu kämpfen haben: «Viele Menschen verzweifeln in der JVA», sagt der ehemalige Justizminister Niedersachsens und Autor zahlreicher jurstischer und kriminologischer Standardwerke zum Strafvollzug im Gespräch mit der NZ. Die Frustration über die Haftbedingungen sei groß und oft können sich die Täter bis zum Schluss nicht vorstellen, dass der Riegel vor der Tür zugeschoben wird.

Allerdings gehe die eigentliche Gefahr im Strafvollzug oft von Mitgefangenen aus, die ihre Opfer häufig brutal quälen. «So kann der scheinbar letzte Ausweg aus der Quälerei der Selbstmord sein», erklärt Schwind.

Diese Gewalt unter Häftlingen komme wesentlich häufiger vor als Suizid. In einer JVA treffen meist vorbestrafte Gewalttäter aufeinander, da könne die Situation «leicht explodieren», sagt der Fachmann. «Dort passieren Quälereien, die man sich außerhalb der Mauern nicht einmal vorstellen kann», fährt der renommierte Kriminologe fort, «viele Gefangene werden Opfer von Sexualstraftaten.» Dies lege vor allem am schlimmen Klientel, das oft empathie- und rücksichtslos sei. Die Menschen seien oft verzweifelt, und es bleibe ihnen nur die Chance, der Gewalt dadurch zu entgehen, indem sie sich gegenüber anderen daran beteiligen.

Doch gebe es eine Häftlingsgruppe, die es besonders schwer habe: Sexualstraftäter, die sich an Kindern vergangen haben. «Die Gefangenen besitzen ein Ehrgefühl und dieses besagt: Kindern tut man nichts».

Stefanie Rubner
27.8.2009http://www.nz-online.de/artikel.asp?art=1076535&kat=11
 
aus der Diskussion: Neues aus Multikultistan
Autor (Datum des Eintrages): redbulll  (01.09.09 12:57:47)
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