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Die Bundesagentur für Arbeit wird 2010 bis zu 20 Milliarden Euro Minus machen. Der Verlust droht die schwarz-gelben Steuerentlastungsträume zu durchkreuzen. Deshalb erwägen Union und FDP, die Miesen in den aktuellen Haushalt abzuschieben - oder gleich in einen Schattenhaushalt.



Berlin - Lange nicht mehr war Horst Seehofer derart vergnügt. "Das Jahr 2011 ist in jedem Fall mit einer Steuerentlastung dabei", sagt der CSU-Chef nach der Klausur der werdenden Koalitionäre von Union und FDP am Wochenende. Schwarz-Gelb werde "keine Koalition, die mit einem Wortbruch beginnt". Er habe seine Aussagen während des Wahlkampfs nicht ins Blaue hinein gemacht, "um zu irrlichtern oder populistisch vorzugehen", so Seehofer, der immer wieder eine Steuerentlastung von 15 Milliarden Euro ab jenem Jahr 2011 gefordert hatte.


Offenbar wollen Seehofer, CDU-Chefin Angela Merkel und der FDP-Vorsitzende Guido Westerwelle nun noch einen drauflegen. O-Ton Seehofer: "Möglicherweise kommt alles eher, als die CSU gefordert hat." Und fügt hinzu: "Das meine ich jetzt nicht ironisch."

Könnte man aber meinen beim Blick auf diese Zahlen: Bundesagentur für Arbeit (BA) und Gesetzliche Krankenkassen sind unter Druck, allein bis 2013 rechnet der Bund hier mit nötigen Zuschüssen von 50 Milliarden Euro. Zuletzt hatte die BA eine Unterfinanzierung von 17 bis 20 Milliarden allein für 2010 angemeldet.

Geht man davon aus, dass dieses Minus den Rahmen möglicher Steuersenkungen begrenzt - was tun?

Der Trick: In Koalitionskreisen wird nun erwogen, die Unterfinanzierung noch der alten Regierung zuzuschieben - etwa in Form eines Nachtragshaushalts für 2009. Da die Finanzierungsprobleme Resultat der gegenwärtigen Wirtschaftskrise seien, "gehören sie auch angesiedelt im Budget der Krise 2009", tröstet sich ein schwarz-gelber Haushälter. Dann würden sich die Zahlen im nächsten Jahr auch gleich "besser anhören".

Es wäre dann allerdings bereits der dritte, denn erst im Juli hatte Noch-Finanzminister Peer Steinbrück (SPD) einen zweiten Nachtragshaushalt eingebracht. In der Arbeitsgruppe Steuern und Haushalt wurde am Montag auch überlegt, der BA nur noch einen festen Betrag X zur Verfügung zu stellen, mit dem sie dann arbeiten muss. Drei Modelle werden diskutiert:


Ein kreditfinanziertes Darlehen, das über einen Treuhänder an die BA weitergereicht wird;
die Einrichtung eines Sonderfonds für die Sozialversicherungssysteme, in den eine bestimmte Summe aus dem Bundeshaushalt fließt;
oder der Rückgriff auf den bereits existierenden Tilgungs- und Investitionsfonds (ITF)

Dieser Fonds scheint in den Überlegungen der neuen Koalition stetig an Attraktivität zu gewinnen. Denn ein dritter Nachtragshaushalt wäre technisch und zeitlich schwer zu bewerkstelligen. Der ITF hingegen war mit dem zweiten Konjunkturpaket von der Großen Koalition beschlossen worden - und gilt als eine Art Schattenhaushalt neben dem offiziellen Bundesetat.

Die Unternehmensteuerreform soll kommen

Das Ziel der damaligen Sofortmaßnahme: Aus dem Sondervermögen können vom Bund 2009 und 2010 rund 20 Milliarden Euro für investive Ausgaben und die Abwrackprämie zur Verfügung gestellt werden. Nun heißt es, aus dem Fonds seien nicht alle Mittel abgeflossen. Insgesamt wurden dem ITF samt Zinszahlungen rund 25 Milliarden Euro zur Verfügung gestellt. Offenbar ist hier aber noch reichlich Geld vorhanden. Noch vor der Wahl hatte die Bundesbank festgestellt, dass im ersten Halbjahr - bis auf die Abwackprämie - praktisch keine Mittel für Investitionen abgeflossen seien. Grund: Die Ausgaben für öffentliche Bauvorhaben würden nach Bauabschnitten verbucht. Die Prognose der Bundesbank damals: Erst 2011 würde der Bund in erheblichen Umfang belastet, sollten dann die baulichen Investitionen abgerechnet werden.

Das Problem bleibt aber auch für Schwarz-Gelb die Rückzahlung. Ab 2010 soll ein Teil des Bundesbankgewinns laut Gesetz für die Tilgung der Kredite im ITF einfließen. Auch soll ein Steuerplus, das in besseren Zeiten erwirtschaftet wird, zur Tilgung in den Fonds gehen - sprich: der Bundesetat müsste Mittel abzweigen.

Als weitgehend sicher gilt in Koalitionskreisen, dass die Unternehmensteuerreform im kommenden Jahr kommt. Diese ist - im Gegensatz zur Steuerstrukturreform - technisch einfacher umzusetzen. Die Entlastungen werden intern mit mindestens 1,5 Milliarden Euro angesetzt.

Die Steuerstrukturreform könnte demnach im Kern erst 2011/12 greifen. Vorbereitende gesetzgeberische Maßnahmen würden 2010 stattfinden, hieß es aus Koalitionskreisen. Schneller sei dieses Vorhaben nicht machbar. Weiterhin offen bleibt, wie die Strukturreform ausfällt - die Union will eine Absenkung des Eingangssteuersatzes von 14 auf 12 Prozent, auch soll die kalte Progression dadurch gemindert werden, dass der Spitzensteuersatz von 42 Prozent nicht schon bei 52.882 Euro greift. Die FDP hingegen beharrt weiterhin auf einem Stufentarif in der Einkommensteuer.

Abhängig von der Summe, die nach der Bedienung der Sozialsysteme noch zur Verfügung steht, wird auch ein Vorziehen bestimmter Elemente erwogen. So könnten bereits im kommenden Jahr der Kinderfreibetrag und das Kindergeld steigen - wie hoch, ist noch offen. So könnte tatsächlich einiges früher kommen, als es selbst die CSU gefordert hat.

Konkrete Ergebnisse aber haben die Unterhändler aus der Arbeitsgruppe Steuern und Finanzen nicht vorgelegt. Das allerdings war auch nicht ihr Ziel. "Wir liefern die Entscheidungsvorlage, verschiedene Varianten", sagt ein Mitglied der Gruppe. Damit sei die Spitzengruppe um Merkel, Westerwelle und Seehofer "auf einen Blick entscheidungsfähig, das ist jetzt wie ein Baukastensystem".
 
aus der Diskussion: Schuldentrick soll schwarz-gelbe Wahlversprechen sichern
Autor (Datum des Eintrages): buchi1971  (20.10.09 12:04:36)
Beitrag: 1 von 19 (ID:38212366)
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