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Faszinierend, wie der Wechsel eines Sitzplatzes tatsächlich die Perspektive verändern kann:

21.10.09

FDP als Regierungspartei: Westerwelles Geschwätz von gestern

Neun Monate haben die Liberalen gegen Verschwendung und schwarz-rote Schattenhaushalte gewettert. Doch noch vor ihrem ersten Regierungstag hat der FDP-Chef seine Grundsätze gekippt.

Der 28. Januar 2009 war für Carl-Ludwig Thiele ein großer Tag, vielleicht einer der größten in seiner Laufbahn als Parlamentarier. Seit 1990 sitzt der Rechtsanwalt aus Osnabrück für die FDP im Bundestag, und seither kümmert sich Thiele um die Finanzpolitik.

An jenem Tag im Januar hatte Thiele im Bundestag Finanzminister Peer Steinbrück (SPD) vor sich, und Thiele hatte eine Frage. Ob es denn stimme, wollte Thiele wissen, dass der einst zur deutschen Einheit gegründete Erblastentilgungsfonds inzwischen "getilgt" sei? Genau dies hatte wenige Tage zuvor Kanzlerin Angela Merkel (CDU) behauptet. Kenner der Materie wussten natürlich, dass der weit über 170 Mrd. Euro schwere Fonds nicht getilgt, sondern zum Großteil Ende der 90er-Jahre einfach in den normalen Bundeshaushalt umgeschuldet worden war. Steinbrück erklärte geduldig, räumte ein, dass lediglich rund 35 Mrd. Euro getilgt worden seien, diese Summe aber immer noch weit mehr sei als der nun geplante Investitions- und Tilgungsfonds für das zweite Konjunkturpaket.

Dennoch, Thiele war empört: Es sei ein "unglaublicher Vorgang", wenn Merkel behaupte, die Schulden seien getilgt, überdies sei es "schlichtweg abenteuerlich, wie die sogenannte Große Koalition hier trickst". Der neue Sonderfonds diene "einzig und allein dem Ziel, einen neuen Rekord bei der Neuverschuldung zu verschleiern".

Man muss sich an Thieles Empörung und die Aufregung der folgenden Tage über die vermeintliche Lüge der Regierung erinnern, um die spektakuläre Wende der Liberalen in diesen Tagen zu verstehen. Vor kaum mehr als einem halben Jahr konnten die FDP - allen voran ihre Finanz- und Haushaltspolitiker - der Union und der SPD gar nicht oft genug Unseriosität und Verschwendung vorwerfen - und jetzt treibt ausgerechnet die gleiche FDP-Spitze selbst einen neuen Sonderfonds außerhalb des regulären Bundeshaushalts voran, der in seiner Höhe den rot-schwarzen Sonderfonds für die Konjunkturpakete locker übertrifft.

Dabei hatten sich die Liberalen sehenden Auges in diese vertrackte Situation manövriert. Monatelang hatten FDP-Chef Guido Westerwelle und der Steuerpapst der Partei, Hermann Otto Solms, erklärt, es gehe alles gleichzeitig: Steuern senken und die Neuverschuldung abbauen. Noch unmittelbar vor der Wahl hatte Westerwelle düster gemutmaßt, er erwarte bittere Wahrheiten nach der Wahl. Schließlich hätten Union und SPD die wahre Haushaltslage nur verschleiert - wohlwissend, dass die absehbaren Defizite in der Arbeitslosenversicherung bekannt waren.

Schon damals erklärten Unterhändler der Union, der FDP stehe in den Koalitionsverhandlungen "ein langer Weg in die Realität" bevor. Dennoch hielt auch Solms noch vor zehn Tagen an der Parteilinie fest: "Es muss zu spürbaren Entlastungen kommen. Ausnahmeregelungen, um diese Entlastungen durch Schulden zu finanzieren, kommen dabei nicht in Betracht."

Das Bemerkenswerteste aber an der FDP ist: Anders als in der Union empört sich in der FDP niemand mehr über die geplanten neuen Milliardenschulden in Schattenhaushalten. Auch junge Liberale hielten sich am Dienstag streng an die Parteilinie: Jetzt müsse ein "klarer Schnitt" gemacht und die "Schadensbilanz der Großen Koalition" offengelegt werden. "Wir werden den Haushalt nur dann konsolidieren, wenn wir vorher mehr Wachstum schaffen", so die Argumentation. Und dazu seien kurzfristig neue Schulden eben unvermeidlich.

http://isht.comdirect.de/html/news/actual/main.html?sNewsId=…
 
aus der Diskussion: * GUIDO WESTERWELLE *
Autor (Datum des Eintrages): MFC500  (21.10.09 15:49:11)
Beitrag: 72 von 2,773 (ID:38223171)
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