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Altersteilzeit, Einstellungsstopp, auslaufende Zeitverträge: Auch ohne betriebsbedingte Kündigungen bauten die DAX-Konzerne in der Wirtschaftskrise viele Stellen ab. Offiziell beschäftigten sie 63.000 Mitarbeiter weniger als vor einem Jahr. Tatsächlich verloren aber bis zu 125.000 ihren Job.

Von David Rose, tagesschau.de

Die menschlichen Schicksale verbergen sich auf den hinteren Seite der Quartalsberichte. Unter der Überschrift Mitarbeiter reihen sich Ziffern aneinander, die die Folgen der Wirtschaftskrise dokumentieren. Zwischen September 2008 und September 2009 sank die Mitarbeiterzahl der DAX-Konzerne um 63.000. Diese Statistik sagt aber nur wenig über den Stellenabbau der Unternehmen aus. Tatsächlich verloren fast doppelt so viele Menschen ihren Job.

In der Rezession zielten viele Unternehmen darauf ab, neben den kurzfristigen Effekten von Kurzarbeit dauerhaft beim Personal zu sparen. Betriebsbedingte Kündigungen waren bei jedem dritten DAX-Konzern ausgeschlossen und die restlichen verzichteten zumindest in Deutschland weitgehend darauf. Stattdessen setzten sie auf Einstellungsstopps, Altersteilzeit und freiwillige Aufhebungsverträge. Unternehmen trennten sich von Leiharbeitern und verlängerten auslaufende Verträge nicht. Meist war der Personalabbau eingebettet in Programme mit verheißungsvollen Namen wie "Global Excellence" oder "Climb 2011".

Schon die etwa von Adidas, Lufthansa und SAP verhängten Einstellungsstopps senkten die Mitarbeiterzahlen schnell. Der Softwarekonzern SAP wollte auf diese Weise bis Ende 2009 rund 3000 Stellen streichen. "Wir haben diesen Personalabbau abgeschlossen und etwas übererfüllt", sagte ein Konzernsprecher tagesschau.de. Statt der bis Jahresende angepeilten Marke von 48.500 Mitarbeitern beschäftigte der Konzern bereits Ende September nur noch 47.800. Deshalb stellt SAP in Einzelfällen inzwischen wieder ein.

Schneller Personalabbau ohne Einstellungsstopp

Viele DAX-Konzerne bauten auch ohne Einstellungsstopps zügig Stellen ab. ThyssenKrupp beschäftigte Ende September unter dem Strich 11.900 Mitarbeiter weniger als ein Jahr zuvor, obwohl laut einem Konzernsprecher rund 5000 Bewerber neue Verträge unterzeichneten. Das Minus ging vor allem auf freiwillige Vereinbarungen und auslaufende Zeitverträge zurück. Lediglich im Ausland habe es auch betriebsbedingte Kündigungen gegeben.

Das Schema von Personaleinsparungen mit einem bunten Strauß verschiedener Instrumente findet sich bei vielen DAX-Konzernen als Reaktion auf die Wirtschaftskrise. Die Folgen waren auch in Deutschland zu spüren: Siemens hat nach Angaben eines Unternehmenssprechers den 2008 angekündigten Abbau von 5250 Stellen im Inland abgeschlossen. Daimler beschäftigte Ende September in Deutschland 5200 Mitarbeiter weniger als noch ein Jahr zuvor.

Zahlen nicht immer vergleichbar

Doch die Zahlen der Quartalsberichte können täuschen, weil sie mit den Vorjahren nicht immer vergleichbar sind. Denn mit dem Verkauf von Tochtergesellschaften verschwinden auch deren Mitarbeiter aus der Konzernstatistik, ohne dass diese Arbeitsplätze automatisch verloren gehen.

Das zeigt das Beispiel des Allianz-Konzerns, der die Dresdner Bank mit Zehntausenden Beschäftigten an die Commerzbank abgab. Statistische Verzerrungen können sich auch zeigen, wenn ein Tochterunternehmen Insolvenz anmeldet: Infineon gibt seine Mitarbeiterzahl inzwischen ohne die verbliebene Qimonda-Belegschaft an, die im September 2008 noch mehr als ein Viertel der Beschäftigten des Gesamtkonzerns umfasste.

Statistiken verbergen Stellenabbau

Umgekehrt können Unternehmenszahlen auch den Abbau von Jobs verbergen. Lufthansa verdankt sein Plus von 9500 Mitarbeitern im Vergleich zum Vorjahr allein der Übernahme von Austrian Airlines und British Midland. Ohne die fast 13.000 Beschäftigten der beiden Fluglinien bleibt unter dem Strich ein Minus von Tausenden Stellen.

Ähnliches gilt für BASF. Der Zuwachs von 9000 Mitarbeitern entpuppt sich als Personalabbau, sobald die rund 12.000 Beschäftigten abgezogen werden, die dank der Übernahme der Ciba-Gruppe in den Konzern integriert wurden. Das Plus von rund 30.000 Mitarbeitern bei der Deutschen Telekom erklärt sich durch die Übernahme von 33.600 Beschäftigten der griechischen OTE-Gruppe.

Mehr als 100.000 Jobs gestrichen

Vor allem aufgrund solcher Effekte waren trotz der Wirtschaftskrise bei 13 der 30 DAX-Unternehmen nach jüngsten Angaben mehr Menschen unter Vertrag als im September 2008. Doch in der Summe bauten die Großkonzerne massiv Stellen ab. Bereinigt um größere Zu- und Verkäufe summiert sich das Minus bei den 30 Unternehmen auf 115.000 bis 125.000 Mitarbeiter binnen eines Jahres.


Statistik:
http://www.tagesschau.de/wirtschaft/personalabbau100.html
 
aus der Diskussion: DAX-Konzerne streichen Jobs - Alle fünf Minuten muss einer gehen
Autor (Datum des Eintrages): buchi1971  (01.12.09 20:36:55)
Beitrag: 1 von 4 (ID:38489933)
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