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Westerwelle schadet dem konservativen Lager

von Bettina Röhl, Journalistin und Publizistin
14.01.2010 -

Die konservativ-konservative Euphorie ist hin. Ideenlosigkeit wird offenbar. Guido Westerwelle verrät als Koalitionär und als Außenminister die Interessen seiner Wähler. Er schadet dem konservativen Lager.

Drei Monate schwarz-gelbe Wunsch-und Herzens-Koalition und schon kommt die Sehnsucht nach Schwarz-Rot wieder hoch. Schwarz-Gelb ist mit dem Personal, das zurzeit das Regieren übt, ein Trauerspiel.

Viele Stimmen hatten sich dahingehend eingesungen, Kanzlerin Angela Merkel für die mächtigste Politikerin weit und breit in der Bundesrepublik zu halten. Zu dieser Meinung hat wesentlich beigetragen, dass Merkel es offenkundig verstand, die kampflüsternen Kochs & Co. in ihrer Partei und letztendlich auch die Granden der Schwesterpartei, CSU, auf Distanz zu halten.

Und jetzt muss die Union mit ansehen, dass ausgerechnet Klein-Guido-Westerwelle die Kanzlerin unscheinbar werden lässt. Das hatten die Mächtigen in der SPD nicht geschafft und Ex-Kanzler Gerhard Schröder hätte das für ausgeschlossen gehalten, dass Guido etwas könnte, woran er selbst als mächtiger Medienkanzler gescheitert ist.

Westerwelle hat in seiner eigenen Partei, der FDP, für die er – diese Prognose soll hier gewagt werden – in einer einmaligen Konstellation nur einmalig im vergangenen September 15 Prozemt Wähleranteile geholt hat, alle Widersacher und Mitstreiter in die zweite Reihe gedrängt. Selbst nimmer ruhende alte Kampfmaschinen in der FDP wie Gerhart Baum, gewiss mit einem schrägen liberalen Profil, haben im Angesichte Westerwelles Kreide gefressen.

Westerwelle gibt auf allen Hochzeiten den Eintänzer

Für die FDP, wie sie steht und liegt, ist Westerwelle derzeit noch Conditio sine qua non. Er hat es geschafft, der Union einen Koalitionsvertrag zu oktroyieren, in dem kindische Steuerversprechen, (die Westerwelle auch noch um jeden Preis durchsetzen will) eine dominante Rolle spielen. Der Koalitionsvertrag ist eher ein FDP-Konstrukt als ein Unionsmodell. Westerwelle lässt Merkel derzeit blass aussehen.

Wenn CDU-Mann Wolfgang Bosbach Merkel gegen hauseigene Kritiker beschützt, wie jüngst geschehen, und ihr ruhige politische Arbeit attestiert, meint er wohl eher, dass der Ungeist von Schröders ruhiger Hand nun bei Merkel gelandet ist. Diese Koalition wird bis jetzt nicht souverän geführt und sie macht auch keine souveräne Politik. Und die Union weiß offenbar nicht, wie sie mit dem obersten Liberalen, der auf allen Hochzeiten den Eintänzer gibt, umspringen soll.

Im Moment scheint Westerwelle nur ultimativ in seine Schranken verwiesen werden zu können und dazu ist Merkel offenbar zu feige, wie sie überhaupt zu feige ist Politik jenseits des Mainstream zu machen. Da war der nicht sonderlich starke rote Motor der SPD der bessere Katalysator, um Merkel und die Ihren am Laufen zu halten und dies auch noch in eine Richtung. Westerwelle beginnt die Republik zu nerven.

Die Gelben sind Marktschreier. Markt, Markt, Markt, ohne, dass erkennbar wäre, wie das Marktgeschehen denn nun konkret auf Trab gebracht werden soll, was auch daran liegt, dass der Oberliberale zwar einer wirtschaftsliberalen Partei vorsteht, selber in seiner Person weder Wirtschafts-noch Finanzfachmann ist. Westerwelles Hauptbeschäftigung in den letzten zwanzig Jahren war es, als Generalsekretär oder als Parteichef die FDP zu bewerben und in Szene zu setzen.

Westerwelle ist als Außenminister bisher unkalkulierbar

Als Außenminister ist Westerwelle bis jetzt unkalkulierbar und die Union katzbuckelt. In seiner grundsätzlichsten Grundsatzrede auf dem Dreikönigstreffen der Liberalen Anfang des Jahres, (in der Westerwelle alle wichtigen Konfliktthemen, wie zum Beispiel Integration/Migration und Atomkraft und selbst die Wirtschaftskrise ausklammerte), schwieg sich Westerwelle zum Thema EU-Beitritt der Türkei aus und schickte seine Parteifreunde in dem Glauben nach Hause, der bis dahin gültige Status quo in Gestalt der deutsch-französischen Verabredung der Türkei eine sogenannte privilegierte Partnerschaft o.Ä. unter bestimmten Bedingungen anzubieten Bestand hätte.

Warum war es Westerwelle nicht möglich das Thema Türkei vor seinem Parteivolk und der Öffentlichkeit frank und frei zu diskutieren? Kurz nach der Rede am 6.Januar trat Westerwelle seine Antrittsreise in einige Länder des Nahen Ostens an und besuchte bei dieser Gelegenheit auch die Türkei. Dort zauberte er –nur wenige Stunden nach seiner Stuttgarter Rede - eine Abkehr von Merkels und Sarkozys Konsens aus dem Hut und stellte in seiner grenzenlosen Selbstherrlichkeit fest, dass mit der Türkei nun doch, selbstverständlich unter Bedingungen, Verhandlungen mit dem Ziel eines Beitritts sein sollen.

Die Union kuscht, die Franzosen sind sauer und vor allem irritiert und fragen sich gewiss: gehört dies zum politischen Repertoire, dass Westerwelle zu spontanen Eigengängen neigt, mit denen er diplomatische Fakten schafft? Oder steckt eine raffinierte Kanzlerin dahinter, die das Ganze ausgeklügelt hat, um nicht selber den deutsch-französischen Konsens aufkündigen zu müssen?

Zu Beginn der Amtszeit von Westerwelle geisterte das Argument durch die Medien, dass ein schwuler deutscher Außenminister Probleme mit Staatsbesuchen in islamischen Ländern und in anderen Ländern haben könnte, in denen Homosexualität unter Strafe, gar unter Todesstrafe steht, und zumindest in erheblichem Umfang geächtet wird und unerwünscht ist.

Dies Problem hat sich in der Realität, vorhersehbar, nicht wirklich eingestellt. Aber, dass ein Westerwelle sich selber unter Handlungsdruck stellt und etwas Kompensatorisches spontan anbietet, ohne nach deutschem Verständnis zu irgendeiner Kompensation gedrängt zu sein, ist nicht ausgeschlossen.

Sich in der Türkei lieb Kind machen

Sich in der Türkei lieb Kind machen ist als Motiv für Westerwelles spontanen Hakenschlag nach Hasenhart sicher nichts, was man für ausgeschlossen erachten kann. Jedenfalls darf vermutet werden, dass Westerwelle sich auf Erdogans Sofa spontan zu einem Paradigmenwechsel der deutschen Türkeipolitik hinreißen ließ.

Wie auch immer, Außenpolitik ala Westerwelle, scheint eine wackelige Angelegenheit werden zu können, wenn Eigenmächtigkeiten die Richtlinienkompetenz und den Koalitionskonsens unterlaufen. Westerwelle hat eine diktatorische Ader und das kollidiert damit, dass die Richtlinienkompetenz nicht bei ihm, sondern bei der Kanzlerin liegt. Auf dem diplomatischen Parkett sollte ein deutscher Außenminister agieren, der im Inneren legitimiert ist und im Außen uneingeschränkt verlässlich handelt.

Die Begeisterungsschreie von Grünen-Chef Cem Özdemir und dem grünen Ex-RAffer Christian Ströbele, die gleichzeitig von „schwarz-gelber Horrorpolitik“ phantasieren und Westerwelles Eskapaden dabei politisch lobend ausnutzen, sollte die Union dazu veranlassen mit kühlerem Kopf auf den Zauberlehrling Westerwelle zu schauen.

Ist Westerwelle ein Verräter? Unter dem Motto, dass er der einzige Politiker sei, der seine Wahlversprechen auf Biegen und Brechen einhielte, verrät Westerwelle konservative Interessen und auch diejenigen, die ihm ihre Stimme geliehen haben. Er überspannt den Bogen und liefert damit viel weniger als versprochen. Das ist auch eine Form von Verrat.

Westerwelle müsste das soziale Alphabet strafweise aufsagen

Die erste Quittung des potenziellen Wählers hat Schwarz-Gelb jetzt erhalten: die Umfragewerte sind rechtzeitig vor dem eigentlichen Drei-Königstreffen am nächsten Sonntag dramatisch eingebrochen. Merkel muss Westerwelle an die Kandare nehmen und ihn als Juniorpartner führen und eine für den Wähler, die Regierung und für das Ausland kalkulierbare Außenpolitik abmahnen.

Und Westerwelle muss im Kanzleramt das soziale Alphabet strafweise 100 Mal aufsagen, damit die FDP die Republik nicht in einen sozialen Kälteschock führt. Das wäre am Ende in sehr kurzer Zeit dann der Booter für eine Beteiligung der Linkspartei an der nächsten Bundesregierung.

Nicht Machtspiele in den Partei-und Regierungsapparaten sind gefragt, denn die sind von allein ohne Zutun eines der Spieler zu haben. Augenmaß ist gefragt. Das heißt, die Balance zwischen Kapital und Arbeit muss aktiv austariert werden, damit die Wirtschaft brummt und die Schwachen partizipieren.

Bleibt zu hoffen, dass wenigstens die CSU die koalitionären Boxhandschuhe anzieht und Westerwelle dort, wo er aus dem Ruder läuft, auf die Bretter schickt. Am Wochenende steht der Krisengipfels mit Merkel, Westerwelle und Seehofer an und es wäre wenig zielführend, wenn die FDP da nicht mit ein paar Blessuren aus dem Treffen heraus käme.

Westerwelle benimmt sich als frisch gebackener Bundesminister wie ein 18-Jähriger, der gerade den Führerschein gemacht hat und von Pappi einen ganz heißen Ofen geschenkt bekommen hat, den er noch nicht beherrscht.

Bei dem kleinen schwarz-gelben Krisengipfel im Kanzleramt am nächsten Sonntag Abend wird Westerwelle den Unionsführern Merkel und Seehofer Rede und Antwort stehen müssen, warum seine persönlichen Werte und die Wählerakzeptanz der FDP einbrechen.

 
aus der Diskussion: * GUIDO WESTERWELLE *
Autor (Datum des Eintrages): Heidi_Klum  (18.01.10 17:42:21)
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