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apropos Kurve kriegen:

Berlin, 10. Juni 2009
Das Insolvenzplanverfahren: Chance in der
Krise
Bundesjustizministerin Brigitte Zypries hat angesichts der Insolvenzantragsstellung des
Karstadt-Quelle-Konzerns Arcandor AG auf die Vorzüge des deutschen Insolvenzrechts bei
der Sanierung notleidender Unternehmen hingewiesen. Vor allem das so genannte
Insolvenzplanverfahren stellt ein geeignetes Instrumentarium zur Fortführung von
Unternehmen und zum Erhalt von Arbeitsplätzen dar.
Die Rechte der Arbeitnehmerinnen und
Arbeitnehmer werden dabei in besonderer Weise geschützt.
"So berechtigt und verantwortungsvoll die Bemühungen waren, eine Insolvenz des Arcandor-
Konzerns und seiner Warenhäuser zu vermeiden, so wichtig ist es jetzt, vor allem Schaden
von den Beschäftigen abzuwenden. Sanieren statt zerschlagen ist das oberste Gebot der
Stunde - es geht vor allem um den Erhalt von Arbeitsplätzen. Unser Insolvenzrecht ist dafür
gut gerüstet. In Deutschland muss eine Insolvenz keineswegs das Ende bedeuten. Sondern:
Mit dem Insolvenzplanverfahren beginnt ein Sanierungsprozess, aus dem überlebensfähige
Firmen gestärkt hervorgehen können. Zahlreiche Beispiele aus der Vergangenheit zeigen dies
- wie etwa die erfolgreichen Insolvenzplanverfahren der Unternehmen 'Babcock Borsig',
'Herlitz', 'Ihr Platz' und 'Sinn Leffers'. Das Insolvenzplanverfahren bietet gute Chancen, um
den Fortbestand des Unternehmens zu sichern und Arbeitsplätze zu erhalten. Alle Beteiligten,
die Verantwortung für das Unternehmen und damit für Zehntausende=2 0von Beschäftigten
tragen, sind jetzt aufgerufen, die Krise als Chance zu nutzen", betonte Bundesjustizministerin
Brigitte Zypries.
Im Einzelnen
Zur Bedeutung der Insolvenzantragstellung:
Mit dem Insolvenzantrag wird wertvolle Zeit gewonnen, um einen Überblick über die Aktiva
und Passiva sowie die notwendige Orientierung für das weitere Verfahren zu finden, etwa um
weitere Sanierungen bzw. Restrukturierungen zu prüfen oder neue Geldgeber zu finden.
Der
Wettlauf der Gläubiger wird vorerst beendet, Spekulationen über immer neue Geldgeber oder
Umstrukturierungen wird zunächst der Boden entzogen. Die Löhne können wegen des
Insolvenzgeldes während des voraussichtlich dreimonatigen Vorverfahrens weiter gezahlt
werden, die Arbeitsplätze sind damit bis zur Verfahrenseröffnung weitgehend sicher.
Unmittelbar nach Beantragung des Insolvenzverfahrens kann das Insolvenzgericht
Sicherungsmaßnahmen treffen, um eine nachteilige Veränderung der Vermögenslage des
Schuldners zu verhindern. Das Gericht kann etwa einen vorläufigen Insolvenzverwalter
einsetzen und Zwangsvollstreckungsmaßnahmen gegen den Schuldner untersagen. Bereits
hierdurch wird zu einer Stabilisierung des schuldnerischen Unternehmens beigetragen und ein
Auseinanderreißen der Vermögenswerte verhindert. Bis zur Eröffnung des
Insolvenzverfahrens muss der vorläufige Insolvenzverwalter das Unternehmen fortführen.
Zum Insolvenzplanverfahren:
1. Grundzüge u nd Vorteile des Verfahrens
Der Insolvenzplan soll insbesondere zum Erhalt des Unternehmens beitragen und einen
gerechten Ausgleich zwischen den Interessen des Schuldners und der Gläubiger schaffen. Im
Insolvenzplanverfahren kann die Befriedigung der Insolvenzgläubiger, die Verwertung der
Insolvenzmasse und deren Verteilung in einem Insolvenzplan abweichend von den
Vorschriften der Insolvenzordnung geregelt werden. Dadurch kann auf die Belange der
Arbeitnehmer und insbesondere auf deren Absicherung besonders Wert gelegt werden.
Der Insolvenzplan eröffnet ein Höchstmaß an Flexibilität, um die Sanierung des
Unternehmens zu erreichen. Der Plan kann zur Erhaltung des ganzen Unternehmens oder von
Teilen eingesetzt werden. Insofern kann etwa vorgesehen werden:
· Kürzung oder Stundung von Insolvenzforderungen,
· Eingriffe in Sicherungsrechte,
· Regelungen zur Haftung des Schuldners auch nach Abschluss des Verfahrens,
· Verpflichtungserklärungen von Dritten (z. B. Einsatz staatlicher Mittel),
· Zustimmung des Schuldners zu Kapitalherabsetzung und Aufnahme neuer
Gesellschafter.
Der Insolvenzplan kann sich auf rein finanzwirtschaftliche Maßnahmen beschränken - etwa
durch Reduzierung der Schuldenlast bei Banken -, mit ihm kann aber ebenso gut eine völlige
Neuausrichtung des Unternehmens angestrebt werden.
Die wirtschaftlichen Interessen der Gläubiger werden angemessen berücksichtigt, da sie über
den Insolvenzplan nach Gruppen abzustimmen haben. Selbst wenn di e Mehrheit der
Gläubiger dem Plan zugestimmt hat, muss das Gericht unter Umständen die Bestätigung
versagen, wenn ein widersprechender Gläubiger - etwa Teile der Arbeitnehmer - glaubhaft
macht, dass er durch den Plan schlechter gestellt wird, als er im Falle einer Liquidation
stünde.
2. Schutz von Arbeitnehmerrechten
Insolvenzgeld
Im Falle der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens haben die Arbeitnehmerinnen und
Arbeitnehmer für die der Eröffnung vorausgehenden drei Monate einen Anspruch auf
Insolvenzgeld. Zu diesen Vergütungsansprüchen zählen alle Leistungen des Arbeitgebers, die
eine Gegenleistung für die Arbeitsleistung des Arbeitnehmers darstellen (Lohn, Auslösungen,
Aufwendungsersatzleistungen, Zuschläge und Zulagen etc.).
Da die Leistungen der Insolvenzgeldversicherung erst mit der Eröffnung des
Insolvenzverfahrens, also nicht schon mit der Insolvenzantragstellung, fällig werden, wurde
das Institut der Vorfinanzierung von Insolvenzgeld geschaffen. Es ist das wichtigste
Instrument einer Betriebsfortführung. Der vorläufige Insolvenzverwalter wird so in die Lage
versetzt, Löhne und Gehälter der Mitarbeiter zu zahlen und damit ein
Leistungsverweigerungsrecht wegen Verzuges auszuschalten.
Betriebliche Altersversorgung
Die gesetzliche Insolvenzsicherung ist das wichtigste Mittel, Arbeitnehmer und
Betriebsrentner vor dem Verlust ihrer betrieblichen Altersversorgung zu schützen. Sie
erhalten von Gesetzes wegen eine im Vergleich zu anderen Gläubigern bevorzugte Stellung.
Insofern sind sie etwa mit Haftpflichtgeschädigten im Straßenverkehr zu vergleichen, da sie
gegen die Insolvenz des Versorgungsschuldners pflichtversichert werden.
Sozialplan
Mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens sind regelmäßig Betriebsänderungen (z. B.
Veränderungen von Arbeitsplätzen) verbunden, deren wirtschaftliche Nachteile über einen
Sozialplan ausgeglichen oder zumindest gemildert werden sollen. Dieser Sozialplan darf nicht
mehr als zweieinhalb Monatsverdienste aller von einer Entlassung betroffenen Arbeitnehmer
umfassen und soll nicht mehr als ein Drittel der Masse in Anspruch nehmen. Mit dem
Sozialplan werden die Arbeitnehmer deutlich besser gestellt als sonstige Insolvenzgläubiger.
3. Einleitung des Verfahrens
Das Planverfahren nach der Insolvenzordnung wird erst dann eingeleitet, wenn durch den
Schuldner oder einen Gläubiger ein Insolvenzantrag gestellt und daraufhin das Verfahren
eröffnet wurde. Zur Vorlage des Insolvenzplans sind der Schuldner sowie der
Insolvenzverwalter berechtigt.
Besonderheit: Eigenverwaltung
In der Regel verliert der Schuldner mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens die
Verfügungsbefugnis über sein Vermögen; dies ist jedoch im Verfahren der Eigenverwaltung
nicht der Fall, das ebenfalls mit einem Insolvenzplan kombiniert werden kann. Dabei behält
die bisherige Geschäftsführung die Zügel weiter in der Hand, allerdings unter der Aufsicht
des Insolvenzverwalt ers als "Sachwalter".
Dies bedeutet zunächst, dass der Vorstand von Arcandor weiter für das schuldnerischer
Unternehmen die Geschäfte leitet. Allerdings wird als Generalbevollmächtigter in der Regel
ein erfahrener Insolvenzverwalter gewählt, der das Vertrauen der Gläubiger und Anteilseigner
genießt. Dies bietet den Vorteil, dass die Erfahrungen der bisherigen Geschäftsleitung zur
Sanierung genutzt werden können, gleichzeitig jedoch ein erfahrener Insolvenzexperte mit die
Geschicke des Unternehmens leitet. Zusätzlich werden die Interessen der Insolvenzgläubiger
noch dadurch abgesichert, dass ein Sachwalter die Geschäftsführung überwacht und
kontrolliert, ob der Insolvenzzweck hierdurch nicht gefährdet wird.
Vor allem bei in zahlreiche Gesellschaften aufgegliederten Konzernen, bietet die
Eigenverwaltung den Vorteil, dass nur ein Sachwalter bei allen betroffenen Gesellschaften für
die koordinierte Abwicklung der Insolvenz sorgt, gleichzeitig aber weiter die Synergieeffekte
des Konzerns genutzt werden können. Andernfalls würde die Gefahr bestehen, dass bei der
Einsetzung von zahlreichen Insolvenzverwaltern Reibungsverluste auftreten, die den
wirtschaftlichen Wert des gesamten Unternehmens minimieren.
4. Wirkungen des Insolvenzplans
Wird der Beschluss, mit dem der Insolvenzplan bestätigt wurde, rechtskräftig, so treten die im
gestaltenden Teil festgelegten Wirkungen ein. Die Rechte der Verfahrensbeteiligten werden
somit umgestaltet, d.h. für den Schuldner, die Insolvenzgl4ubiger und auch für die
Sicherungsgläubiger gilt ab diesem Zeitpunkt eine neue Rechtslage, unabhängig davon, ob die
jeweiligen Gläubiger ihre Forderungen rechtzeitig angemeldet hatten oder nicht.

Herausgegeben vom Referat Presse- und Öffentlichkeitsarbeit des
Bundesministeriums der Justiz
Verantwortlich: Eva Schmierer; Redaktion: Dr. Thorsten Bauer, Dr. Katharina Jahntz, Harald
Schütt, Ulrich Staudigl
Mohrenstr. 37, 10117 Berlin
Telefon 030/18 580 9030
Telefax 030/18 580 9046
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aus der Diskussion: Allbecon Olympia - gnadenlos unterbewertet??
Autor (Datum des Eintrages): Loewe2004  (19.01.10 18:34:35)
Beitrag: 54 von 420 (ID:38767046)
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