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Die GoingPublic-Kolumne: Der Wegfall der Goodwill-Abschreibung nach US-GAAP

WOLFRATSHAUSEN (GoingPublic) - Bereits seit über 25 Jahren wettstreiten die beiden Standards US-GAAP und IAS um die weltweite Vorherrschaft unter den Bilanzierungsvorschriften. Jetzt hat das US-GAAP-Board eine neue Runde in diesem Zweikampf eingeläutet: Die regelmäßigen Abschreibungen auf Firmenwerte sollen fallen.
1997 hatte die Deutsche Börse alle Neuer Markt-Unternehmen verpflichtet, einen Konzernabschluss auf Basis internationaler Rechnungslegungsstandards zu erstellen. Damit sollten die Gesellschaften auch für internationale Investoren interessant und vergleichbar gemacht werden. Im Gegensatz zu den heimischen Vorschriften des Handelsgesetzbuches sind IAS und US-GAAP nicht an den mit einem Sicherheitsbedürfnis ausgestatteten Gläubiger des Unternehmens gerichtet, sondern an dessen Aktionäre. Diese wollen über die tatsächliche wirtschaftliche Situation der Gesellschaft informiert werden. So sind z.B. in den internationalen Vorschriften kaum Wahlmöglichkeiten beim Ansatz einer Bilanzposition vorhanden, wogegen im HGB zahlreiche dieser Möglichkeiten genutzt werden können.

Obwohl IAS und US-GAAP in den meisten Punkten sehr gut miteinander vergleichbar sind, kämpfen beide Standards um die internationale Vorherrschaft. So müssen z.B. alle Unternehmen, die an einer amerikanischen Börse eigene Wertpapiere, sei es Aktien oder Anleihen, handeln lassen wollen, einen vollständigen Jahresabschluss nach US-GAAP vorlegen. Dagegen plant die EU-Kommission, ab 2005 allen börsennotierten europäischen Unternehmen die Bilanzierung nach IAS vorzuschreiben. Einen nächsten Schritt in diesem Wettstreit hat jetzt das FASB, das für US-GAAP-Vorschriften zuständige Board, unternommen: Ab dem Geschäftsjahr, das nach dem 15.12.2001 beginnt, soll es keine regelmäßigen Goodwill-Abschreibungen mehr geben.

Ein Goodwill (oder "Firmenwert") entsteht bei der Übernahme eines anderen Unternehmens und wird in der Bilanz als Vermögenswert angesetzt. Dieser Goodwill errechnet sich aus dem Nettowert der übernommenen Vermögensgegenstände abzüglich der übernommenen Schulden ("Purchase Method"). Bisher musste diese Bilanzposition nach US-GAAP über die voraussichtliche Nutzungsdauer, jedoch maximal über 40 Jahre regelmäßig und linear abgeschrieben werden. Diese Regelung zog z.T. deutliche Belastungen der Gewinn- und Verlustrechnung nach sich. So musste z.B. die Primacom AG im Geschäftsjahr 2000 Goodwill-Abschreibungen in Höhe von 53,1 Mio. Euro verbuchen, die zu einem Jahresfehlbetrag von 64,3 Mio. Euro führten. Statt der regelmäßigen Abschreibung sollen individuelle Wertberichtigungen durchgeführt werden, wenn der Marktwert des Goodwills nachhaltig geringer als dessen Buchwert ist.

Welche Auswirkungen hat diese Änderung nun für den Anleger? Zum ersten wird es noch schwieriger, verschiedene Unternehmen auf KGV-Basis miteinander zu vergleichen. Bilanziert ein Vergleichsunternehmen z.B. nach IAS, so muss bei diesem erst die GuV-Position "Abschreibungen" in solche aus Goodwill bzw. aus sonstigen Bilanzpositionen (z.B. Sachanlagen) getrennt werden. Aber damit es ist noch nicht getan: Auch der steuerliche Einfluss dieses Abschreibungsbestandteiles müsste erst noch berechnet und eliminiert werden. Erst dann wären beide Unternehmen auf Nachsteuer-Basis miteinander vergleichbar. Als Alternative bietet sich der Vergleich der Ergebnisgröße EBITDA (Ergebnis vor Abschreibungen, Zinsen, Steuern). Hierbei wird jedoch nicht nur der steuerliche Einfluss, sondern auch der Einfluss des Zinsergebnisses vernachlässigt. So würde ein fremdkapitalfinanziertes Unternehmen mit einer eigenkapitalfinanzierten Gesellschaft gleichgestellt werden, obwohl die erstere Zinsen zahlen muss, die zweite jedoch Zinsen erhält. Weitere Nachteile sind die deutlich schlechtere Prognosesicherheit und die mögliche Willkür der Unternehmen bei der Realisierung etwaiger Verluste.

Natürlich gibt es aber auch Vorteile bei dieser neuen Regelung. So wird die Bilanzposition "Goodwill" deutlich marktgerechter ausgewiesen, und die Gewinn- und Verlustrechnung beschreibt den effektiven Geschäftsverlauf im Berichtszeitraum wesentlich realistischer. Des weiteren ist auch eine Beschleunigung der Marktkonsolidierung durch gesteigerte Akquisitionstätigkeiten vorstellbar.

Ob die Aktien US-GAAP-bilanzierender Unternehmen letztendlich vom Wegfall der Goodwill-Abschreibung profitieren, bleibt abzuwarten. Auf der einen Seite "verbessert" sich die Ertragslage von Unternehmen mit hohen Firmenwert-Positionen schlagartig. Auf der anderen Seiten ist es aber auch nicht auszuschließen, dass sich die Marktteilnehmer aus Angst vor latenten hohen Sonderabschreibungen gerade von diesen Unternehmen abwenden.

Quelle:http://www.gatrixx-finanztreff.de/gatrixx/news.htm?id=100715…

Ciao Kamischke
 
aus der Diskussion: PRIMACOM THREAD 94
Autor (Datum des Eintrages): kamischke  (05.07.01 13:48:12)
Beitrag: 96 von 247 (ID:3888568)
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