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Vakuum bei der Kriminalitätsbekämpfung im Internet ist ein Hochrisiko für die Sicherheit der Bürger – Sondersitzung der IMK und JuMiKo zur Schadensbegrenzung unverzichtbar

Offener Brief des Bundesvorsitzenden i.S. Vorratsdatenspeicherung an Bundeskanzlerin Frau Dr. Merkel

Sehr geehrte Frau Bundeskanzlerin,

konsterniert haben meine Kolleginnen und Kollegen auf das Urteil des BVerfG insbesondere deshalb reagiert, weil der Verzicht auf eine Übergangsregelung dazu geführt hat, dass das, was gestern noch Beweismittel oder Ermittlungsansatz war, nun unmittelbar nach dem Urteil gelöscht werden musste. Damit ist ein Flurschaden bei Kriminalitätsbekämpfung und Gefahrenabwehr entstanden, der in seiner Tragweite überhaupt noch nicht abzuschätzen ist. Bundesweit wurden bereits in den ersten Tagen nach dem Karlsruher Urteil hunderte Ermittlungsakten geschlossen, weil sie ohne die Nutzung der Verkehrsdaten nicht aufzuklären sind.

Ernüchternd ist die Erkenntnis aus dem Urteil, dass im Wesentlichen die Durchführungsbestimmungen die Reaktion des BVerfG herausgefordert haben – und man muss hierbei die Berechtigung der Kritik ausdrücklich einräumen. Hier hat die Bundesnetzagentur die Handlungsbedarfe jahrelang verschlafen!

Als Gesellschaft befinden wir uns in einer problematischen Gemengelage, in der weder Politik noch Justiz die Herausforderungen verstehen, ohne in fast schon verantwortungsloser Weise abhängig zu sein von Lobbyisten aus dem Bereich der IT–Industrie (Politik) oder sich ausgesprochen einseitig vor der Urteilsfindung durch den Chaos Computer Club (CCC) beraten zu lassen (BVerfG). Kriminalpolizei und/oder Opfer spielen bei den Beratungen in beiden Bereichen nach wie vor keine Rolle, was u.a. auch die eingesetzte Enquete Kommission allein schon durch die gewählte Zusammensetzung signalisiert.

Aus vielen Gesprächen des BDK mit der sog. Netzkultur wurde deutlich, welche Wirklichkeitsverzerrungen und zum Teil naive Vorstellungen dort dazu vorherrschen, was Kriminalpolizei tut oder darf. Diese Naivität muss zu meinem Bedauern auch bei den „Polizeiexperten“ konstatiert werden, die in dieser Lage (wie immer) nach mehr Polizei rufen, die bei weniger Handlungsspielräumen dann im Internet spazieren gehen sollen – so bitte nicht!

Wenn diese gefährliche Gemengelage noch dadurch angereichert wird, dass sich Ihre Justizministerin dafür feiern lässt, dass sie bestehende Schutzlücken erst nach gründlicher Überlegung ggf. schließen will, dann wird die Kriminalpolizei in den erforderlichen Arbeitsmöglichkeiten beschränkt und der Bürger im Netz total sich selbst überlassen. Der Bund Deutscher Kriminalbeamter wird dieses so nicht hinnehmen. Bereits am 5.3.2010 haben wir in einem Brief an die Vorsitzenden der IMK/JuMiKo eine gemeinsame Sondersitzung eingefordert.

Mit der vorliegenden Blaupause des Urteils des BVerfG darf man im Interesse aller darauf vertrauen, dass zeitnah die Schutzlücke für die Bürger und damit auch für den Wirtschaftsstandort Deutschland geschlossen werden wird. Ich darf in diesem Zusammenhang Niedersachsens Innenminister Uwe Schünemann (CDU) aus der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung vom 6.3.2010 zitieren "Ich verstehe die zögerliche Haltung der Justizministerin nicht. Sie muss das Urteil nur noch abschreiben. Einfacher geht es nicht".

Sehr geehrter Frau Bundeskanzlerin,

der Bund Deutscher Kriminalbeamter bittet Sie nachdrücklich zu diesem Themenbereich die Zügel selber in die Hand zu nehmen. Setzen Sie sich an die Spitze der Initiative für die sichere Nutzung der neuen Medien, installieren Sie dafür einen Koordinator im Bundeskanzleramt, wie wir dieses aus fachlichen Gründen = das sind andere Motive, als sie bei der BITKOM vorliegen) bereits mit einer entsprechenden Presseerklärung seit dem 23.09.2009 fordern.

Hochachtungsvoll

Klaus Jansen
Bundesvorsitzender des Bund Deutscher Kriminalbeamter
http://www.bdk.de/kommentar/artikel/vakuum-bei-der-kriminali…
 
aus der Diskussion: Deutschland - ein Rechtsstaat ...?
Autor (Datum des Eintrages): HeWhoEnjoysGravity  (09.03.10 12:40:04)
Beitrag: 89 von 298 (ID:39092223)
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