Fenster schließen  |  Fenster drucken

ich habe den bericht gefunden
Kleinaktionäre raus ?

Großaktionäre lassen die Muskeln spielen. Sie wollen endlich die lästigen Kleinanleger loswerden. Ein neues Gesetz soll dabei helfen. Doch Privatinvestoren müssen sich nicht abspeisen lassen.
von Thorsten Schüller

Das war ein guter Tag für die kleine Schar der verbliebenen 7400 Mannesmann-Aktionäre. Am 11. Juni bot ihnen die britische Mobilfunkgesellschaft Vodafone, seit Jahresanfang Mutterkonzern von Mannesmann, eine Abfindung von 206,53 Euro je Mannesmann-Aktie an. Das Papier, das bis dahin bei Kursen um 130 Euro dahintänzelte, schoss innerhalb weniger Stunden fast senkrecht auf 204 Euro hoch, machte dann einen 90-Grad-Knick und verharrt seitdem wie festgezurrt auf seinem hohen Niveau.
Grund der Vodafone-Offerte: Die Briten, die bereits gut 99 Prozent an dem einstigen Stahlkocher halten, wollen die Tochter komplett an sich binden. Mannesmann soll künftig seinen gesamten Gewinn an die Vodafone Deutschland GmbH abführen.

Vodafone ist nicht der einzige Konzern, der die übernommene Gesellschaft fest an die Hand nimmt. Zahllose Unternehmen halten Beteiligungen jenseits der 90-Prozent-Marke und wollen diese - zwecks totaler Kontrolle - ganz übernehmen. Da kommt den Mächtigen in der Wirtschaftswelt das für 2002 geplante deutsche Übernahmegesetz gerade recht. Denn das enthält den unscheinbaren, aber folgenreichen Passus über das "Squeeze Out". Dieser besagt, dass Großaktionäre mit mindestens 95 Prozent Anteilen an einer Firma die restlichen Aktionäre mit einer "angemessenen Barabfindung" hinausdrücken können - auf Englisch: to squeeze.

Das federführende Bundesfinanzministerium kommt mit dem Gesetz vor allem der Wirtschaft entgegen. Die argumentiert, dass es "ökonomisch keinen Sinn macht, sehr kleine Minderheiten in Aktiengesellschaften zu belassen." Zum einen sei die Verwaltung dieser Aktionäre teuer - so müssten zum Beispiel eigene Hauptversammlungen einberufen werden. Zum anderen machten die Kleinaktionäre viel Ärger. "Kleinstbeteiligungen werden oftmals miss-braucht", so das Eichel-Ministerium, "um den Mehrheitsaktionär bei der Unternehmensführung zu behindern und ihn zu finanziellen Zugeständnissen zu veranlassen." Gegen den Willen einzelner Kleinaktionäre ließen sich nötige Umstrukturierungen "oft nicht durchsetzen". Max Dietrich Kley, seit Mai Vorsitzender der Börsensachverständigenkommission beim Bundesfinanzministerium, verweist ferner auf die Squeeze-Out-Regelungen bei etlichen unserer europäischen Nachbarländern. Kley: "Wir sollten versuchen, den Anschluss an die internationalen Finanzmärkte zu finden."

In den Vorstandsetagen dürften die Pläne für die Attacke auf die Kleinaktionäre bereits ausgearbeitet sein. Reinhild Keitel, Vorstandsmitglied der Schutzgemeinschaft der Kleinaktionäre (SdK), hat jedenfalls "eine Fülle von Gesellschaften" ausgemacht, bei denen ab 2002 ein Squeeze Out drohen könnte. Dazu zählen vor allem Unternehmen, die über einen Beherrschungsvertrag an den Mutterkonzern gebunden sind und nur noch geringen Streubesitz haben.

Aktionärsschützerin Keitel sieht das bevorstehende große Fressen mit Sorge. Bisher konnte kein Aktionär gegen seinen Willen aus einer Firma gedrängt werden. Mit dem Squeeze Out werde nun dieses "hehre, schützenswerte Prinzip über Bord geworfen." Dem hält das Haus Eichel im besten Behördendeutsch entgegen, dass der "Verlust der Rechtsposition des Kleinaktionärs im Hinblick auf die angestrebte Stärkung der unternehmerischen Flexibilität und die vorgeschriebene wirtschaftlich volle Entschädigung hinreichend gerechtfertigt" sei. Die kleinen Anleger, so das Ministerium, könnten ohnehin "keinen relevanten Einfluss" ausüben.

SdK-Sprecherin Keitel kann das nicht überzeugen. Sie kritisiert, dass die Minderheitsaktionäre das rüde Verhalten des Haupteigners weitgehend widerstandslos zu schlucken hätten. Nach dem Gesetzentwurf muss der Großaktionär denselben Preis pro Papier bieten, den er bei der Übernahme der Aktienmehrheit bezahlt hat.Wenn dies innerhalb von sechs Monaten geschieht, sollen die Aktionäre keine Möglichkeit haben, per Gericht die Höhe des Preises überprüfen zu lassen. Ist mehr als ein halbes Jahr verstrichen, muss das Übernahmeangebot "angemessen" sein Ö ein dehnbarer Begriff. Zwar kann der Preis in diesem Fall durch ein Spruchstellenverfahren überprüft werden. Doch das dauert bekanntlich.

Petra Krüll, Sprecherin der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW), fordert, dass die Kleinaktionäre generell die Möglichkeit haben sollten, "den Preis überprüfen zu lassen. Diese Leute sollen zu einem Preis rausgedrängt werden, den der Großaktionär bestimmt."

Anleger, die auf ein üppig ausgestattetes Squeeze Out spekulieren, sollten auf jeden Fall gute Nerven mitbringen. Beispiele dafür, dass Aktionäre einen prima Schnitt machen konnten: Die Hoechst-Aktie ist seit Jahresanfang von 34,50 Euro auf jetzt 56 Euro gestiegen Ö in der Erwartung, der Großaktionär Aventis könnte bald ein neues Übernahmeangebot machen. Und auch Mannesmann zählt zu den Spekulationsgewinnern.

Die Hoffnung auf eine hohe Abfindung ist allerdings mit großen Risiken behaftet. Zum einen, so DSW-Sprecherin Krüll, ist nicht sicher, ob der Großaktionär tatsächlich jemals ein Übernahmeangebot machen wird. Zum anderen mache ein Abfindungsangebot nur dann Sinn, wenn es über dem Börsenwert der Firma liege.

Doch den wahren Wert zu taxieren ist schwierig, wie das Beispiel Mannesmann zeigt. Die Industriesparte Atecs ist verkauft, die Mobilfunkgesellschaft Orange und das Geschäft mit Luxusuhren sind abgestoßen. Das alte Umtauschangebot von 68,95 Vodafone-Papieren je Mannesmann-Aktie ist heute keine Bewertungsbasis mehr.

Außerdem handelt es sich bei den Squeeze-Out-Kandidaten oft um marktenge Werte. Durch gezielte Verkäufe kann der Großaktionär diese Papiere leicht auf ein niedrigeres Kursniveau drücken und daran sein Übernahmeangebot orientieren.

Kleinanleger, die sich der Macht der Großaktionäre widersetzen wollen, können den Anteilseignern der Sachsenmilch AG nacheifern. Unter Regie des Dresdner Universitäts- professors Hermann Locarek-Junge wollen sie in einem Pool fünf Prozent der Anteile vereinen und so die Übernahmeabsichten des Großaktionärs Müller Milch durchkreuzen. 4,8 Prozent der Anteile hat Locarek-Junge bereits gebündelt. Schaffen die Anleger die Fünf-Prozent-Hürde, werden sie sich von Müller nicht so einfach abspeisen lassen. Da müssten dann schon ein paar Sahnehäubchen auf der Milchsuppe schwimmen.


http://www.finanzen.net/euro/
 
aus der Diskussion: STOP LOS abzocken /-/ SHORTEN /-/ BASHEN /-/ ANGST verbreiten
Autor (Datum des Eintrages): @CASH@  (10.07.01 09:57:34)
Beitrag: 43 von 45 (ID:3922576)
Alle Angaben ohne Gewähr © wallstreetONLINE