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DEUTSCHLAND------aus Stern-on,ine vom 10.7.2001
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Abschied. Hannelore Kohl verlässt ihren Mann









Schwierige Spurensuche
Spurensuche. Sie gestaltet sich schwierig. Noch im Juni hat sich Hannelore Kohl an einem langen Gespräch über eine vom WDR geplante TV-Dokumentation über Kohl beteiligt. Lebhaft diskutierte sie mit. Lachte, alberte, spottete. Depressionen? Keine Spur. Vier Tage vor ihrem Tod saß sie wie so oft zuvor in Kohls Lieblingsrestaurant "Deidesheimer Hof" und löffelte genüßlich einen Eisbecher leer. Schmerzen? Keiner merkte ihr etwas an. "Sie sah gut aus und scherzte mit uns", berichtet Restaurant-Chef Manfred Schwarz.

Doch da gibt es auch die erst wenige Wochen zurückliegende Hochzeit ihres Sohnes Peter mit der Türkin Elif Sözen. Kohl ist mit dem Privatflieger des Medienzaren Leo Kirch nach Istanbul geflogen, im Tross auch seine langjährige Vertraute Juliane Weber. Die Mutter des Bräutigams aber saß hinter den Betonmauern des

Oggersheimer Bungalows und musste sich von ihrem älteren Sohn Walter per Handy vom Fest am Bosporus berichten lassen. Nicht dabei zu sein, schon das hat sie schier umgebracht. "Ein furchtbarer Schlag", sagt auch der frühere Friesenheimer Stadtdekan Erich Ramstetter, sein Leben lang Freund der Kohls.

Es wisperte und flüsterte damals in den Berliner CDU-Zirkeln. Gab es wirklich keinen Weg, sie trotz ihrer Lichtallergie wenigstens am Abend an der Hochzeit teilnehmen zu lassen? Weshalb nur nahm Kohl die Weber mit? Unmöglich, der Alte, raunte es. Ausgerechnet die Frau, deren enge Beziehung zu Kohl 30 Jahre lang Anlass für Spekulationen gab! An diesem Tag, da ist sich einer ganz sicher, der Hannelore Kohl über Jahrzehnte nahe war, hat sie wieder ein Stück Lebensmut verloren.



DEUTSCHLAND
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Abschied. Hannelore Kohl verlässt ihren Mann




`81: Die Kohls im Urlaub am Wolfgangsee




Wenig reimt sich zusammen in der Lebensphase vor Hannelore Kohls Tod. Widersprüche überall. Wenn es stimmt, dass sie zuletzt kaum die wenigen Treppenstufen zwischen Schlafzimmer und Wohnzimmer schaffte, weshalb hat sich dann Kohl zu einer mehrtägigen Auslandsreise abgemeldet, ausgerechnet in der Woche, in die der 41. Hochzeitstag fiel? Anteilnehmende Fürsorge sieht anders aus.

Da teilt das Büro Kohl mit, die letzten 15 Monate habe sie in Oggersheim ohne jedes Tageslicht verbringen müssen. Nur nach Eintritt "völliger Dunkelheit" habe sie das Haus verlassen können. Ein befreundeter Fotograf erinnert sich andererseits, wie Hannelore Kohl und er vergangenes Jahr gemeinsam den Reichstag besichtigt und anschließend im Restaurant gegessen haben. "Sie war gut gelaunt."

Weshalb hat Kohl noch am Tag vor ihrem Tod in der Unionsfraktion seinem Tischnachbarn Peter Bleser von gemeinsamen Urlaubsplänen erzählt? Wo und wie hätten sie Ferien machen können, wenn Hannelores Lichtallergie so dramatisch war, wie behauptet wird?

Von einem langen Telefonat, das sie vor ein paar Wochen mit Hannelore Kohl geführt hat, berichtet wiederum Doris Schröder-Köpf. Sie wollte die Frau des Amtsvorgängers, die sie sehr schätzte ("Sie hat sich sehr um mich gekümmert und mir sehr geholfen, mich nach dem Machtwechsel zurechtzufinden"), ins neue Kanzleramt einladen. Trotz des Angebots, den Besuch in die späten Abendstunden zu verlegen, habe sie sich nicht in der Lage gefühlt, nach Berlin zu kommen. "Sie klang sehr niedergeschlagen."

Wabernde Gerüchte
Und welche Rolle spielten die immerzu wabernden Gerüchte? Sie habe sich in den Alkohol geflüchtet. Sie sei in Oggersheim ausgezogen und wohne in Mannheim, in einer Wohnung ihrer Freundin Christiane Esswein. Sie habe eine Affäre, wurde kolportiert - mal ortete der Klatsch einen hochrangigen Wirtschaftsführer, mal einen Chefarzt. Zog sie beim Spaziergang auf der Mannheimer Rheinpromenade zum Schutz vor dem Licht die Kapuzeihres Anoraks über den Kopf - höchst verdächtig: Sie will nicht erkannt werden, flüsterten Passanten. Nichts von alledem wurde jemals belegt, alles aber lüstern durchgehechelt - in der CDU vor allem.

Mag sein, dass solche Schmuddel-Storys an der Hornhaut hängen blieben, die sich Hannelore Kohl in vier Jahrzehnten an der Seite eines Spitzenpolitikers zugelegt hatte, zulegen musste. Sie gab vor, locker damit zu leben. Sei es nicht beschwerlich, das Kanzlergattin-Dasein? "Ooch, das übt sich", hat sie geantwortet.

Am 27. Juni 1960 haben Helmut Kohl und Hannelore Renner in der St. Josefs-Kirche in Friesenheim geheiratet - zwölf Jahre nachdem sie sich bei einem Tanz im Gasthof "Zum Weinberg" kennen gelernt hatten. Die 15-jährige Hannelore trug damals den Spitznamen "Pfannkuchen" und ein Kleid, das ihre Mutter aus drei Fahnen zusammengenäht hatte; aus zweien hatte sie zuvor die Hakenkreuze herausgetrennt. Wenig später waren sie und der drei Jahre ältere Helmut ein Paar. Allerdings eins, das von Anfang an häufig getrennt war. Er studierte in Heidelberg, sie ließ sich in Germersheim und Paris zur Dolmetscherin ausbilden. Elf Jahre lebte das Paar bis zur Hochzeit an verschiedenen Orten.

Es blieb eine Fernbeziehung. "Tags arbeiten, abends feiern" sei Kohls "lebenslange Devise" gewesen, erinnert sich dessen Ex-Sprecher Karl Hugo Pruys. Schon als Ministerpräsident in Mainz zog es ihn nicht nach Hause; die Abende verbrachte er oft bis spät mit seiner Entourage - essend, trinkend, politisierend.

"Die Ehe verlief nicht so, wie es sich Ehefrau Hannelore während der langen Verlobungszeit vorgestellt hatte", notiert Kohl-Biograf Klaus Dreher. "Der Mann kam höchstens zweimal in der Woche nach Hause, und wenn er da war, wollte er ausspannen. Sie machte aus ihren verlorenen Hoffnungen bald keinen Hehl mehr."

Zwei Schlüsselwörter prägen die wenigen Gespräche, in denen sie überhaupt etwas Privates preisgab. Das eine ist Warten. Das andere ist Einsamkeit. Einmal beklagte sie die "vielen einsamen Stunden daheim", wenn das Essen fertig ist, der Mann
aber nicht kommt, dafür ein Anruf, dass es wieder später wird. "Nach vier, fünf Stunden echten Wartens kann man nur noch von einem Hund verlangen, dass er nicht schimpft und sich immer noch freut", sagte sie ein andermal. "Ich habe das von unserem Hund gelernt."

Der hieß Igo, war ein Schäferhund und musste herhalten, wenn Frauchen Trost brauchte. Sie habe, gestand Hannelore Kohl in einem Interview, "in der Ehe gelernt, meine Tränen in einem Hundefell zu begraben". Aber Igo war auch nicht immer da, weil ihn "der Ehemann ihr gelegentlich wegzunehmen pflegte, wenn er ihn bei sich im Mainzer Landtag haben wollte", wie Pruys mokant anmerkt.

Die andere Frau
Und dann war da noch diese andere Frau: Juliane Weber. "Kohl und Frau Weber verhalten sich zueinander wie zwei alte Eheleute, die sich verstehen, wenn sie sich nur anblicken", beschrieb Kohl-Sprecher Pruys die Beziehung, die man "in empfindsameren Epochen als der unseren als einen Liebesbund, freilich exzeptioneller Art", bezeichnet hätte. Eine Liaison, von der man nie wusste, ob sie rein platonisch war, die aber seit den 70er Jahren Anlass zu Flüstereien und Spekulationen gab, die Hannelore Kohl tief verletzen mussten.

Anmerken liess sie sich nichts. Die Maske saß. Sehr selten ließ die zierliche Frau erkennen, wie das Leben an der Seite dieses alles und jeden erdrückenden Kolosses sie belastete. "Es ist nicht der allein seeligmachende Zustand. Manchmal kommen
schon Zeiten, da kocht es einem hoch." In Sätzen wie diesen drang durch, dass sie ihr öffentliches Leben auch als Passion begriffen hatte. Allerdings mehr als Leiden, nicht als Leidenschaft.

Von Anfang an ist Hannelore Kohl ihrem Gatten eine funktionierende Dienerin. Sie korrigiert und tippt seine Doktorarbeit, sie kutschiert ihn Tausende Kilometer weit durch seine ersten Wahlkämpfe, sie hält als Landesmutter zweimal die Woche Bürgersprechstunden im Privatbungalow ab, sie richtet, als Kohl nach Höherem strebt, die Zweitwohnungen ein, in denen sie dann nicht wohnt. Sie bewirtet Staatsgäste, hackt das Zehn-Punkte-Programm zur Deutschen Einheit in ihre Reiseschreibmaschine, auf der sie auch alljährlich Kohls Neujahrsansprachen tippt.

Und sie ist allein für die beiden Söhne Walter (Jahrgang 1963) und Peter (Jahrgang 1965) zuständig. "Ich tue alles, was normalerweise eine Frau tun sollte. Und das, was ein Mann tun sollte, noch dazu", hat sie früh ihre häusliche Rolle beschrieben. Die Erziehung sei "ausschließlich" ihre Sache gewesen, er habe die "psychologische Schwierigkeit eines Vaters gehabt, der allmählich den Zugang zu den Problemen seiner Familie verliert", erzählte sie, als die Jungs längst erwachsen waren.

Es ist ein Leben in einem nicht einmal goldenen Käfig. Draußen vor dem Haus steht ständig ein Wachposten, die Söhne müssen wegen der Bedrohung durch die RAF von der Polizei zur Schule und wieder zurückgebracht werden. Sie schützt die beiden Buben wie die Briten die Kronjuwelen. Am liebsten hätte sie nicht einmal ihre Vornamen preisgegeben: "Meine Kinder
und ich - alles, was uns betrifft, ist unsere private Gemeinsamkeit. Darin hat die ™ffentlichkeit absolut nichts zu suchen." Sie versucht , Peter und Walter zu immunisieren gegen Vorwürfe, die ihrem Vater gelten, die Kinder aber oft viel härter treffen. Das sei "sehr schwer" gewesen, sagt sie später.

Einsame Zeit
Sie muss sehr allein gewesen sein in dieser Zeit. "Früher, wenn du heimkamst, warst du da. Heute bist du anwesend, aber nicht unbedingt da", beschwerte sie sich 1973 bei ihrem Mann. Auch Freunde halfen nur bedingt. Selbst mit ihnen habe sie ihre Sorgen nicht teilen können, "weil die diese Erfahrungen nicht haben", sagte die Kanzler-Gattin rückblickend. Wie man das alles aushält? Nur ohne Rücksicht auf Verluste im eigenen Seelenheil. Oder, wie Hannelore Kohl es selbst ausdrückte, "mit Durchhaltevermögen, das in jungen Jahren antrainiert wurde".

Das Passiv verrät schon viel: Eigener Antrieb war nicht dabei. Die junge Hannelore Renner, Jahrgang 33, ist bereits mit zwölf erwachsen, wie sie später erzählt. Noch Kind, hat sie bereits schlimmere Erfahrungen hinter sich, als gefestigte Charaktere verarbeiten können. Zunächst Kriegshilfsdienst als Zehnjährige im sächsischen Döbeln: Tote bergen, Verletzten und Müttern helfen, deren Kinder erfroren sind. Dann Flucht mit der Mutter nach Westen, die Füße in zurechtgeschnittenen Gummireifen. Nächte in Straßengräben und Heuschobern. Ständiges Hungern, das bisschen, was es zu essen gibt, muss sie klauen. Schließlich die russischen Soldaten. Frauen werden vergewaltigt, geschlagen, manche totgeprügelt, auch Hannelore kommt nicht davon, wird schwer am Rücken verletzt.

Wenigstens den bereits tot geglaubten Vater treffen sie wieder. Die Familie schlägt sich nach Mutterstadt bei Ludwigshafen durch, wo die Großeltern wohnen. Aber auch deren Haus ist zerstört. Sie kommen in einer 15 Quadratmeter kleinen Waschküche unter.

Hannelore Kohl spricht, wie viele Flüchtlinge, später nicht gerne von dieser Zeit. Nur einmal bricht es aus ihr heraus: "Man hat mich später als Kriegsversehrte mit 5000 Mark abgeschädigt. Nicht gutzumachen waren die seelischen Belastungen." Gut erklärlich jedenfalls ihre peinliche Ordnungsliebe - von der Frisur bis zum akkurat gestutzten Rasen - und ihre Definition von Luxus: ein eigenes Badezimmer, das man abschließen kann. Und Ruhe. Viel Ruhe.

Schmerzlich getroffen hat sie deshalb, wie sich die Beziehung zu Kohl nach dessen Machtverlust entwickelte. Da war zunächst Hoffnung gewesen: auf mehr Privatheit und gemeinsame Zeit. Sie träumte davon, nicht mehr täglich im "Fadenkreuz der
 
aus der Diskussion: Hannelore Kohl: mein Mitleid mit Helmut schwindet - es war auch Depression
Autor (Datum des Eintrages): Juttol  (10.07.01 19:40:17)
Beitrag: 13 von 109 (ID:3928810)
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