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Was ist die Rente noch wert

Die sogenannte Riesterrente hat angeblich folgende Anforderungen zu erfüllen:

1. Beitragsstabilität (Beitrag wird auf absehbare Zeit auf 20% begrenzt),
2. Leistungsstabilität (die netto-Rente soll nicht wesentlich sinken,
3. Soziale Aspekte werden berücksichtigt (Berücksichtigung von Erziehungsleistungen, Umverteilung zu Geringverdienern).

Generationengerechtigkeit wird nicht angestrebt. Schade, denn nach den gegenwärtigen Berechnungen erhält jemand aus Jahrgängen in den 30er Jahren ca. 300.000 DM mehr Leistungen als gezahlte Beiträge. Jemand, der in den 70er Jahren geboren wurde, zahlt hingegen etwa 400.000 DM mehr als an Leistungen aus der Rentenversicherung erhält. Daran ändert die Riesterrente nichts. Folgerichtig wäre nur eine Kürzung der heutigen Renten und eine Einzahlung der Einsparungen in einen Zukunftsfonds. Reden wir aber nicht über Unmögliches.

In der Praxis wurden auch nicht die Maßnahmen getroffen, die alle drei übrigen Ziele verwirklichen. Der schlichte Grund ist, daß mit wachsender Lebenserwartung auch die Zeitdauer anwächst, über die Rente bezogen wird. Zusammen mit der geringen Geburtenzahl und damit steigendem Anteil der Rentner an der Gesamtbevölkerung müssen entweder Beiträge steigen oder Leistungen sinken, wenn man das Renteneintrittsalter konstant hält. Daß Politiker immer so tun, als gäbe es eine Rentenformel, die hohe Lasten vermeidet, ist nur dadurch verständlich, daß Rentner darüber entscheiden, wer dieses Land regiert. Die unhaltbaren Versprechungen von Lafontaine, die schon ein Jahr später nach seinem Weggang gebrochen wurden, verhalfen der jetzigen Regierung ins Amt. Gerechterweise muß man dazu sagen, daß die CDU-Spendenaffäre einer weiter amtierenden Unions-FDP-Regierung ein frühes, unrühmliches Ende gesetzt hätte. Die einzige Reform in Richtung auf Generationengerechtigkeit war bisher die Einführung des demographischen Faktors durch Blühm (der damit einer 15 Jahre alten Lebenslüge ein Ende setzte), der dann leider von der jetzigen Regierung kassiert wurde. Die dann folgenden Regelungen führten diesen demographischen Faktor gestreckt wieder ein, nur nennt man es jetzt nicht mehr demographischer Faktor.

Nach der Riesterreform erhält 2030 der theoretische Rentner (nicht zu verwechseln mit dem durchschnittlichen Rentner) 68% des letzten Nettolohns oder –gehalts. Dieser Rentner ist aus mehreren Gründen theoretisch.

Erstens muß er 45 Beitragsjahre mit Durchschnittslohn vorweisen. Der durchschnittliche männliche Rentner weist aber nur 37 Jahre Beitragszahlungen auf. Das liegt an langen Ausbildungsgängen und der Streichung von Anrechnungszeiten aus der Ausbildung unter Schmidt und Kohl (über jedes Kinkerlitzchen unter Kohl hat man protestiert, nur die Streichung der Ausbildungszeiten für die Rentenversicherung hat niemand auf die Straße gelockt. Weil hier nicht die typische Gewerkschaftsklientel betroffen war?). Frauen haben sogar im Schnitt nur 26 Beitragsjahre. Das wird aber wieder ausgeglichen durch Kindererziehungszeiten (unter Kohl schrittweise auf 3 Jahre ausgedehnt und immer höher abgegolten, so daß die Durchschnittsfrau mit zwei Kindern 6 Beitragsjahre mit Beiträgen über ihrem Durchschnittsverdienst erhält), durch den Versorgungsausgleich bei Geschiedenen, durch Witwenrenten und nicht zuletzt durch die längere Rentenbezugsdauer bei Frauen. Was man bei Frauen hinzurechnen muß, muß man dann allerdings bei Männern noch abziehen. Was in den Versorgungsausgleich geht, ist zum Beispiel weg, selbst wenn der geschiedene Partner verstirbt.

Zweitens ist die offiziell genannte Rente auch deshalb theoretisch, weil die Berechnungsformel einige Freiheiten einer neuen EU-Richtlinie ausnutzt, die sie unvergleichbar mit den früheren Rentenformeln machen. ADIG nennt als korrektes Ergebnis einen Rentenbezug von 64% des letzten Nettolohns. Berücksichtigt man aber nur 37 Beitragsjahre, sinkt die reale Durchschnittsrente auf 53,5% des letzten Nettoeinkommens (übrigens ohne Weihnachtsgeld und Überstundenzuschläge). In diese Berechnung ging die Annahme ein, daß das Realeinkommen um jährlich 1 % steigt. Zur Zeit sinkt das Realeinkommen aufgrund der gestiegenen Inflation. 0,5 % als durchschnittlicher Realeinkommensanstieg wäre auch noch optimistisch, aber realistischer.

Das revolutionäre an der Riesterrente ist die private Vorsorge, ein 180 Grad-Wende einer Partei, die alle Anflüge von Privatvorsorge unter der Vorgängerregierung als Sozialabbau verurteilt hatte (hätte sich die CDU doch nur dazu durchgerungen, Blühm zu verabschieden und so etwas zu tun...:( ) . Doch die Schönheitsfehler sind erheblich: die Regelungen sind so bürokratisch, daß eine neue Behörde mit bis zu 3000 Mitarbeitern errichtet werden muß, die im Endausbau gut 400 Millionen DM pro Jahr verpulvern wird. Die Regelungen sind auch so bürokratisch, daß erst im Laufe des nächsten Jahres klar ist, welche Produkte eigentlich den Regeln entsprechen: Garantie über Substanzerhalt, Auszahlung nur als lebenslange Rente. Jeder, der bereits eine Altersvorsorge hat, darf sich darüber ärgern, daß seine Altersvorsorge garantiert nicht gefördert wird. Eine zusätzliche Anlage wird man aber ohnehin benötigen, denn in der Standardberechnung (4% durchschnittlicher Ertrag nach Kosten) trägt die private Zusatzrente nur 8% des letzten Nettolohns zur Altersversorgung bei. Wieviel tatsächlich, hängt auch von der Besteuerung ab, denn angespart wird aus steuerbefreitem Einkommen. Fällt in der Zwischenzeit einer Regierung zum Beispiel ein, die Spekulationsfrist ganz abzuschaffen, wird eine steuerlich interessante Anlage in einen Aktienfonds plötzlich zu einer sprudelnden Steuerquelle für den Staat. Man sollte schon jetzt wissen, wie im Jahr 2030 die persönliche steuerliche Situation aussieht, denn davon hängt ab, ob die Anlage in die Riesterrente vorteilhafter ist, als einfach Geld in einem Aktienfonds anzusparen ohne den ganzen Staatsbrimborium. Nicht der geringste Schönheitsfehler ist auch, daß man sich bei der Privatrente von der paritätischen Leistung der Sozialbeiträge durch Arbeitnehmer und Arbeitgeber verabschiedet. Das hätte mal die CDU versuchen sollen.

Bei der Riesterrente wird viel über Sozial- und Familienkomponenten geredet. Wenn im Jahr 2008 die maximale Beitragszahlung von 4% aus dem Einkommen gefördert wird, könnte die Rechnung für ein Einkommen von 120832 DM, verheiratet, mit Kind, so aussehen:
Jahresbeitrag 4107 DM. Davon zahlt der Staat 301 DM Grundzulage, zweimal (Mann und Frau) und 362 DM Kinderzulage. Die Steuererstattung für den Sonderausgabenabzug (für volle 4107 DM) ist 679 DM. Damit zahlt die Familie real nur 2464 DM Eigenbeitrag für die Privatvorsorge. Wer so 30 Jahre lang einzahlt und eine Verzinsung von 6% erreicht, sichert sich übrigens eine voll zu versteuernde Brutto-Jahresrente von 10.200 DM im Jahr 2038 (nicht dynamisiert, Rente ab 65 mit Verzehr bis 85 Jahren). Das deckt mit Sicherheit nicht die Versorgungslücke. In Eigeninitiative sollte man dann mindestens den gleichen Betrag noch einmal privat ansparen. Warum aber dann nicht gleich die gesamte Privatvorsorge, und das ohne diesen bürokratischen Aufwand? Warum nicht einfach die Vorsorgepauschale erhöhen und die Zulagen denen zahlen, die zuwenig Steuern zahlen, um die erhöhten Vorsorgepauschalen auszunutzen? Riester wird auf diese Frage wohl nicht antworten wollen.

Fazit: bei der Rente „business as usual“, mit Umverteilung von jung zu alt und einer großen Versorgungslücke im Alter und der Aussicht auf bald wieder steigende Beiträge. 61,5% seines letzten Nettolohns wird der durchschnittliche Rentner im Jahr 2038 mit der Riesterrente haben. Bei realistischen Annahmen über den zukünftigen Reallohnzuwachs werden es aber unter 60% sein. Sollte der medizinische Fortschritt aber Menschen noch erheblich länger, womöglich im Durchschnitt länger als 85 Jahre leben lassen, reicht es schon einmal gar nicht – man muß neu rechnen und eine Versorgungslücke von mehr als 20% des letzten Nettoeinkommens ausweisen. Vielleicht wird man doch noch schlau und verlängert endlich die Lebensarbeitszeit?
 
aus der Diskussion: Was ist die Rente noch wert
Autor (Datum des Eintrages): for4zim  (11.07.01 12:41:41)
Beitrag: 1 von 18 (ID:3935113)
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