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Predigt am 25. Sonntag i. J. (Lesejahr B)
(18. IX. 1994, Kirche des Heeresspitals, Wien XXI)

Themen: Der gute Ruf des Nächsten und unser Reden

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(Padre Alex)



"Roh und grausam wollen wir mit dem Gerechten verfahren, um seine Sanftmut kennenzulernen, seine Geduld zu erproben", so die Frevler im Buch der Weisheit. "Wir wollen sehen, ob seine Worte wahr
sind", sprechen sie im auflauernden Neid gegen seine unbestechliche gottgeschenkte Heiligkeit. Dabei haben sie vergessen, zunächst die Wahrheit der eigenen Worte zu überprüfen.

Liebe Andächtige! Prüfen wir uns selbst nicht viel zu selten? Im 15. Psalm heißt es nicht umsonst: "Herr, wer darf Gast sein in deinem Zelt?" "Der von Herzen die Wahrheit sagt und mit seiner Zunge nicht
verleumdet." Jeder von uns muß bei sich selbst beginnen mit der immer wieder schwierigen Kontrolle des Redens, der Kontrolle unserer all zu lockeren Zungen, die so schnell Worte voll Bedeutung entlassen,
Worte, die vielleicht zu einem Mord beitragen, der am häufigsten geschieht: zum Rufmord.

Lassen wir es uns aufs neue ganz bewußt verkünden, hören wir genau hin: Die Rücksicht auf den guten Ruf eines Menschen verbietet jede Haltung und jedes Wort, die ihn ungerechterweise schädigen
könnten. Der Katechismus unterscheidet drei Stufen:

Schuldig macht sich:

1. des vermessenen Urteils, wer ohne ausreichende Beweise, und sei es auch nur stillschweigend, von einem Mitmenschen annimmt, er habe einen Fehltritt begangen - erwägen wir jedes einzelne Wort: Ein
vermessenes Urteil ist es bereits, wenn ich stillschweigend, nur im Denken, von einem Mitmenschen ohne ausreichende Beweise annehme, er habe einen Fehltritt, eine Sünde begangen. Davon ist natürlich die
Vorsicht im praktischen Leben zu unterscheiden, weil man da ja nichts Böses vom Nächsten denkt, sondern nur mit der tatsächlich bestehenden Möglichkeit rechnet, daß man sich täuschen kann.

Schuldig macht sich:

2. der üblen Nachrede, wer ohne objektiv gültigen Grund Fehler und Vergehen eines Mitmenschen gegenüber Personen aufdeckt, die nichts davon wissen. Bedenken wir: Selbst wenn ein Mensch Fehler
oder Vergehen aufzuweisen hätte, selbst wenn jemand 100%ig eine erzählbare Sünde begangen hätte, ist es trotzdem üble Nachrede, sie erzählerisch zu verbreiten. Sie werden fragen: Was ist aber nun ein
objektiv gültiger Grund: Allgemein gesagt, wenn es wirklich um das Gemeinwohl oder auch, wenn es um Privatwohl geht. Im Interesse des Privatwohls wäre die Offenbarung eines Fehlers nur gestattet, wenn
der Fehlende dadurch gebessert werden oder eine andere Person vor Schaden bewahrt werden kann. Auch ist es erlaubt, einem guten Freund erlittenes Unrecht zu erzählen, um bei ihm Trost und Rat zu
holen.

Schuldig macht sich

3. der Verleumdung - Sie sehen, der Katechismus kommt zu immer schwerwiegenderen Rufzerstörungssünden - Verleumdung: wer also durch wahrheitswidrige Aussagen dem guten Ruf anderer schadet
und zu Fehlurteilen über sie Anlaß gibt. Das leuchtet wohl jedem am schnellsten ein, falsche Tatsachen oder reine Vermutungen als Wahrheit zu verkaufen gegen den Nächsten: die schwere Sünde des
Rufmordes, der Verleumdung. [Im Alten Testament bei Jesus Sirach heißt es bereits: "Sich selbst besudelt der Verleumder - wo er wohnt, ist er verhaßt." (Sir 21,28)]

Aber gibt es da nicht noch etwas, das uns oft besonders schwer fällt? Jede Verfehlung gegen die Gerechtigkeit und die Wahrheit bringt nämlich die Verpflichtung zur Wiedergutmachung mit sich, selbst dann -
wie der Katechismus lehrt - selbst dann, wenn dem Rufmörder Vergebung gewährt worden ist. Diese moralische und zuweilen auch materielle Wiedergutmachung ist nach der Größe des verursachten
Schadens zu bemessen. Sie ist eine Gewissenspflicht! Der Verleumder müßte daher in den meisten Fällen eingestehen, daß er gelogen hat. Wer üble Nachrede geübt hat, muß die guten Eigenschaften des
Verletzten hervorheben und seine Fehler zu entschuldigen suchen, um den guten Ruf wiederum zu fördern. Oft will uns auch nicht einleuchten, daß schon das Anhören einer Ehrabschneidung oder
Verleumdung sündhaft ist: Mitwirkung zur Sünde gegen die Gerechtigkeit, vor allem auch, wenn man die Verletzung des guten Rufes nicht verhindert, obwohl man es vielleicht sehr gut könnte.

Liebe Brüder und Schwestern! Ich glaube, gerade in diesem Bereich müssen wir äußerst sensibel sein, gerade im Wort muß sich unser Christsein bewähren. Davon hängt das Klima jedes menschlichen
Beisammenseins ab. Haben wir schon erkannt, daß kein Wort selbstverständlich ist. Jedes Wort ist ein Glücksfund, ein derartiges Geschenk, daß es nicht durch Begabungen des Menschen allein erklärbar ist.
Es wird dem Menschen von der Sprache an sich, von Gott selbst geschenkt. Jedes Wort will unbegrenzt weiterverwendet werden. Natürlich gelingt das bei keinem einzigen Wort, vielmehr gibt es für jedes
einen Zeitpunkt, wo es abgeschafft wird, nach wenigen Jahren oder nach vielen Jahrtausenden, egal wann - der Zeitpunkt kommt heran. Aber dennoch besteht die Tendenz, ewig gleichmäßig verwendet zu
werden, und wenn es nicht das Altern und den Tod des Menschen, die Vergeßlichkeit, die mangelnde Konzentrationskraft und das kollektive Interesse oder Desinteresse gäbe, hätte jedes Wort sehr wohl die
Fähigkeit, unbegrenzt weiterzutönen. Diese Fähigkeit aber hat jedes Wort geschenkt bekommen vom ewigen und endgültigen Wort Gottes, von Jesus Christus selbst, durch den alles erschaffen ist. Seien wir
Gott also dankbar für jedes Wort, das er uns schenkt, für jedes rechte Wort. Werden wir aber vor allem gewissenhaft-vorsichtiger bei unserem Sprechen insgesamt. Für jedes Wort, ja für jeden Gedanken
müssen wir Rechenschaft ablegen vor dem ewigen Wort, vor der ewigen Wahrheit selbst.

Gott als Quell aller Wahrheit hat uns berufen zur Wahrhaftigkeit im Sinne des redlichen Handelns und aufrichtigen Sprechens. Diese Tugend der Aufrichtigkeit besteht darin, daß ich mich in meinen Handlungen
als wahr erweise, in meinen Worten die Wahrheit sage und mich vor Doppelzüngigkeit, Verstellung, Vortäuschung und Heuchelei hüte. Die Tugend der Wahrhaftigkeit wahrt die rechte Mitte zwischen dem,
was auszusprechen, und dem Geheimnis, das zu halten ist. Dazu gehören Aufrichtigkeit und Verschwiegenheit.

So wollen wir uns wieder aufs neue vornehmen, die Liebe gegenüber keinem Menschen zu verletzen, sondern vielmehr das natürliche Recht jedes Menschen auf die Ehre seines Namens, auf seinen guten Ruf
und auf Achtung im vollen Sinne anzuerkennen. Denn sonst würden wir uns selbst betrügen, weil wir nämlich das Wort Gottes zwar anhörten, aber nicht danach handelten. Vor allem müssen wir jene heiligste
Frau verehren, die alles, was geschah, alle Worte in ihrem Herzen treu bewahrte. Maria, die Königin der Märtyrer, führe uns zum mutigen Bekennen der Wahrheit des katholischen Glaubens und erbitte uns
die Kraft des guten Wortes und vor allem die Kraft des heiligen Schweigens, um Vermessenheit im Urteil, üble Nachrede und Verleumdung zu vermeiden. Wenn wir mehr hören als selber sprechen, dann wird
uns Gott auch tiefer in die Glaubensmysterien einführen und wir werden den Sinn der Worte und Handlungen Christi immer mehr verstehen. Seien wir daher wirklich die Letzten bei der Teilnahme am
alltäglich-miesmachenden Tratsch, um immer wieder die Ersten zu sein bei der Bewährung unseres Glaubens in liebevollen Gedanken, Worten und Werken. AMEN.
 
aus der Diskussion: Hannelore Kohl: mein Mitleid mit Helmut schwindet - es war auch Depression
Autor (Datum des Eintrages): raila  (12.07.01 21:11:05)
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