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Köpenick 1 Charlottenburg 1

Union Berlin und Hertha BSC trennen sich nach 90 atmosphärischen Derbyminuten unentschieden

Es knisterte, es brodelte, es war spannend. Das Derby in der Zweiten Bundesliga zwischen dem 1. FC Union und Hertha BSC hatte den erwartet hohen Unterhaltungswert. Und ein passendes Ergebnis. 1:1 endete die Partie. "Es war ein Fußballfest", sagte Markus Babbel, der Hertha-Trainer. Gleich nach dem Schlusspfiff trafen er und sein Kollege Uwe Neuhaus sich auf dem Rasen, reichten sich die Hände und unterhielten sich lebhaft. Danach feierten die Union-Fans ihre Mannschaft, als hätte diese die Partie gewonnen. Für viele war es ein gefühlter Sieg, denn dem frühen Führungstor von Peter Niemeyer (2.) rannten die Gastgeber lange hinterher. Bis zur 82. Minute, als der eingewechselte Santi Kolk traf. "Auf Wiedersehen!" höhnten die Fans beim Abgang der Herthaner. Nach dem Derby ist vor dem Derby.

Eine friedliche Atmosphäre und schöne Choreografien hatte sich Christian Beeck gewünscht - Unions Manager bekam beides. Rote und Blaue, Seite an Seite, marschierten durch den Wald und neckten einander. Auch auf den Rängen sah man blaue Schals inmitten roter Massen. Und danach wirklich hübsche Inszenierungen auf den Rängen. "Ihr Völker der Welt, schaut auf diese Stadt", nahmen die Hertha-Fans Anleihe bei Ernst Reuter, der 1948 auf die Blockade Berlins aufmerksam gemacht hatte, die Gäste ergänzten den Satz mit: "Und erkennt den größten Reichtum dieser Stadt." Das soll dann wohl ihr Verein sein. Auf der anderen Seite ging es nicht weniger originell zu, in Plakatform fuhr eine S-Bahn von Spandau, Gleis 13, nach Köpenick: "Fußballkultur nimmt ihren Lauf, auf welchen Zug springst Du denn auf?" war eine Frage an alle Berliner. Unions Fans sehen ihren Klub als echte Alternative. Gestern untermauerte die Mannschaft diesen Anspruch sportlich mit einem Spiel voller Leidenschaft. "Es war ein rassiges Derby. Leider haben wir uns den Schneid abkaufen lassen", ärgerte sich Babbel. "Wir haben mit aller Wucht gespielt. Leider nicht mit vollem Erfolg", sagte Neuhaus.

Dafür war die Hertha anfangs zu ausgeschlafen. Der Klub hatte kurzfristig das Hotel gewechselt und in Schönefeld übernachtet. Eigentlich wollte man in Köpenick schlafen - doch dann erfuhr man, was einmal dem Tross von Rot-Weiß Oberhausen in dieser Bleibe zugestoßen war: Union-Fans hatten absichtlich den Feueralarm ausgelöst. "Wir wollten einfach unsere Ruhe haben", sagte Hertha-Sprecher Graus. Es funktionierte.

Früh schlug Raffael einen Freistoß in den Strafraum - Niemeyer köpfte unbedrängt ein. Auf der Tribüne freute sich auch Herthas Ehrenmitglied Klaus Wowereit, allerdings eher dezent. Womöglich, weil Union-Präsident Dirk Zingler nur wenige Meter entfernt saß? Die beiden hatten sich vor dem Spiel einen verbalen Schlagabtausch zum Thema Subventionen geliefert, vor dem Spiel aber nett begrüßt - und der Regierende Bürgermeister versöhnlich betont: "Ich bin neutral und klatsche bei jedem Tor." Er würdigte zur Pause auch Unions Leistung als "sehr engagiert", die Hertha müsse auf der Hut sein. Der Mann ist Experte.

Hertha ließ Union nach der Führung viel Platz. "Wir waren nicht mehr präsent und müssen deshalb das Remis als gewonnen Punkt ansehen", sagte Babbel. Die Eisernen spielten gut, richtig gut, Hertha benötigte sehr viel Fortune. Keeper Maikel Aerts wehrte erst den Kopfball von Karim Benyamina artistisch ab, dann klärte Lewan Kobiaschwilli beim Nachschuss von John Mosquera auf der Linie (12.). Später wurde Mosquera von Lell gefoult, aber der Elfmeterpfiff blieb aus (18.). Und schließlich traf Benyamina noch das Lattenkreuz (20.). "Ihr könnt es glauben oder nicht", behauptete Neuhaus, "ich fand das frühe 0:1 gut für uns - weil meine Mannschaft von der ersten bis zur letzten Minute eine unglaubliche Intensität reinlegen musste." Übrigens inmitten einer tollen Atmosphäre, von allen gelobt, die nur einen Schönheitsfehler hatte: Nach der Pause schlugen einige Chaoten über die Stränge. Erst Rauchbomben aus dem Hertha-Block, dann ein Böller von Union-Fans.

Der Wiederanpfiff wurde um dreieinhalb Minuten verzögert - und beinahe hätten die Roten wieder alles verpennt: Torwart Jan Glinker klärte aber in höchster Not gegen Friend (46.). Union schüttelte sich kurz - und drückte permanent. Einbahnstraßenfußball, der aber auch die Probleme aufzeigte. Das Ensemble ist derzeit nicht in der Lage, ein Spiel zu machen. Auch der, der für mehr Kreativität zuständig sein soll, schaffte es letztlich nur mit roher Gewalt: Kolks Weitschuss zum 1:1 (82.) war wie ein Erlösung. Und Belohnung zugleich. Dafür, so Neuhaus, "dass wir immer an uns geglaubt haben".

 
aus der Diskussion: Hertha BSC Berlin, mein Heimatverein
Autor (Datum des Eintrages): ElMakaay  (18.09.10 14:28:00)
Beitrag: 563 von 1,038 (ID:40173206)
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