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[posting]40406394[/posting]Welt am Sonntag Autor: Karsten Seibel| 06:46
Neuling mischt die etablierten Börsen auf

Die Berliner Tradegate taucht erstmals in Empfehlungslisten für Banken als günstigster Handelsplatz auf. Ihr Erfolg bringt die Regionalbörsen in Zugzwang

Am 4. Januar dieses Jahres war es geschafft. Die Berliner Tradegate Exchange erhielt den Status einer regulierten Wertpapierbörse im Sinne der EU-Finanzmarktrichtlinie Mifid. Seitdem darf sich die 2001 gegründete Internethandelsplattform auf einem Niveau mit den Wertpapierbörsen in Düsseldorf, Frankfurt, Hamburg, München oder Stuttgart fühlen, die immer wieder gern auf eine jahrhundertealte Geschichte verweisen.

Nun steht der Neuling vor dem nächsten Sprung - nämlich dem auf die Monitore der Wertpapierberater der vielen Sparkassen und Volksbanken im Land. Geht es bislang um den Kauf oder Verkauf einer Aktie, ob Telekom oder Siemens, dann taucht Tradegate dort nicht auf. Der Auftrag des Kunden wird automatisch an eine der etablierten Präsenzbörsen oder auf die große elektronische Plattform Xetra der Deutschen Börse geleitet.

Doch damit könnte bald Schluss sein. In dieser Woche versandte die DWP Bank, der Wertpapierdienstleister vieler Sparkassen und Genossenschaftsbanken, neue Empfehlungslisten mit den aus Kundensicht besten Börsenplätzen. Und dort taucht, gerade wenn es um Aktien geht, der Name Tradegate wiederholt als günstigste Adresse auf - vor Xetra und den anderen.

Seit nunmehr drei Jahren sind Banken und Onlinebroker dazu verpflichtet, für Wertpapieraufträge den jeweils besten Börsenplatz zu wählen - sofern der Kunde den Ort nicht vorgibt. Neben den reinen Gebühren spielt dabei auch die Größe der Spanne zwischen Kauf- und Verkaufskurs, der sogenannte Spread, eine Rolle. Auch das sind schließlich Kosten für den Anleger. Da können ein paar Cent mehr oder weniger schon darüber entscheiden, welcher Platz den Zuschlag bekommt. Doch es ist nicht der Preis allein. Ebenso sollen qualitative Kriterien, beispielsweise die Ausführungsgeschwindigkeit der Order, in die Bewertung mit einfließen. Diese Grundsätze sind auch als Best Execution Policies bekannt und wurden mit dem Start der europaweiten Mifid von jedem Geldinstitut an seine Kunden verschickt.

Der erhoffte Effekt blieb nicht aus: Die Mifid hat zu einem Leistungs- und Preiswettbewerb zwischen den möglichen Ausführungsplätzen geführt. So fielen nach Berechnungen der DWP Bank für eine 4000-Euro-Order eines Dax-Wertes im Jahr 2007 noch 2,90 Euro an Fremdkosten an. Heute sind es nur noch 2,49 Euro - ein Minus von 14 Prozent. Bei Bundesanleihen beträgt die Ersparnis an Handels- und Abwicklungskosten immerhin sieben Prozent. Bei Zertifikaten sogar 20 Prozent (siehe Tabelle). Die Veränderungen beziehen sich wohlgemerkt immer auf den Betrag, den die Börse der Bank in Rechnung stellt. Inwieweit dies beim Kunden ankommt, ist je nach Institut unterschiedlich (siehe auch Kasten).
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Der Preisverfall könnte nun noch einmal an Fahrt gewinnen. Seit Oktober bietet die DWP Bank, die rund acht Millionen Wertpapierdepots für andere Banken verwaltet, den Anschluss an Tradegate an. Ob auch die kleine Bankfiliale auf dem Land diesen nutzt, wird nun entscheidend von ihrer Best Execution Policy abhängen. Die in dieser Woche verschickten Börsenranglisten der DWP Bank, sortiert nach Wertpapierart und Ordergröße, sind da nur eine Empfehlung. Jedes Institut kann sie nach seinen Kriterien auch noch verändern - etwa wenn es weichere Kriterien, wie die Geschwindigkeit, noch hinzunimmt. "Schätzungen zufolge werden unsere Berechnungen für 3,3 Millionen Depots genutzt", sagt ein DWP-Sprecher, vor allem Sparkassen und die Postbank griffen darauf zurück.

Die Volks- und Raiffeisenbanken orientieren sich in der Regel an der Empfehlung ihrer Zentralinstitute, der DZ Bank und der WGZ Bank. Noch wird geprüft. Doch dem Vernehmen nach läuft es darauf hinaus, dass Aktienorders der Genossenschaftsbanken tagsüber an Xetra gehen und nach 17.30 Uhr an Tradegate. Bislang gehen die späten Aufträge auf das Parkett in Frankfurt.

In die Praxis umgesetzt werden sollen die überarbeiteten Empfehlungen ab dem 1. März 2011. Das hat vor allem praktische Gründe: So können die Geldhäuser mit den Jahresdepotauszügen gleich auch die neue Best Execution Policy den Anlegern zuschicken.

"Unsere Erwartung ist natürlich, dass wir künftig gerade auch bei Sparkassen mehr Beachtung finden", sagt Tradegate-Geschäftsführer Thorsten Commichau. Mit Aussagen zum erwarteten zusätzlichen Ordervolumen hält er sich zurück. Nur so viel: "Wir wollen im nächsten Jahr zur Nummer eins unter den Privatanlegerbörsen in Deutschland aufsteigen." Dank des schon seit 2001 betriebenen außerbörslichen Handels rangiert Tradegate im Geschäft mit Privatanlegern bereits jetzt auf Platz zwei hinter Frankfurt. Die Deutsche Börse ist selbst an den Berlinern beteiligt.

Bei den Regionalbörsen gibt man sich unterdessen zuversichtlich, dass man den niedrigeren Kosten von Tradegate mehr Qualität und Service entgegensetzen kann - und so auch die Banken davon überzeugt, die Berliner auf ihren Empfehlungslisten doch weiter hinten einzuordnen. "Tradegate muss erst beweisen, dass sie das gute Gesamtpaket, das die Börsen Hamburg und Hannover bieten, überhaupt erreichen kann", sagt Sandra Lüth, Vorstand der Börsen AG Hamburg Hannover. Auch in Düsseldorf verweist man auf die angeblich höhere Verlässlichkeit ihres Angebotes. "Wir geben dem Anleger verbindliche Preise und Referenzmarktgarantien. Und bei uns werden limitierte Orders auch schon einmal zugunsten des Anlegers ausgeführt", sagt Börsenchef Dirk Elberskirch. Anlegern sollte diese Entwicklung recht sein.
 
aus der Diskussion: Handelsplattform mit grenzenlosen Wachstumschancen
Autor (Datum des Eintrages): Crowww  (10.11.10 15:37:21)
Beitrag: 183 von 7,889 (ID:40493161)
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