Fenster schließen  |  Fenster drucken

Fernseh-Fee

zaubert Werbung aus dem Programm


Kampf dem Werbestopper - Privatsender verklagen "Fernsehfee"
Bericht von Christian Mößner :

Jeden Abend passiert es auf`s Neue. Millionenfach in deutschen Wohnzimmern. Der Fernsehzuschauer greift zur Fernbedienung,
sucht seine Lieblingssendung. Wer sich für einen Privatsender entscheidet, entscheidet sich auch für ein Feuerwerk von
Werbeblöcken. Meist ohne Rücksicht auf Inhalt oder Dramaturgie werden die Filme zerhackt. Denn Werbung zur besten
Sendezeit bringt am meisten Geld. Viele Zuschauer sind genervt. Die einen zappen weg, andere flüchten ganz für die Dauer der
Werbeunterbrechung.

Auch Petra Bauersachs aus Koblenz fühlte sich als Opfer des Werbeterrors. Ihrem Zorn entsprang eine raffinierte
Geschäftsidee. Mit findigen Technikern entwickelte sie einen kleinen Decoder, der sich ganz nach den Wünschen des
Zuschauers programmieren läßt. Die "Fernseh-Fee" war geboren. Der Clou dabei: ein Werbeblocker. Er schaltet automatisch für
die Dauer einer Werbeunterbrechung in einen Kanal, wo gerade keine Werbung läuft. Per Videowand und Computer werden alle
Werbepausen kontrolliert. Die Box kann auch auf einen Videorecorder abgestimmt werden. Das Ergebnis: ungetrübte
Spielfilm-Freuden.

Erfinderin Petra Bauersachs dazu: "Also die Idee ist wirklich geboren worden mit dem Werbeblocker, nicht weil wir uns
über Fernsehwerbung als solche geärgert haben, sondern über die penetrante Fernsehwerbung, die sechs oder sieben
Mal einen Film unterbricht, ob es jetzt Waschmittelwerbung ist oder ein Gebissreiniger, und dann haben wir uns
überlegt, daß es doch ein Gerät geben muß, das die Werbung ausblendet. Und dann haben wir das zu Papier gebracht,
auch patentieren lassen, ja und so ging das dann weiter. Denn wenn man Werbung ausblenden kann, kann man auch
Horror ausblenden oder Gewalt und so war der Kinderschutz geboren."

Die i-Box oder "Fernsehfee" wird zum Verkaufsschlager. Seit einem Jahr ist das Gerät auf dem Markt, seitdem geht es rund in
der Versandabteilung. Je nach Ausstattung kostet die i-Box zwischen drei- und vierhundert Mark. Viele Kunden sind bereit,
diesen Preis für werbefreie Spielfilme zu zahlen. Doch des einen Freud` ist des anderen Leid. Denn nicht nur beim Zuschauer
schlug die Fernsehfee ein wie eine Bombe, sondern auch in den Chefetagen der Privatsender. Ein Gerät, das automatisch
Werbung wegzappt, war die Bedrohung schlechthin.

"Die Privatsender haben natürlich in ganz Deutschland Einstweilige Verfügungen gegen uns eingereicht und machen
uns das Leben schwer, weil wir für jede Stadt einen neuen Anwalt brauchen und das ist natürlich auch mit Kosten
verbunden. Und wir sind jetzt ein dreiviertel Jahr zurückgeworfen worden, weil der Werbeblocker nicht auf den Markt
gebracht werden durfte."

Der "Werbeblocker" belebt die Konkurrenz zu einem denkbar heiklen Zeitpunkt. Denn der Fernsehmark ist offenbar gesättigt, die
Gewinnzuwächse der Werbe-Einnahmen werden von Jahr zu Jahr geringer. Stärker denn je wird Werbung zum Lebensnerv vor
allem der "Privaten"... zum Beispiel bei SAT 1: der Sender zog gleich zweimal in Frankfurt gegen den "Werbeblocker" vor
Gericht. Vergeblich. Die Richter erklärten die "Fernsehfee" für zulässig. Das Gerät sei weder wettbewerbswidrig, noch gefährde
es die Rundfunkfreiheit der Privatsender.

In dem Urteil heißt es im Einzelnen: "Sie (d.h. die `Fernseh-Fee`) greift weder in die Rundfunkausstrahlung ein, noch
zwingt sie dem Zuschauer in irgendeiner Weise die Ausblendung der Werbung auf. Vielmehr eröffnet sie ihm die
Möglichkeit, durch eigene freie Entscheidung, beim Beginn der Werbeausstrahlung automatisch das Programm wechseln
zu lassen."

Doch RTL zog genauso nach wie der kleinere Privatsender VOX. Beide verklagten die kleine Koblenzer Firma ebenfalls. Die
Strategie war offensichtlich. Die "Fernsehfee" sollte mit hohen Gerichts- und Anwaltskosten in die Knie gezwungen werden. Bei
einem Streitwert von zwei Millionen Mark kommen schnell Prozesskosten von mehreren zehntausend Mark zusammen. Kein
Pappenstiel für eine junge Firma, die gerade erst anfängt. Die Taktik schien aufzugehen. Denn das Berliner Landgericht
entschied für die "Privatsender". Begründung: der Gesetzgeber garantiere die Existenz des Privatfernsehens als Konkurrenz zum
öffentlich-rechtlichen System. Werbung dürfe deshalb nicht durch ein technisches Gerät dem Zuschauer vorenthalten werden.

In dem Urteil heißt es: "Sie (d.h. die `Fernsehfee`) fördert ihr wirtschaftliches Fortkommen durch den Eingriff in
Grundrechte Dritter. Ein solches Verhalten ist stets unlauter, weil es dem Leitbild des Wettbewerbs widerspricht. Der
Vertrieb eines mit der Werbe-spot-stop-Funktion ausgerüsteten Vorschaltgeräts und die Werbung dafür, verstoßen damit
(...) gegen das in Artikel 5 Grundgesetz geschützte Recht auf Rundfunkfreiheit."

Der Rechtsanwalt des Senders VOX, Hans-Henning Arnold, sieht sich bestätigt: "Der Kunde ist König, aber hier geht es
darum, daß ein Wirtschaftsunternehmen im Wirtschaftsverkehr versucht, ein anderes zu ruinieren, das ist letztlich der
Sinn des Werbeblockers. Natürlich kann der Zuschauer zappen wohin er möchte, natürlich haben wir es auch gerne,
wenn er bei unserer Werbung dabei bleibt, aber wenn er wegzappen will, ist das sein gutes Recht. Nur dies hier ist etwas
anderes, hier versucht der eine sein Geschäft damit zu machen, indem er den anderen ruiniert."

Völliger Unsinn, meint der renommierte Medienrechtler Thomas Hoeren von der Universität Münster. Er hat die Urteile für und
gegen den "Werbeblocker" verglichen und glaubt nicht, daß die "Fernsehfee" von den Privaten zur Strecke gebracht werden
kann. Der Medienrechtler urteilt: "Wir haben den Grundsatz, daß wir uns in Deutschland natürlich an die guten Sitten des
Wettbewerbs halten müssen, aber gute Sitten heißt nicht, daß wir Zwangswerbung verordnet bekommen, die sich jeder
anschauen muß. Wir haben den Grundsatz der allgemeinen Freiheit, sich Werbung anzuschauen oder eben nicht, und
daraus ergibt sich, daß jemand Werkzeuge herstellen kann, um jene Zuschauer zu unterstützen, die eben kein
Werbefernsehen sehen wollen."

Nachfrage: "Was wären denn für Parallelen denkbar, wenn die `Fernsehfee` verboten würde, wenn Sie auf andere
Bereiche gucken?"

Antwort Thomas Hoeren: "Das würde genauso bedeuten, daß wenn jemand Aufkleber hätte, auf denen steht `Werbung ist
verboten`, daß die niemand herstellen dürfte, weil man sagen würde, damit macht man die Werbestrategien eines
Marketingunternehmens kaputt. Natürlich darf ein Unternehmen Aufkleber mit der Aufschrift `Werbung verboten`
verkaufen, weil es ja auch völlig legal ist, sich die Aufkleber auf den Briefkasten zu kleben."

"Fernsehfee" Petra Bauersachs will durchhalten. Auch wenn die Privat-Sender sie bis vor den Bundesgerichtshof zerren. Die
hohen Richter müssen dann ein Machtwort sprechen. Doch eigentlich kann es dabei nur ein Urteil geben. Der mündige Bürger
vor dem Fernsehen muß bei der Werbung die freie Entscheidung haben, ob er sich einen "Werbeblocker" kaufen will oder aber
einfach von Hand ausschaltet.
 
aus der Diskussion: TC Unterhaltungselektronik AG
Autor (Datum des Eintrages): zagor7  (26.07.01 12:46:43)
Beitrag: 18 von 35 (ID:4057732)
Alle Angaben ohne Gewähr © wallstreetONLINE