Die Fernsehfee ist ein Stehaufmännchen VON TOM MUSTROPH Koblenz. Einen Traum versprach die Koblenzer Unternehmerin Petra Bauersachs schon vor zwei Jahren dem geplagten Fernsehvolk: Endlich Filme ohne Werbung zu gucken. Endlich Fußballübertragungen verfolgen, ohne Beckenbauer oder Mehmet Scholl beim Telefonieren zusehen zu müssen. Die sogenannte Fernsehfee sollte die unerwünschten Spannungsdämpfer einfach wegzaubern. Wie wäre es mit einem neuen Job? Alle Stellenanzeigen der Neuen Westfälischen und von fast 90 weiteren Tageszeitungen finden Sie bei unserem Partnerdienst OWL-Online. Positiv bemerkbar macht sich das vor allem bei der Aufnahme von Filmen. Sobald die Werbung beginnt, stoppt ein Signal aus der Koblenzer Sendezentrale den Videorecorder. Nach dem Ende der Werbung schaltet ein weiteres Signal ihn wieder ein. Beim Gucken in Echtzeit zappt das Gerät automatisch zu einem alternativen Programm oder stellt den Ton aus. Die Funktion ist für alle Sender gleichermaßen anwendbar, weil sie nicht auf Signalen der Anstalten selbst beruht, sondern manuell von Bauersachs‘ Firma Telecontrol gesteuert und über verschiedene Rundfunknetze bis in die Haushalte verbreitet wird. Bauersachs‘ Mitarbeiter überwachen auf Monitoren die mehr als 30 Programme und reagieren per Knopfdruck auf Werbeinseln. Neben dem Werbeblocker sind Zusatzfunktionen integriert – etwa eine elektronische Fernsehzeitung oder ein Kinderschutz. Zudem kann der Nutzer sich sein individuelles Fernsehprogramm zuschneiden. Der Sportfan wechselt von Fußball- zu Handballbundesliga, von den deutschen Basketball-Play-offs zur NBA, Sciencefiction-Freunde verpassen keine neue Serie, und man erfährt alles über seinen Lieblingsstar. Selbst über das aktuelle Urlaubsziel kann man sich umfassend informieren lassen. Jetzt rechnet die Unternehmerin mit ihrem Durchbruch Das, was Pay-TV-Anstalten als teuer zu bezahlende Zukunft des Informationszeitalters verkaufen wollen, war 1999 im frei empfangbaren Fernsehen für 299 Mark Anschaffungskosten und dem Abopreis für die elektronische Programmzeitschrift möglich. Die Konsumenten jubilierten, die Presse war begeistert, nur durchzusetzen vermochte sich das Gerät nicht. Die Goliaths der Mediengesellschaft fürchteten um ihre Existenz. Immerhin kann Branchenführer RTL in der Hauptsendezeit 30 kurze Werbesekunden schon für 85.000 Mark verkaufen. In konzertierter Aktion machten die ansonsten erbitterten Konkurrenten mobil. SAT.1, RTL und Vox überzogen die 29-jährige Existenzgründerin Bauersachs mit Klagen wegen Wettbewerbsbehinderung. Der Verband Privater Rundfunk- und Telekommunikation (VPRT), eine Lobbyorganisation der privatrechtlichen Sender, setzte Vertragspartner von Telecontrol unter Druck. Ergebnis: Weniger als 10.000 Geräte wurden seit Januar 1999 verkauft. Doch die Firma ließ sich nicht unterkriegen. Petra Bauersachs wollte nicht zurück an die Schreibtische des öffentlichen Dienstes. Sie ließ ihre Idee patentrechtlich schützen. Sie wagte den Börsengang, suchte neue Netzbetreiber und Vertriebspartner. Und sie gewann alle anhängigen Prozesse. Die Fernsehfee behindere nicht den Wettbewerb, beschied das Frankfurter Landgericht den Kläger SAT.1 abschlägig. Sie automatisiere lediglich das Zappen. Der Zuschauer entscheidet weiterhin selbst, ob er die Werbung zur Kenntnis nehmen möchte. Jetzt rechnet die Start-Up-Frau mit ihrem endgültigen Durchbruch. Fachhändler werden geschult, die Werbekampagne vorbereitet. Fernsehspots darf man von ihr allerdings nicht erwarten. Im Juni startete ein Testlauf in München. Für den Herbst ist die bundesweite Einführung geplant. 399 Mark wird das Gerät dann kosten, zuzüglich 58 Mark Jahresabonnement für die elektronische Programmzeitschrift. |
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aus der Diskussion: | TC Unterhaltungselektronik AG |
Autor (Datum des Eintrages): | zagor7 (27.07.01 08:16:55) |
Beitrag: | 23 von 35 (ID:4065087) |
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