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kicker-Herausgeber Karl-Heinz Heimann dreht den Schweinwerfer:
Der Begriff "zeitnah" im Wandel der Zeiten
- gleich sehen sie den Bericht . . .,angekündigt, bedeutet das, dass gleich erst mal die Werbung kommt -


Vor einem Jahr während der Trauerspiele unserer Nationalelf bei der EM hat sich wohl
keiner vorstellen können, dass nur ein Jahr später unsere U-20-Junioren bei der
Weltmeisterschaft im winterlichen Argentinien als sicherer Gruppenzweiter ins
Achtelfinale einziehen würden. Ich gehe einig mit jenen, die behaupten, so schlecht sei es
um unseren Nachwuchs nicht bestellt, wie damals in der ersten Enttäuschung geschimpft
wurde. Nur warne ich davor, nun gleich ins Gegenteil zu verfallen. Über den Erfolg von
Cordoba sollen wir uns freuen, es kann ja sogar noch ein bisschen mehr werden (von jetzt
an gilt das K.-o.-System, spielt also auch das Glück eine größere Rolle), aber mit den
Füßen auf der Erde bleiben. Uli Stielikes Arbeit trägt Früchte. Sie wurde argwöhnisch
beobachtet und mit der Unterstützung durch die Klubs war es auch nicht immer zum
Besten bestellt. Dass alle Spieler nun ein Anrecht auf Stammplätze in der Bundesliga
haben, ist irreal. Keiner kann mit Bestimmtheit sagen, wer sich von ihnen durchsetzen
wird. Aber wie ernst Klubs und Trainer die Nachwuchspflege nehmen, lässt sich auch
daran ablesen, welche Chancen diesen jungen Spielern eingeräumt werden - wobei ich
immer dafür plädiere, mit Bedacht an die größeren Aufgaben heranzuführen.

Der Fußball hat für die Entwicklung des Fernsehens in Deutschland immer die Funktion
einer "Lokomotive" gehabt. Ohne den WM-Gewinn 1954 wäre es viel langsamer mit der
Ausbreitung dieses neuen Mediums vorangegangen, das Farbfernsehen erhielt durch das
WM- Turnier 1970 in Mexiko ganz wesentliche Impulse. Die Geräte-Industrie hat sich an
die Erfolge angehängt, die Zuschauerzahlen nahmen sprunghaft zu. Was die Macher des
Privatfernsehens dazu veranlasste, für Pay-TV und Pay-per-View dank des Fußballs
enorme Steigerungsraten zu errechnen, mag ihr Geheimnis bleiben. Wie sie ihre durch
happige Fehlkalkulationen entstandenen Verluste wettmachen wollen, ähnelt schon einer
"Strafaktion" gegen die Zuschauer. Ein erfolgreicher Wirtschafts-Manager sagte mir
unlängst, Tausende von Firmen wären, kämen sie mal in Schwierigkeiten, glücklich, hätten
sie so verständige "Partner", wie das Kirch-Fernsehen im DFB und in der Bundesliga.
Gegen den Vorwurf, sie habe sich an Kirch verkauft, kann sich die Bundesliga noch so
sehr wehren, sie wird ihn nicht mehr los!

Im modernen Fernsehen wird mit Begriffen jongliert, dass es einen mitunter graust. Ein
Beispiel: Bis vor ein paar Jahren hieß "gleich" eben "gleich". Wird heute "gleich sehen sie
den Bericht . . ." angekündigt, bedeutet das, dass gleich erst mal die Werbung kommt und
dann - keineswegs also gleich - der Bericht. Alles was im deutschen Fußball Sitz und
Stimme hat, trug monatelang den Begriff "zeitnah" wie einen Fetisch vor sich her und
bestand darauf, der Sendebeginn 20.15 Uhr, also drei Stunden nach Abpfiff der Spiele,
erfülle dieses Kriterium nicht. Die Rückzugsgefechte waren kurz und heftig, 20.15 Uhr ist
mit einem Male für die Zusammenfassung in "ran" doch "zeitnah". Und, oh Wunder, das
DFB-Präsidium legte sich für die Zukunft fest: "Später als 20.15 Uhr ist nicht mehr
zeitnah und kommt deshalb nicht in Frage." Man kann es glauben, muss es aber nicht. Wie
ist das mit Verfallsdaten?
 
aus der Diskussion: TC Unterhaltungselektronik AG
Autor (Datum des Eintrages): zagor7  (30.07.01 13:51:37)
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