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Artikel HANDELSBLATT, Samstag, 21. Juli 2001

Unternehmen sieht noch reichlich Wachstumspotenzial

Ableauctions.com macht mit Pleiten und Profite


Von SILKE TITTEL


Das Internet-Auktionshaus Ableauctions.com bringt vornehmlich das Inventar in Konkurs gegangener Firmen unter den Hammer. Das Geschäft blüht. Und dabei macht das Dotcom-Sterben nur einen geringen Teil des Umsatzes aus.

Schon wieder hat ein Dotcom das Zeitliche gesegnet. Diesmal hat es den Online-Briefmarkendienst E–Stamp.com erwischt. Dem Unternehmen selbst weint schon keiner mehr eine Träne nach. Jetzt, nachdem der Untergang sowieso nicht mehr abzuwenden ist, zählt nur noch eins: So viel wie möglich aus der Hinterlassenschaft herausholen.

Das Internet-Auktionshaus Ableauctions hat alles gekauft, was nicht niet- und nagelfest ist. Bei der „gigantischen Liquidation“ kam gestern unter den Hammer, was das Herz eines Gründer, Computerfreaks oder Teenagers begehren mag: viele, viele bunte I-Macs – die Modecomputer aus dem Hause Apple –, Regale voller High-Tech, elegante Ledersessel, Flachbildschirme, antike Schreibtische und sogar die gerahmten Bilder von den Wänden des Chefbüros. Alles unter www.ableauctions.com fein säuberlich gelistet und mit Fotos dokumentiert.

Dass Abdul Ladha häufig geringschätzig als „Pleitegeier“ bezeichnet wird, macht dem Chief Executive Officer (CEO) von Ableauctions gar nichts aus. Er findet überhaupt nichts Anrüchiges an seinem Job: „Liquidationen und Bankrott-Verkäufe gibt es, seit es Unternehmenspleiten gibt – also schon ewig.“

Durch Zufall in die Internetwelt

Der studierte Mathematiker und Elektroingenieur Ladha geriet eher zufällig in die Internetwelt. Die von ihm gegründete kanadische Software-Firma Dexton Technologies kaufte 1997 unter anderem das Auktionshaus Ableauctions auf. Zwei Jahre später – inzwischen war Ladha zum President und CEO aufgestiegen – begann das Unternehmen, Auktionen live über das Internet zu übertragen.

Längst sind Auktionen zu Ladhas Hauptbeschäftigung geworden. Aber obwohl er in den vergangenen Jahren acht traditionelle Auktionshäuser in den USA und Kanada aufgekauft hat, ist der Online-Teil seiner Firma zum unverzichtbaren Standbein geworden. „Unsere patentierte Auktions-Software macht den Wert des Unternehmens aus“, ist er überzeugt.

Auf den ersten Blick scheinen die Online-Auktionen vernachlässigbar, denn die Live-Übertragungen der Auktionen tragen unmittelbar kaum zum Umsatz bei. Zwar nehmen zusätzlich zu den 500 bis 1 000 Besuchern einer Auktion auch noch weitere 5 000 bis 10 000 per Internet teil. Aber nur etwa zehn Prozent aller Waren werden von Online-Bietern gekauft. „Die Leute bieten am Bildschirm mit, kaufen aber selten“, resümiert Ladha.

Doch der positive Effekt der Online-Beteiligung schlägt sich sehr sichtbar in den Verkaufserlösen nieder: Der Verkaufspreis geht durch die erweiterte Bietergemeinde letztendlich um etwa 20 Prozent nach oben.

Expansionsdrang ist ungebremst

Im vergangenen Quartal konnte das 100 Mitarbeiter starke Unternehmen mit Sitz in Scottsdale (US-Bundesstaat Arizona), das seit 1998 an der Börse notiert ist, zum ersten Mal schwarze Zahlen schreiben. „Das wird auf lange Sicht auch so bleiben“, ist Chief Financial Officer Ron Miller überzeugt.

Nur der nach wie vor ungebremste Expansionsdrang werde Ableauctions „wohl für eine Weile wieder in den roten Bereich zurückwerfen“. Eine neue Niederlassung in Seattle ist geplant, und die Akquisition eines britischen Auktionshauses wird in diesen Tagen unter Dach und Fach gebracht.

Investoren sind offenbar noch skeptisch: Die vierte Finanzierungsrunde ist gerade mit 14 Millionen Euro abgeschlossen worden (vorher waren es vier, 5,9 und sieben Millionen Euro), blieb aber unter den Erwartungen zurück. „Wir hatten auf knapp 32 Millionen gehofft“, gibt Ladha zu. Auch der Aktienpreis dümpelt mehr schlecht als recht vor sich hin. „Der ging in den vergangenen Jahren mehr runter als rauf“, bekennt Miller.

Dennoch sind die beiden Manager überzeugt, das Rezept für ein profitables Unternehmen gefunden zu haben. Nicht nur die gesunde Mischung aus einem traditionellen „Brick and Mortar“-Auktionshaus und einem Internet-Unternehmen unterscheide Ableauctions von der in jüngster Zeit wie Pilze aus dem Boden schießenden Konkurrenz – ob Egghead.com,Ubid.com, Yahoo Auctions oder Amazon Auctions – sondern auch der Business Plan.

Ableauctions von der Achterbahnfahrt des E-Commerce relativ unabhängig

Denn der Profit der meisten Internet-Auktionshäuser stamme aus einer Verkaufskommission von gerade mal drei bis zehn Prozent. Ableauctions kauft im Gegensatz dazu die Hinterlassenschaften ganzer Unternehmen komplett auf – und deshalb häufig zu Preisen weit unter dem Marktwert. Die Gewinnspanne liegt daher laut Miller zwischen 25 und 50 Prozent.

So bargeldintensiv wie das Konzept auf den ersten Blick scheint, sei es aber längst nicht. Denn das Warenlager werde gewöhnlich innerhalb von nur zwei Wochen umgeschlagen. „Wir haben also unsere Ausgaben üblicherweise bereits wieder drin, wenn wir die Banken bezahlen müssen“, erläutert Miller.

Und auch wenn derzeit gerade die Dotcom-Pleiten für Schlagzeilen sorgen, sei Ableauctions von der Achterbahnfahrt des E-Commerce relativ unabhängig. In den ersten Hälfte dieses Jahres sind der Beratungsfirma Webmergers.com zufolge weltweit 330 Dotcoms eingegangen – mehr als zwei an jedem Arbeitstag. „Dennoch sind nur knapp 30 Prozent unserer Unternehmensauflösungen Dotcoms“, so Ladha.

Dieser Teil des Liquidations-Geschäfts erhalte zwar die meiste Aufmerksamkeit, sei aber tendenziell instabil und berge auch nicht die größten Gewinnmargen. Laut Miller sind Großmaschinen der sicherste Markt. Intellektuelle Werte wie Kundenstamm, Datenbanken oder vom entsprechenden Unternehmen entwickelte Software versteigert Ableauctions von vornherein nicht. „Das ist uns zu riskant“, sagt Finanzchef Miller.

Ableauctions sieht noch reichlich Wachstumspotenzial

Mit populären Internet-Auktionshäusern wie Ebay, bei denen immerhin 64 Prozent aller privaten Auktionsfans landen, möchte Ableauctions nicht in einen Topf geworfen werden. „Bei uns gibt es nämlich nicht den sonst üblichen Mindestpreis“, erläutert Ladha. Das schaffe Vertrauen und einen loyalen Kundenstamm, der immerhin zu zwei Dritteln aus Firmen und nur zu einem Drittel aus Einzelpersonen bestehe.

Der gute Ruf ist besonders wichtig, nachdem das „Internet Fraud Complaint Center“ des FBI vor kurzem Online-Versteigerungen das mit Abstand höchste Betrugsrisiko im Internet bescheinigt hat. Ableauctions beugt potenziellen Beschwerden mit einer Geld-Zurück-Garantie vor.

Die Zukunft sieht in Ladhas Augen rosig aus. „Mit Auktions-Liquidationen werden allein in den USA pro Jahr 80 Milliarden Dollar umgesetzt“, sagt er. Ableauctions mit seinen derzeit 29 Millionen Euro Jahresumsatz habe da noch reichlich „Platz zum Wachsen“.

Für Mitleid mit den insolventen Unternehmen bleibe nicht viel Zeit. „Wir sehen die Werte, nicht die gescheiterten Firmen oder Träume dahinter.“ Er verhandle ja nur noch mit den Banken, Verwaltern und Schuldnern. „Wenn wir kommen, dann ist das Unternehmen schon tot. Jeder, mit dem wir zu tun haben, ist zu dem Zeitpunkt längst über die Trauerphase hinaus.“


HANDELSBLATT, Samstag, 21. Juli 2001
 
aus der Diskussion: Beste Tradingchancen für die nächsten 6 Monate
Autor (Datum des Eintrages): MrBluelabel  (01.08.01 15:43:14)
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