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03.08.2001



D R E S D N E R B A N K

Knatsch um Crash-Vorhersage


Helle Aufregung um eine angebliche Absturz-Prognose. Hat Albert Edwards, globaler Chefstratege bei Dresdner Kleinwort Wasserstein, wirklich vor einem nahen Crash an der Wall Street gewarnt? mm.de hat nachgefragt.

Hamburg - Ein Zeitungsartikel sorgt für Wirbel an der Börse. Am Freitag morgen hatte "Die Welt" berichtet, der globale Chefstratege bei Dresdner Kleinwort Wasserstein, Albert Edwards, habe für die kommende Woche einen Crash an der Wall Street prophezeit. Die Meldung sorgte für erhebliche Unruhe. Nachdem die Prognose den ganzen Tag über heftig diskutiert worden war, sah sich die Bank am Abend zu einer Stellungnahme veranlasst. Tenor: Edwards sei falsch zitiert worden.



"Am Dienstag Crash an der Wall Street"
Eine neue Berechnungsmethode für die Wirtschaftsleistung soll an den US-Märkten zu einem massiven Kurseinbruch führen. ...mehr




Wörtlich heißt es in der Mitteilung des Investmenthauses: "Unsere Bank sagt ihren Kunden nicht, dass wir einen Crash von 20 Prozent in der nächsten Woche vorhersagen. Wir haben keinen 20-prozentigen Einbruch an den Märkten vorher gesagt. Es gab kein Statement von uns, dass wir einen Crash prognostizieren." Insofern sei die Aussage des Artikels falsch.

Diesen Vorwurf allerdings weist der Verfasser des inkriminierten Berichts entschieden zurück. "Welt"-Redakteur Holger Zschäpitz gegenüber manager-magazin.de: "Dieses Dementi geht völlig an der Sache vorbei. Wir haben nie behauptet, die Bank hätte ihren Kunden gesagt, dass sie einen `Crash von 20 Prozent` vorhersagt. Daher erübrigt sich diese Richtigstellung. Ich habe lediglich die Äusserungen Albert Edwards` wiedergegeben, und diese Zitate sind absolut korrekt."

Neue Berechnung des Wachstums

Nach Darstellung des Journalisten stützt sich sein Artikel im wesentlichen auf ein Begleitschreiben, das Edwards einer Studie beigefügt hatte. Sie befasst sich mit den am 7. August zur Veröffentlichung anstehenden US-Produktivitätskennziffern ex agrar.

Eine neue Berechnungsmethode, so die Kernaussage des Textes, werde zu dem erschreckenden Resultat führen, dass es nicht weit her ist mit dem amerikanischen Produktivitätswunder. Das Potenzialwachstum, in dem die Wirtschaft zulegen könne, ohne eine Inflation zu produzieren, werde nicht wie bisher angenommen bei 3,5 Prozent liegen, sagte Edwards. "Es dürfte nur 2,5 Prozent ausmachen."

"Das Risiko eines Wertpapiercrashs ist hoch"

Die zu erwartende Revision kommentierte Edwards mit den Worten: "Das `Neue Paradigma` der USA wird an diesem Tag offiziell wegrevidiert. Das Risiko eines Wertpapiercrashs ist hoch."

Zschäpitz dazu: "Das Entscheidende war das interne Begleitschreiben, das der Studie beilag. In diesem Brief, der unserer Redaktion schwarz auf weiss vorliegt, bringt Edwards klar zum Ausdruck, dass seiner Meinung nach ein Crash zu erwarten ist." Dafür spräche die Schlussfloskel, mit der das Schreiben endete. Edwards, so Zschäpitz` Darstellung, verabschiedete sich nach seiner düsteren Vorhersage mit den Worten: "Good Night".

War der bisherige Einbruch erst der Aperitif?

Das Dementi der Unternehmensführung von Dresdner Kleinwort Wasser ist aber auch aus einem anderen Grund mit Vorsicht zu genießen. Albert Edwards ist für seine kritische Einschätzung bekannt. Ende Februar warnte er bereits in einem Gespräch mit der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" vor weiteren Einbrüchen an den internationalen Aktienmärkten.

Die Zeitung zitiert den Analysten mit den Worten, der Kurseinbruch des Nasdaq-100-Index um 55 Prozent seit Anfang 2000 sei "nur der Aperitif" gewesen. Die Aktien seien weiterhin zu teuer, und der lange Konjunkturboom in den USA habe die Einsicht für die Realität viel zu spät aufkommen lassen. Sein Fazit: Die zweite Phase der Kurseinbußen habe gerade erst begonnen.

Eigenwilliger Humor ist Edwards` Markenzeichen

Allerdings ist auch nicht auszuschließen, dass es sich bei der Angelegenheit um ein Missverständnis ganz besonderer Art handelt. Albert Edwards ist für seinen eigenwilligen Humor bekannt. 1996 taufte er in einer Länderstudie die Wirtschaftspolitik des malaysischen Ministerpräsidenten in "Noddy-nomics" um - eine Analogie auf die "Reaganomics" der 80er Jahre und eine Anspielung auf eine britische Cartoon-Figur, die damals vor allem bei Kleinkindern sehr beliebt war.

Dieser Scherz kam bei den Betroffenen gar nicht gut an. Malaysia war außerordentlich ungehalten und drohte hinter den Kulissen mit Konsequenzen. Die Investmentbank musste schließlich sämtliche Kopien der Studie aus dem Verkehr ziehen und vernichten.

Clemens von Frentz
 
aus der Diskussion: crash
Autor (Datum des Eintrages): F 50  (04.08.01 16:42:53)
Beitrag: 11 von 13 (ID:4129941)
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