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Dresdner-Chefstratege steht mit Crash-Prognose allein da

Experten erwarten am Dienstag kein Börsendebakel - Negative Zahlen schon in den Kursen enthalten

Von Holger Zschäpitz

Frankfurt/Main - Der Chefstratege Albert Edwards hat mit seiner Crashprognose, die die WELT exklusiv veröffentlichte, einen großen Stein in den Finanzteich geworfen. Hohe Wellen schlug die Vorhersage, dass es in der kommenden Woche zu einem Einbruch an der Wall Street von über 20 Prozent kommen wird. Doch an den Märkten war von den Wellen nur noch wenig zu spüren. Der Dax erholte sich von anfänglichen Verlusten wieder. "Alle reden über die Crashprognose, aber keiner nimmt das wirklich ernst", begründete ein Händler. "Einen Börsenkrach kann man gar nicht exakt vorhersagen. Zudem kann es einen Crash, über den alle reden, nicht geben."
Als Auslöser für den erwarteten Börsenkrach hatte Edwards neue US-Konjunkturzahlen, die in der kommenden Woche nach einer neuen Berechnungsmethode veröffentlicht werden sollen, ausgemacht. Die neu berechneten Produktivitätszahlen würden das US-Wirtschaftswunder der letzten Jahre als Schwindel enttarnen und eine komplette Neueinschätzung der Ökonomie erforderlich machen. "Die Diskussion um die Berechnung der Produktivitätszahlen ist nicht neu", sagte Gertrud Traud von der Bankgesellschaft Berlin. "Hier wird kalter Kaffee aufgebrüht."

Tatsächlich gibt es seit Jahren auch hier zu Lande eine Diskussion um die exakte Messmethode. In den USA wird zur Ermittlung der Produktivitätszuwächse der Rückgang der PC-Preise mit eingerechnet, in Deutschland nicht. Nach Angaben der Bundesbank macht dies in Deutschland ein geringeres Produktivitätsniveau von 0,5 Prozentpunkten aus. Im High-Tech-Land USA dürfte sich die Neuberechnung noch stärker in der Statistik niederschlagen.

Doch die meisten Experten können sich nicht vorstellen, dass dies einen Börsenkrach hervorruft. Dagegen spreche auch, dass sich Alan Greenspan zuletzt optimistisch zur Produktivität geäußert hatte. "Der US-Notenbankpräsident müsste eigentlich die revidierten Zahlen schon kennen", so Traud. Auch Henrich Maaß von der WestLB erwartet keinen Börsencrash von der Veröffentlichung der Produktivitätsdaten - nicht einmal eine besonders große Überraschung: "Wenn man weiß wie sich das US-Bruttoinlandsprodukt entwickelt hat, kann man Rückschlüsse auf die Produktivität ziehen", sagte Maaß. Das enttäuschende US-Bruttoinlandsprodukt für das zweite Quartal sei die eigentliche Überraschung gewesen. Rückschlüsse über die Produktivität seien von den Aktienmärkten zu einem großen Teil schon berücksichtigt worden.

Viele sehen in der Crashprognose von Edwards den Versuch, sich in die Öffentlichkeit zu bringen und Geschäft an Land zu ziehen. Denn Analysten verdienen daran, wenn Marktteilnehmer auf eine Empfehlung ihre Aktien verkaufen. Auch die Deutlichkeit seiner Worte spreche dafür. "Für mich klingt Edwards wie ein Prophet, der sagt, dass am Tag X die Welt untergeht und vorher noch schnell eine Bibel verkaufen will", sagt Traud.

Andere Strategen wollen einen politischen Hintergrund nicht ausschließen. Vor dem Hintergrund der Eingliederung der Investmentbank Dresdner Kleinwort Wasserstein (DKW) in den Allianz-Allfinanzkonzern könnten die Investmentbanker gezielt versuchen, ihre Bitterkeit über die nicht erfolgte Ausgliederung von DKW mit öffentlichkeitswirksamen Studien zu demonstrieren.
 
aus der Diskussion: crash
Autor (Datum des Eintrages): 2505  (04.08.01 19:05:48)
Beitrag: 12 von 13 (ID:4130356)
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