Fenster schließen  |  Fenster drucken

[posting]42663871[/posting]Rückgrat zeigen, wär dringend nötig....

Die Lehren aus dem Fall Wegelin
Der Ausgang des Steuerstreits Schweiz - USA ist in der Schwebe
Der Untergang der Bank Wegelin mag in der politischen Schweiz als reinigendes Gewitter wirken. Schon am kommenden Mittwoch im Bundesrat könnte etwas klarer werden, ob sich die Schweizer Reihen im Steuerstreit mit den USA nun schliessen.
Hansueli Schöchli

Die Teilhaber der Ostschweizer Privatbank Wegelin haben zweifellos Fehler begangen. Viele Branchenvertreter schüttelten den Kopf angesichts der Unbekümmertheit, mit welcher die Bank nach dem Platzen der UBS-Steueraffäre von der UBS US-Kunden mit undeklarierten Geldern übernommen hatte. Selbst aus rein betriebswirtschaftlicher Sicht – erwartete Zusatzerträge contra Zusatzrisiken – hätte die Sache damals als Vabanquespiel erscheinen müssen. Der wirtschaftliche Schaden des Wegelin-Untergangs ist zudem begrenzt, weil der Hauptteil der Bank durch die Verschiebung in die Raiffeisen-Gruppe gerettet wird (NZZ 28. 1. 12).


Die Drohung genügt schon
Doch der Fall eröffnet beunruhigende Fragen. Aus rechtsstaatlicher Sicht erscheint es inakzeptabel, dass alleine schon die amerikanische Drohung mit einer Klage den Untergang einer Schweizer Bank herbeiführen kann. Selbst Banken ohne Niederlassung in den USA haben oft betont, dass eine Strafklage existenzbedrohend sein könne, da die USA potenzielle Geschäftspartner (etwa Korrespondenzbanken) mit mehr oder weniger grossem Druck die Aufgabe der Geschäftsbeziehungen mit der angeklagten Bank «nahelegen» würden. Kurz gesagt: Es geht bei den Drohungen der USA nicht um «Recht» (bzw. Gerichtsurteile), sondern um eine reine Machtfrage. Angesichts solcher Unsicherheiten verlor Wegelin zuletzt erhebliche Kundengelder, weshalb sich das Institut zum Radikalschnitt gezwungen sah. Was passiert, so fragen sich nun viele, wenn als Nächstes zum Beispiel die Bank Julius Bär oder eine Kantonalbank in eine ähnliche Situation gerät?

Im Finanzdepartement gibt es Hoffnungen, dass diese Frage jenen Schulterschluss in der Schweiz herbeiführen könnte, der bisher im US-Steuerstreit zu oft gefehlt hat. Zum einen hielt sich bisher das Interesse der im Visier der US-Justiz stehenden Banken an einer Branchenlösung in Grenzen – jedem war das eigene Hemd am nächsten, das Gesamtbild interessierte wenig. Zum andern gab es auch im Bundesrat oft keine Einigkeit. So ist die Frage, wieweit die Schweiz sich überhaupt für die Banken einsetzen soll, bis heute umstritten. Aus Staatssicht liesse sich argumentieren, dass die Banken ihre Probleme in den USA selber lösen sollen. Aber die Staatsintervention drängte sich auf, weil die US-Forderungen nach Kundendaten die Banken gemäss früherem UBS-Muster in einen Konflikt zwischen zwei Rechtssystemen bringen.

Aufwind für «Blockadebefehl»?
Am kommenden Mittwoch soll der Bundesrat erneut über die Frage diskutieren, ob die Schweiz mit einem «Blockadebefehl» das politische Signal geben will, dass sich das Land auch von einer Grossmacht nicht alles bieten lässt. Inhaltlich würde ein solcher Beschluss im Prinzip nur bekräftigen, dass die Banken bezüglich Datenlieferungen kein Schweizer Recht brechen dürfen bzw. können. Wichtiger wäre indessen das besagte politische Signal. Dieses bedingt aber den Willen, den Beschluss im Ernstfall auch durchzusetzen. Bisher war dieses Signal im Bundesrat nicht mehrheitsfähig. Denkbar ist, dass der Fall Wegelin das eine oder andere Departement etwas aufrüttelt.

Zur Diskussion stehen auch weitere Signale in Richtung «Rückgrat zeigen». So ist der Vorschlag zu vernehmen, dass die Schweiz einmal einen US-Staatsanwalt wegen Anstiftung zu verbotenen Handlungen für einen fremden Staat (Artikel 271 Strafgesetzbuch) anklagen solle. Allerdings gibt es Zweifel an der Wirkung eines solchen Signals – die Bandbreite der Prognosen reicht von «null Wirkung» bis zu «Provokation».

Aus der Bankbranche sind derweil Stimmen zu hören, wonach die Schweizer Behörden die Schlagkraft einer US-Klagedrohung gegen Schweizer Institute dämpfen sollten. In dieser Lesart könnte eine vorbeugende Garantie der Nationalbank, im Notfall das Fremdwährungs-Clearing für Schweizer Institute weiterzuführen, die Unsicherheit der Bankkundschaft reduzieren. Ob eine solche Massnahme der Bank Wegelin entscheidend geholfen hätte, ist allerdings umstritten. Auf Behördenseite ist dieser Vorschlag bisher dem Vernehmen nach auf wenig Gegenliebe gestossen. Zweifel über die Wirksamkeit sowie juristische und politische Bedenken könnten eine Rolle gespielt haben. Die Finanzmarktaufsicht (Finma) will sich nicht öffentlich über diskutierte Lösungsvarianten im Fall Wegelin äussern. Die Finma betont lediglich, dass für sie nicht der Schutz der Bankteilhaber entscheidend sei, sondern der Schutz der Kunden, der Anlagegelder und des Finanzsystems.

Kluft in der Bussenfrage
Ob der Steuerstreit Schweiz - USA in eine Lösung mündet, bleibt offen. Über die meisten Punkte herrscht zwar Einigkeit, doch die zwei Haupthindernisse sind noch nicht aus dem Weg geräumt. So fehlt noch die Zustimmung des Schweizer Parlaments zur Zulassung von Gruppenanfragen auf Basis von Verhaltensmustern in der Amtshilfe mit den USA. Nachdem der Ständerat im Dezember sein Plazet gegeben hat, wird der Nationalrat im März darüber befinden. Nach wie vor weit auseinander sind die beiden Länder in der Frage der Gesamtbusse für die Banken. Während die Schweiz eine nachvollziehbare Rechnungsformel möchte, drängen die USA auf einen «politischen» Betrag. Die ursprüngliche Forderung lag dem Vernehmen nach nahe bei 10 Mrd. Fr., was für die Schweiz einer erpresserischen Forderung gleichkommt. Zudem muss die Schweiz berücksichtigen, dass hohe Zahlungen an die USA andere Länder auf den Geschmack bringen könnten.

Finanzministerin Eveline Widmer-Schlumpf hat sich vergangene Woche zuversichtlich gezeigt, dass bis Ende Jahr eine Lösung zustande komme. Das war einerseits weniger zuversichtlich, als es klang (man hatte einst auf eine raschere Lösung gehofft), anderseits aber vielleicht dennoch zu optimistisch. Es ist laut Beobachtern nach wie vor gut möglich, dass die Verhandlungen platzen. Dann würde wohl jede Bank für sich selber eine bilaterale Lösung anstreben. Die offizielle Schweiz müsste dies zulassen – aber nur, wenn die Datenlieferungen in den ordentlichen Amtshilfekanälen und damit im Rahmen der Gesetze bleiben.
http://www.nzz.ch/nachrichten/wirtschaft/aktuell/die_lehren_…
 
aus der Diskussion: Jagd auf Bankkundendaten und Steuergelder
Autor (Datum des Eintrages): selectrix  (30.01.12 21:54:34)
Beitrag: 108 von 609 (ID:42670894)
Alle Angaben ohne Gewähr © wallstreetONLINE