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Historische Aktien schlagen Dax um Längen

Sammler zahlen für antike Nonvaleurs Spitzenpreise - Gründeraktie von Standard Oil für 68 000 DM versteigert

Von Jakob Schmitz

Düsseldorf - United Steel, einst größter Stahlkonzern der Welt, und Andrew Carnegie, Tycoon und Mäzen zugleich - diese geschichtsträchtige Aktienassoziation war mit 141.000 DM im ersten Halbjahr der Auktionshit am Markt für Historische Wertpapiere. Damit hält die Renaissance der Gründerväter am Sammelmarkt weiter an.
Ein Jahrhundert lang, oft auch länger, gilbten die papierenen Zeugen der Very Old Economy in den Tresoren der Banken unbeachtet vor sich hin, bis sie der Dornröschen-Kuss der Aktiensammler zu neuem Leben erweckte. Recherche und Lupe taten ein Übriges, und heute ist es nicht anders als beim Nemax: Stimmt die Story, stimmen die Kurse. So mauserten sich die Top Fifteen im Lauf der Jahre zum "Gotha der Giganten" mit immer neuen Spitzenpreisen. Aber nur wenige erreichen einen Rang wie John D. Rockefeller, dessen handsignierte Aktien heute als die Devotionalien des Kapitalismus schlechthin gelten. Gleich zwei Mal ist der Ölkönig diesmal in der Liste der teuersten Antikaktien vertreten, einmal mit der Gründeraktie der Standard Oil Company, dann mit seiner eigenhändigen Unterschrift auf der Aktie der Standard Oil Trust, der Nachfolgegesellschaft der Standard Oil, hier gemeinsam mit seinem Bruder William. Dass es von der Gründeraktie der Standard Oil Company nun doch nicht nur zwei oder drei geben soll, sondern dem Vernehmen nach elf, hatte zunächst zu einer scharfen Preiskorrektur geführt. Aber was soll`s? Auch die Millionen schwere Blaue Mauritius ist kein Einzelstück.

Wo Rockefeller punktet, darf Vanderbilt nicht fehlen. Die Anleihe der Accessory Transit war diesmal in den USA mit 35.400 DM recht günstig zu haben. Noch 1999 hatte sie beim Auktionshaus Tschöpe 56.400 DM und 2000, ebenfalls dort, schon 65.000 DM gekostet. Rundfunkpionier Marconi trumpfte in den USA mit 28 300 DM auf - vor 15 Jahren noch wollte kaum einer ein paar lumpige Hunderter für das Gründerstück zahlen. Uncle Sams nationale Heroen wie etwa Mormonen-Oberhaupt Brigham Young (diesmal 28.200 nach 11.600 DM 1995) und Sagenheld Buffalo Bill (jetzt 49.000 DM nach 32.500 DM 1998) blieben verständlicherweise jenseits des Atlantiks. Meyer-Guggenheim, der schweizstämmige US-Kupfer-Krösus, erbrachte bei Tschöpe 23.000 DM nach 17.600 DM in 1997 und vervollständigte die iIlustre Phalanx der Celebrities.

Zwei Topstücke aus der Frühzeit der Aktiengesellschaft erfreuten sich unveränderter Beliebtheit: das Transferzertifikat der britischen East India Company (27.000 DM nach 21.100 DM 1998) und die Preussisch-Bengalische Compagnie von 1754, die älteste verfügbare deutsche Aktie (28.200 DM nach 23.000 DM 1997 und 53.700 DM 2000).

"Kunst auf Aktien" brachte sich mit zwei prachtvollen Exponaten beim Sammler in Erinnerung: zum einen mit der in nur zwei Exemplaren bekannten belgische Cie. Horticole de Genval et Extensions von 1901, ein kleines grafisches Meisterwerk des floralen Jugendstils von Paul Cauchie mit 31.700 DM. Sie kostete früher einmal 36.000 DM. Zum anderen mit der nach einer Vorlage von François Boucher geschaffenen französischen Freimaurer-Aktie der S. A. Franc-Maconnerie Bordelaise von 1878, in drei Stücken bekannt, mit ihrem neuen Spitzenpreis von 21.100 DM.

Auch die hohe Kultur ist weit oben vertreten: Jacques 0ffenbachs Théâtre de la Gaité von 1873, ein Unikat, erzielte bei 40.100 DM den Zuschlag. Erst vor wenigen Jahren wäre das Stück inkognito bei einer Auktion fast liegen geblieben, wenn sich nicht ein Sammler für rund 2000 DM seiner angenommen hätte. Noch etwas mehr zahlte ein Bieter für den Anteilschein der Neuen Theater-Actien-Gesellschaft Frankfurt mit 47.000 DM, 1996 noch für 28.100 DM zu haben.

Wenn schnell verdientes Geld auch nicht mehr im Übermaß wie 2000 in das Sammel- und Anlageobjekt ,,Historisches Wertpapier" floss, so erstaunt es dennoch immer wieder, dass selbst in schwachen Börsenzeiten gute Ware gute Preise macht. Dies zeigt, dass der junge Markt intakt ist und dass der, der auf die Raritäten setzt, in guten und in schlechten Zeiten mit kräftigen Gewinnen rechnen kann. Die kaufkräftigen Interessenten favorisieren daher auch weiterhin vor allem US-Autographen, von denen allein sieben in der Halbjahresliste 2001 vertreten sind. Auch künstlerisch anspruchsvoll gestaltete Exponate, noch dazu von bekannter Künstlerhand entworfen, und ausgewählte Inkunabeln, also Wertpapiere aus der Zeit vor 1800, werden die Börse aller Voraussicht nach langfristig schlagen.

Quelle: DIE WELT
23.08.01
 
aus der Diskussion: AG für historische Wertpapiere: wer weiß etwas?
Autor (Datum des Eintrages): NOBODY_III  (24.08.01 00:01:40)
Beitrag: 21 von 34 (ID:4273299)
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