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Wo sind die Börsengurus? Seite < 1/2 >


Dezember im Jahre 1998. Der Analyst Henry Blodget sogte für Erstaunen und vielfaches Gelächter an der Börse, weil er ein gewagtes Kursziel für einen Internetwert setzte. Amazon.com werde in wenigen Monaten bei 400 Dollar stehen, so Henry Blodget zur damaligen Zeit. Es dauerte nur wenige Wochen, in denen der schon zuvor stark gestiegene Kurs des Internet-Buchhändlers von 230 Dollar auf rund 400 Dollar anstieg, und den Analysten über Nacht zum Star machte. Der erste weltbekannte Börsenguru war geboren. Nur wenige Wochen später hatte Blodget einen Vertrag von Merrill Lynch, einem renommierten US-Investmenthaus, in der Tasche, der dem Mittdreißiger ein Millionengehalt und den Vizepräsident-Posten einbrachte.

Doch was hatte Henry Blodget dafür geleistet? Übertrieben kurz gefasst hat er einfach Glück gehabt. Der sprichwörtliche Sechser im Lotto, zur richtigen Zeit, die richtige Aktie euphorisch zu betrachten, »mehr nicht«. Kein Mensch der Welt kann die Zukunft vorhersagen, auch an der Börse nicht. Zu viele Variablen haben hier Einfluss auf die Kursentwicklung, als dass eine detailierte Prognose möglich wäre. Zudem ist Blodget mit seinem Geschichtsstudium und seiner Journalistenzeit bei CNN zwar gewandt und weltoffen, jedoch nicht besonders prädestiniert, das Börsengeschehen zu beurteilen.

Trotzdem war der Anfang nun bereitet. Während der Börsenboom-Phase tauchten immer mehr Börsen-Propheten auf, die meinten, die Zukunft einschätzen zu können. Da in der Anfangszeit fast alles im Kurs gestiegen ist, sind die optimistischen Prognosen vielfach eingetreten und weitere Börsengurus geboren worden. Ob man nun die bekannte US-Analystin Mary Meeker (Bild), den amerikanischen Telekomspezialisten Jack Grubman oder sogar die renommierten Experten Ralph Acampora und Abby Cohen nennt, alle haben bei ihren Prognosen von der positiven Börsenentwicklung profitiert. Auch in Deutschland sind so u.a. durch die 3sat-Börse Börsengurus wie Egbert Prior, Bernd Förtsch oder Alfred Maydorn entstanden.


Der Niedergang der Gurus Seite < 2/2 >


Doch inzwischen trennt sich die Spreu vom Weizen. Kaum setzte die Börse zu einer Verschnaufspause an, kamen die Börsengurus ins Wanken. Viele hatten keine Erfahrung mit sinkenden Kursen, geschweige denn mit einer Börsen-Baisse. So taten sie, was sie auch bei steigenden Kursen getan haben: Kaufempfehlungen aussprechen. Jeder weitere Kursrückschlag wurde als günstige Kaufgelegenheit betrachtet, jede schlechte Nachricht mit der Börsenweisheit »buy on bad news« abgetan. Doch auch viele Anleger hatten noch keine Erfahrung mit fallenden Kursen, und wurden immer ärgerlicher, je mehr ihr Depot zusammenschmolz. Je länger die Abwärtsbewegung dauerte, je mehr Anhänger verließen die Börsengurus und verkauften verärgert ihre Aktien, was den Abwärtstrend wiederum verstärkte.



Inzwischen haben Blodget, Förtsch & Co. nicht nur mit einer mieserablen Prognoseentwicklung und daraus folgender schlechter PR zu kämpfen, sondern müssen sich auch auf juristische Auseinandersetzungen einstellen. Beispielsweise Merrill Lynch hat erst vor wenigen Monaten einem klagenden Kunden, der auf Kaufempfehlungen von Henry Blodget vertraute, einen Großteil seines Kursverlustes ersetzt. Dieses schnelle außergerichtliche Einlenken der Investmentbank machte schnell Schule, sodass inzwischen auch beispielsweise das Investmenthaus Morgan Stanley, der Geldgeber von Mary Meeker, Geld an geschädigte Anleger überwiesen hat.

Der Anleger sollte bei Äußerungen von Bankanalysten zudem immer berücksichtigen, dass der sogenannte Experte ein Angestellter der Bank ist. Sofern es sich um eine Investmentbank handelt, besteht neben der Analyseabteilung (Research) auch eine Kreditabteilung für Unternehmen. Diese ist insbesondere in den letzten Jahren stark im Geschäft der Börseneinführung von Unternehmen engagiert gewesen. Somit verdient die Bank daran, wenn ein Unternehmen schnell und profitabel an der Börse platziert werden kann, weil die gewährten Kredite und eingegangenen Beteiligungen dann lukrativ abgerechnet werden können.

Das nun die selbst an die Börse gebrachten Unternehmen nicht schlecht von der eigenen Analyseabteilung beurteilt werden, liegt im ureigensten Interesse der Bank. Auch kontinuierlich positive Bewertungen sollten für Anleger nicht unerwartet kommen. Ob diese Analystenkommentare in diesem Zusammenhang aber noch als unabhängig zu betrachten sind, und bei der eigenen Kaufentscheidung beachtet werden sollten, bleibt jedem Anleger selbst überlassen.

Bleibt nur zu hoffen, dass insbesondere die jüngeren Aktionäre sich nicht durch die erlangten Verluste von der Börse abwenden, sondern mit den Erfahrungen bewusster an den Wertpapiermärkten agieren. Denn Propheten gibt es nicht, dafür aber die vielfach-bewiesen, langfristig profitabelste Anlageform: Die Aktie.(dg)

Ich wär so gerne Millionär wenn nur mein Konto nicht so wär..........grüße an alle broker !!!!! Und W : O USER

;) :)
 
aus der Diskussion: wo sind die börsengurus von gestern ???
Autor (Datum des Eintrages): nino@  (31.08.01 09:12:25)
Beitrag: 1 von 5 (ID:4327258)
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