Fenster schließen  |  Fenster drucken

Zwischenfazit zu den Szenarien


Nach der Entwicklung der letzten jahre kristalliert sich nun heraus, dass das Szenario 2. Mäßig harmonische Selbstregulation/ ruppiges Einpendeln dasjenige ist welches die Dynamik des Ölmarktes nach Peak Oil am Besten beschreibt.

Szenario 2: Mäßig harmonische Selbstregulation/ruppiges Einpendeln
(neuere Version des Szenarios als im alten Thread, dies ist die überarbeitete Version des Szenarios)

Vorraussetzungen:
Im Gegensatz zur extrem harmonischen Selbstregulation des Marktes, dem 1. Szenario, sind hier schon die Grundannahmen anders.
Die wesentliche Änderung der Grundannahmen ist, dass die Variablen Ölpreis, Angebot und Nachfrage nicht ganz so eng vernetzt sind wie im ersten Szenario und daher nicht so unmittelbar aufeinander wie im ersten Szenario reagieren.
Konkret heisst das, das wohl der Preis auf Angebot und Nachfrage immer noch sehr stark, also nahezu perfekt reagiert. Bei Nachfrageüberhang steigt er schnell, bei Ausgleich bleibt er konstant, bei Angebotsüberhang sinkt der Preis.
Im Gegensatz dazu sind aber Angebot und Nachfrage in ihrer Reaktion auf den Preis etwas enkoppelt. Entkoppelt bedeutet eine verzögerte und tendeziell schwache Reaktion. Weiterhin können sich Angebot und Nachfrage nicht beliebig flexibel verhalten.

Nachfrage:
Die Nachfrage reagiert auf einen steigenden Preis mit Abschwächung, aber nicht perfekt sich regulierend. Dies soll heißen, wenn der Preis etwa um 20% steigt, wird nicht einfach die Nachfrage genau in dem entsprechenden Maß zurückgehen, so dass der Preis wieder auf sein Ausgangsnieveau fiele. Vielmehr muss man eine gewisse Reaktion erwarten, die zwar auch in ihrer Stärke von der vorherigen Stärke des Preisanstieges abhängt, also je mehr der Preis steigt, desto mehr fiele die Nachfrage ab, aber nicht im Sinne einer perfekten Regulierung. Steigt der Preis milde, etwa von 15 auf 16,5 USD, also um 10 % wird nicht die Nachfrage gleich um 10 % einbrechen, so dass der Preis wieder bei 15 USD ist. Allerdings wird ein gewisser Effekt auf die Nachfrage durchaus vorhanden sein, sagen wir etwa 0,5 % Nachfrageabschwächung auf diesem Nieveau.
Nun wird diese Tendenz der Nachfrageabschwächung umso stärker, je höher der Preis steigt.
Womöglich - nur um es in konkreten Zahlen zu veranschaulichen, diese sind nicht empirisch, nur beispielhaft - wird etwa bei einem Preisanstieg von 10 auf 20 USD die Nachfrage um 1% geringer. Bei einem Anstieg von 20 auf 30 USD wird die Nachfrage um weitere 5 % geringer. Bei einem Anstieg von 30 auf 40 USD wird die Nachfrage um weitere 8 % geringer. Bei einem Anstieg von 40 auf 50 USD wird die Nachfrage um weitere 12 % geringer. Bei einem Anstieg von 90 auf 100 USD wird die Nachfrage um weitere 40 % geringer.

Irgendwann wird also die Nachfrageabschwächung - da sie exponentiell mit dem Preisnieveau ansteigt - durchaus den Preis regulieren können.
Sie wird aber nicht harmonisch den Preis stabilisieren, sondern erst spät einsetzen. Womöglich dann noch in Sprüngen, weil ab einem bestimmten Preisnieveau bestimmte mit Öl produzierte Waren die Rentabilitätsgrenze unterschreiten, daher ihre Produktion mehr kostet, als sie einbringen können!

Angebot:
Auch das Angebot wird - im Gegensatz zum Szenario der "Extrem harmonischen Selbstregulation“ - nicht perfekt durch den Preis reguliert, um mit ihm ein völlig stabiles System zu bilden.
Auch den Gegensatz hiervon anzunehmen, dass das Angebot gar nicht auf den Preis reagiere, wäre recht abwegig.

Vielmehr wird das Angebot sehr wohl von steigenden Preisen erhöht, aber nicht so stark, dass es unmittelbar den Preis regulieren könne.

Das Angebot wird - ähnlich wie die Nachfrage - zunächst nur schwach auf Preissteigerungen reagieren. Vermutlich sogar noch weit schwächer als die Nachfrage, da technische Limitierungen eine schnelle Angebotssteigerung verhindern. Ölsandanlagen wollen erst gebaut werden, Wasserstoffautos brauchen Infrastruktur usw. Diese geringe Reaktion des Angebots ist also nicht nur der geringeren Interaktion mit dem Ölpreis geschuldet, sondern auch durch die technologisch gegebenen Bedingungen der geringen Flexibilität des Angebotes verursacht.
Auf eine plötzliche Preissteigerung kann das Angebot vermutlich überhaupt nicht reagieren. Verdoppelt sich etwa der Preis in einem Jahr ist das Angebot weitgehend "hilflos". Es würde steigen, aber keinesfalls sich dermaßen stark erhöhen, so dass das Angebot in diesem Szenario ungeeignet erscheint, plötzliche Preissprünge zu regulieren.

Preis:

In diesem Szenario wird davon ausgegangen, dass der Preis das Verhältniss von Angebot und Nachfrage perfekt wiederspiegelt. Spekulationen, die den Preis verzerren finden nicht statt, der Markt ist, was die Preisbildung angeht effizient.

Konsequenzen für die zukünftige Ölpreisentwicklung:
Was für eine konkrete Preisentwicklung folgt aus obigen Annahmen über Angebot, Nachfrage und Preis?
Vermutlich wird der Preis sich so entwickeln: Wegen zunehmender Nachfrage wird bei gleichem Angebot der Preis sich dynamisch nach oben entwickeln, etwa auf 100, 120, 150 USD. Hemmend wirkt auf diese Preissteigerung die Nachfrage, die teilweise immer mal wieder abgeschwächt wird. Dies geschieht allerdings nicht harmonisch, sondern es kommen immer wieder Preissprünge bei Nachfrageüberhängen vor und Preisstürze, wenn die Nachfrage dann in großen Teilen zusammenbricht. Man kann sich das ähnlich einer Wellenbewegung der Räuber-Beutepopulationen von Fuchs und Hase vorstellen, nur mit dem Unterschied, dass die Werte nicht um ein festes Nieveau pendeln, sondern das Gesamtpreisnievau sich beständig - aber in Wellenbewegungen - erhöht.

Auch das Angebot spielt eine Rolle. Das Angebot setzt sich aus 2 Teilen zusammen: dem Öl und den Ölersatzstoffen. Diese werden in naher Zukunft vorraussichtlich eine gegenläufige Entwicklung zeigen. Während das Angebot an Öl durch den Decline gekennzeichnet ist, werden die Alternativen zum Öl, seien es Ölsände, Biodiesel oder aus regenerativen Energien gespeiste Elektroautos zunehmend ausgebaut. Insgesamt und vor allem in nächster Zeit wird die Tendenz des Angebotes an Öl und Ölersatzstoffen aber durch den Decline des konventionellen Öls bestimmt, wie im ersten Teil dieses Buches beschrieben. Daher steigen die Preise die nächsten 20 Jahre weiter, bis die zunehmende Menge der Ölersatzstoffe das Schwinden des Öls ausgleichen und sogar irgendwann übertreffen, so dass das der Welt insgesamt zur Verfügung stehende Angebot wieder auf den Stand vor Peak Oil und schließlich sogar darüber hinaus wächst. Man bedenke, dass etwa auch Solar - und Windenergie potentiell Ölersatzstoffe sind, da mit ihnen über den Umweg der Wasserstofftechnologie oder durch Elektromotoren Autos betrieben werden könnten. Weiter zu nennen wären Ölsände, Kohleverflüssigung, Gas und Biodiesel.
Beide Idealtypische Annahmen "Der Preis regelt das schon" oder im Gegensatz dazu "Der Preis wird bei steigender Nachfrage und sinkendem Angebot völlig entregelt explodieren" sind also vermutlich irreführend.

Letztlich wird der Preis sich also in Wellenbewegungen solange hochschrauben, bis die Nachfrage, zerstört durch hohe Ölpreise derartig abstürzt, dass sie wieder mit dem Angebot zusammenfällt. Dieser Prozess wird aber nicht sehr harmonisch verlaufen: immer wieder wird, wenn die Nachfrage über das Angebot hinauswächst (sei es durch Nachfragewachstum = Wirtschaftswachstum oder Angebotsverringerung = Decline) es zu Preissprüngen kommen, immer wieder werden, wenn diese Preissprünge zu stark ausfallen, Bereiche der Nachfrage zerstört werden.
Im Extremfall kann diese Nachfragezerstörung die Auslöschung ganzer Volkswirtschaften bedeuten!

Freilich, dies ist nicht mit der oft prognostizierten, völlig hemmungslosen Preisexplosion anderer Peak Oil Theoretiker zu verwechseln.
Der Preis wird nicht unreguliert ins Unendliche Oben laufen. Wer dies behauptet hat die Mechanismen von Angebotserhöhung und Nachfragezerstörung oder Nachfrageminderung nicht berücksichtigt.
Diese werden zwar nicht sofort perfekt greifen, aber eben je stärker der Preis steigt, desto dynamischer werden sie. Das diese Mechanismen aber, mit höherem Preis immer mehr, in die beschriebene Richtung wirken ist vorhersehbar, logisch und unausweichlich. Auch, dass der Preis für Öl somit nicht "beliebig" steigen wird ist somit vorgezeichnet.



Erläuterung:
Das Angebot an Öl ist in diesem Szenario wesentlich durch einen geologisch bedingten Förderabfall geprägt. Das Angebot fällt daher. Am Ende stabilisiert es sich durch die zeitweilig hohen Ölpreise, die vor allem im 4., 5. und 6. Jahr des Szenarios deutlich über den früheren Nieveaus liegen. Die Entwicklung des Angebotes ist hier der Anlass für den Anstieg des Ölpreises, spielt aber für die Regulation kaum eine Rolle.
Der Ölpreis steigt, getrieben durch den Nachfrageüberhang. Die Nachfrage ist es auch, die den Ölpreis ab dem 6. Jahr durch ihr zeitweilig extremes Abfallen herunter reguliert (Formulierung).
Ein halbwegs effizienter Regelkreis wird also nur von den Variablen Nachfrage und Öl gebildet, das Angebot fällt als Regulator des Preises durch seine große Unbeweglichkeit aus. Letztendlich gelingt die Regulierung des Ölpreises trotz des Decline noch, aber nur um den Preis zeitweilig extremer Abschwächung der Nachfrage. Dies käme einer ölinduzierten Rezession gleich.



Dies Szenario kann die Ölpreisentwicklung vergleichsweise am Besten erklären, denn eine perfekt harmonische Selbstregulation (Szenario 1) ist bei den extremen Preisschwankungen nicht anzunehmen, während aber auch ein Nachfragekollaps wie in dem labilen Szenario (Szenario 4) oder dem Katastrophenszenario (Szenario 5) nicht erkennbar ist, da die Nachfrage nach Öl und auch der Ölpreis auf einem hohen Niveau verblieben:



mfG

Assetpfleger
 
aus der Diskussion: Peak Oil und die Folgen
Autor (Datum des Eintrages): Assetpfleger  (08.12.12 13:04:40)
Beitrag: 7,886 von 15,277 (ID:43905849)
Alle Angaben ohne Gewähr © wallstreetONLINE